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Präsident unter Zugzwang

Von Daniel Bischof

Politik

Im Streit um die Akten des Finanzressorts muss Bundespräsident Van der Bellen über die weiteren Schritte entscheiden.


Der Streit um die Aktenlieferungen aus dem Finanzministerium gewinnt an Brisanz: Der Verfassungsgerichtshof gab am Mittwoch bekannt, dass er für weitere Schritte rund um die Exekution nicht mehr zuständig ist. Stattdessen müsse Bundespräsident Alexander Van der Bellen über das weitere Vorgehen entscheiden.

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Das Höchstgericht hat im März einem Antrag der Opposition stattgegeben. Diese hatte darin gefordert, dass das Finanzressort dem U-Ausschuss diverse Akten, darunter die E-Mail-Postfächer einiger Ministeriumsmitarbeiter, liefert. Da Blümel dem nicht fristgerecht nachkam, beantragte die Opposition die Exekution.

Auch damit drang sie beim Verfassungsgerichtshof durch: Am 5. Mai beauftragte das Höchstgericht Van der Bellen mit der Exekution seiner Entscheidung. Blümel erklärte daraufhin, dass er der Entscheidung unverzüglich nachkommen und alle notwendigen Akten liefern werde. Eine Exekution fand bisher auch noch nicht statt.

Die Opposition sieht Blümel aber weiterhin säumig und verlangt nun die Exekution. Sie beklagt, dass die Akten unvollständig und zum Teil mangelhaft (weil nicht in elektronischer Form) geliefert wurden. Blümel weist das zurück und betont, alle nötigen Unterlagen abgeliefert zu haben.

Keine einfache Lösung

Van der Bellen wandte sich an das Höchstgericht und ersuchte um Mitteilung, ob es seinen Exekutionsantrag aufrecht halte. Der Verfassungsgerichtshof gab aber am Mittwoch bekannt, dass die weitere Zuständigkeit für die Exekution nicht beim Höchstgericht, sondern beim Bundespräsidenten liege. Der Verfassungsgerichtshof habe nicht die Stellung eines "betreibenden Gläubigers", über die weiteren Schritte müsse daher Van der Bellen entscheiden.

"Die Entscheidung liegt damit in der politischen und rechtlichen Verantwortung" des Bundespräsidenten, sagt Verfassungsrechtler Karl Stöger von der Uni Wien zur "Wiener Zeitung": "Hilfe vom Verfassungsgerichtshof kann er sich keine mehr erwarten."

Eine einfache Lösung des Problems sieht Stöger nicht. Gemäß Artikel 146 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes kann der Bundespräsident die Exekution "durch die nach seinem Ermessen hiezu beauftragten Organe des Bundes oder der Länder einschließlich des Bundesheeres" durchführen lassen. Bisher wurde von dieser Befugnis allerdings noch nie Gebrauch gemacht.

Falls er Zweifel habe, könne Van der Bellen Nachforschungen anstellen und mit Blümel ein persönliches Gespräch führen, sagt Stöger. Blümel hat dem Bundespräsidenten eingeladen, sich von der Vollständigkeit der Aktenlieferung zu überzeugen. Er warf am Mittwoch der Opposition vor, den Bundespräsidenten täuschen zu wollen: Der Streit dreht sich um eine E-Mail, von der auch in der "ZiB 2" am Dienstagabend die Rede war: Diese soll laut Opposition nicht an den U-Ausschuss geliefert worden sein. Blümel erklärte, dass sich bei der Recherche des Ressorts herausgestellt habe, dass das Dokument sogar zwei Mal übermittelt worden sei.

U-Ausschuss läuft aus

Seien die Bedenken nach dem Gespräch mit Blümel nicht ausgeräumt, müsste der Bundespräsident wohl auf IT-Spezialisten und Sachverständige zurückgreifen, um zu klären, inwieweit die Akten mangelhaft oder unvollständig geliefert wurden. "Die Experten könnten etwa vom Bundesheer oder von der Polizei kommen", sagt Stöger. Der Verfassungsrechtler Peter Bußjäger erklärt: "Der Bundespräsident könnte auch das Bundeskriminalamt beauftragen, den Sachverhalt zu überprüfen."

Stellt sich heraus, dass Blümel bei der Aktenlieferung wirklich säumig ist, steht als letzter Schritt die Exekution offen. Werde dabei über die Stränge geschlagen, liege aber auch das in der Verantwortung des Bundespräsidenten, erklärt der Verfassungsrechtler.

In der Präsidentschaftskanzlei gab es am Mittwoch bis Redaktionsschluss noch keine Mitteilung über das weitere Vorgehen. Bestätigt wurde bisher nur, dass man die Mitteilung des Höchstgerichts erhalten habe. Ein allzu großer Zeitpolster besteht aber nicht mehr: Die letzte Befragung für den U-Ausschuss ist für den 15. Juli angesetzt. Bußjäger schlägt vor, dass der Bundespräsident entsprechend kurze Fristen bei seinem weiteren Vorgehen setzt.

Die Freiheitlichen forderten den Bundespräsidenten auf, "seine Verantwortung wahrzunehmen und durch Exekution die vollständige Aktenlieferung" zu gewährleisten. Christian Hafenecker, Fraktionsführer der FPÖ im U-Ausschuss, warf Van der Bellen vor, seit zwei Monaten "zahnlos" vorgegangen zu sein, weil er die Entscheidung des Höchstgerichts nicht gleich im Mai habe exekutieren lassen. SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer meinte, er habe "volles Vertrauen", dass Van der Bellen "machen wird, was er für richtig hält."

Im Ibiza-U-Ausschuss hieß es am Mittwoch indes zurück zum Ursprung. Im Fokus standen die Anfänge der Ermittlungen zum Ibiza-Video. Als Auskunftspersonen geladen war Ex-Justizminister Josef Moser (ÖVP). Er wurde zur Rolle der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) befragt. Die Opposition und die Grünen interessierten sich vor allem für eine E-Mail: Der damalige Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek hatte nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos an Johann Fuchs, dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, geschrieben, dass Justizminister Moser der WKStA "keine aktive Rolle" zukommen lassen wolle.

Zwei Weisungen erteilt

Moser erklärte, dass er nach dem Auftauchen des Videos die WKStA als "die richtige Staatsanwaltschaft" bei den Ermittlungen erachtet habe. Die "aktive Rolle" sei außer Streit gestanden. Sie habe sich bereits durch eine Weisung ergeben, mit der er Pilnacek ersucht habe, die WKStA mit der Herbeischaffung des gesamten Ibiza-Videos zu beauftragen. Vorwürfe, wonach er in einer Besprechung gesagt habe, er wolle die "WKStA zerschlagen", wies Moser mehrfach zurück.

Der Text wurde um 16.15 Uhr aktualisiert.