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Neue Strafregeln für Lohndumping

Von Karl Ettinger

Politik

Maximale Strafdrohung liegt künftig bei 400.000 Euro statt Kumulationsprinzip.


Insgesamt 14,338 Millionen Euro wurden bisher an rechtskräftigen Verwaltungsstrafen verhängt, wenn ausländische Arbeitnehmer von Firmen nach Österreich entsandt worden sind und dabei nicht ordnungsgemäß entlohnt wurden. Die Summe umfasst den Zeitraum von 1. Mai 2011, ab dem die damalige SPÖ-ÖVP-Bundesregierung erstmals genau gesetzliche Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping festgeschrieben hat, bis zum 31. August 2019. Betroffen von der Unterentlohnung waren nach den Daten des grünen Parlamentsklubs 4.989 Arbeitnehmer mit durchschnittlich 2873 Euro. Die rechtskräftigen Entscheidungen umfassten 1.806 Fälle von Firmen mit durchschnittlich 7939 Euro.

Für die Grünen und ihren Sozialsprecher Markus Koza sind die im Durchschnitt tatsächlich verhängten Strafen der Grund, warum sie am Mittwoch im Nationalrat einer Neuregelung der Bestimmungen gegen Lohn- und Sozialdumping mit der ÖVP unterstützen. Denn das bisherige System habe nicht so gewirkt, wie man sich das erhofft habe, hat Koza zuletzt auch im parlamentarischen Sozialausschuss argumentiert. Mit 1. September dieses Jahres fällt damit das sogenannte Kumulationsprinzip weg, das Mehrfachstrafen für Unternehmen, die gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen haben, mit steigender Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorsah.

Die von Arbeitsminister Martin Kocher ausgearbeitete Neuregelung, die im Hohen Haus beschlossen werden soll, sieht nun stattdessen ein System vor, bei dem sich der Strafrahmen gestaffelt nach der Schadenshöhe und nach dem vorenthaltenen Lohn richtet. Der maximale Strafrahmen reicht, wenn Beschäftigten mehr als 40 Prozent des Lohns nicht ausbezahlt wurde, bis zu 400.000 Euro. Bisher wurde allerdings nach den gesetzlichen Bestimmungen für Firmen mit bis zu drei Arbeitnehmern 1.000 bis 10.000 Euro "für jeden Arbeitnehmer" als Geldstrafe fällig, bei mehr als drei Beschäftigten 2.000 bis 20.000 Euro.

Künftig droht im Erstfall bei Arbeitgebern mit bis zu neun Arbeitnehmern eine Verwaltungsstrafe bis zu 20.000 Euro, wenn die Summe des vorenthaltenen Entgelts geringer als 20.000 Euro ist. Bei einer "Unterbezahlung" von 100.000 Euro beträgt die Geldstrafe bis zu 250.000 Euro. Dann folgt die Maximalgrenze von 400.000 Euro Strafe.

Proteste von Gewerkschaft und Arbeiterkammer

Die Grünen erhoffen sich dadurch mehr Effizienz von Strafen. Denn nun werde den Bezirksverwaltungsbehörden für die Verhängung von Verwaltungsstrafen eine Art Rechtsanwendung mit einem Stufenbau mit dem neuen Gesetz vorgegeben. Von SPÖ, Gewerkschaft und Arbeiterkammer kommen vor allem gegen das Ende des Kumulationsprinzips und von auch von Mindeststrafen scharfe Proteste. Arbeiterkammer-Direktor Christoph Klein versteht vor allem auch nicht, worum sich die Wirtschaft nicht schützend vor korrekt tätige Unternehmen gegenüber "schwarze Schafe" aus dem Ausland stellt.

Auslöser für die Änderung ist, dass die türkis-grüne Bundesregierung einen neuen Gesamtstrafrahmen mit Höchstgrenzen ausarbeiten musste, wie auch im Büro von Arbeitsminister Kocher betont wird. Der Europäische Gerichtshof hat 2019 in einer Vorabentscheidung zu einem Fall Kumulationsstrafen in Millionenhöhe als unverhältnismäßig angesehen. Der Arbeitsminister hält auch die jetzigen Strafandrohungen für abschreckend genug, um einen unfairen Wettbewerb zu bekämpfen. "Es wäre nicht notwendig gewesen, das Kumulationsprinzip ganz abzuschaffen", hält dem AK-Direktor Klein entgegen, eine Umsetzung in abgemilderter Form wäre seiner Ansicht nach möglich gewesen.

Strafen werden allerdings nicht erst dann fällig, wenn nachgewiesen wird, dass nicht der entsprechende Lohn bei der Entsendung oder Überlassung ausländischer Arbeitnehmer in Österreich bezahlt wurde. Verwaltungsstrafen drohen auch schon bei der Nicht-Einhaltung von Meldungen über die Entsendung, wenn Lohnunterlagen nicht bereitgehalten werden oder wenn Kontrollen verunmöglicht werden. Bei Verstößen gegen Meldebestimmungen werden bis zu 20.000 Euro fällig. Werden Lohnunterlagen nicht bereitgehalten oder nicht übermittelt, sind es ebenfalls bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40.000 Euro. Bis zu 40.000 Euro beträgt der Strafrahmen auch, wenn Lohnkontrollen vereitelt werden, indem der Zugang etwa zu Betriebsstätten verweigert wird.

Pflegefreistellung auchfür entsendete Arbeiter

Allerdings handelt es sich auch dabei laut Gesetzesentwurf um "eine einzige Verwaltungsübertretung", unabhängig von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch und der Arbeiterkammer ist auch das ein Dorn im Auge, vor allem auch weil keine Mindeststrafen mehr vorgesehen sind. "Für schwarze Schafe ist es am einfachsten, sich nicht kontrollieren zu lassen", sagt Klein. Damit könnten sich diese im Vorhinein strengere Strafen für Unterentlohnung ersparen, wenn sie sich diese nicht nachweisen lassen. Er sehe daher "das größte Problem" darin, dass das Vereiteln von Kontrollen nur mit Strafen bis zu 40.000 Euro bedroht sei. Er sieht sich diesbezüglich durch die Entwicklung in vergangenen Jahren bestätigt. Bis 2015 habe es 170 Fälle mit Strafen nach vereitelten Lohnkontrollen gegeben, danach sei die Zahl auf 1.700 emporgeschnellt.

Das Arbeitsministerium macht auf eine weitere Neuerung aufmerksam, die auch mit dem Gesetzespaket verbunden ist. Mit der Änderung komme es im Entsenderecht nach einem Jahr zu einer Gleichstellung ausländischer Arbeitnehmer. Entsandte Arbeitnehmer hätten dann auch Anspruch auf Pflegefreistellung.