Zum Hauptinhalt springen

Von Terrorabwehr, Asyl und "Ausnahmezustand"

Von Karl Ettinger

Politik

Vor der Sommerpause des Nationalrats geht es nicht nur um die Corona-Krise, es werden auch die Weichen für umfangreiche Gesetzespakete gestellt.


Es sei eine besondere Leistung, dass während der Corona-Krise, "in diesem Ausnahmezustand", solche Gesetzespakete der türkis-grünen Koalition beschlossen werden, hob ÖVP-Sicherheitssprecher Karl Mahrer vor der Verabschiedung des Anti-Terror-Pakets hervor. Am Mittwoch und Donnerstag arbeiten die Parlamentarier im Akkord. Nicht weniger als 66 Tagesordnungspunkte, darunter immerhin 30 Gesetzesbeschlüsse, stehen an den beiden letzten Sitzungstagen des Hohen Hauses vor der Sommerpause auf dem Programm.

Zwar kommen die Nationalratsabgeordneten dabei um das dominierende Thema der vergangenen eineinhalb Jahre nicht herum. Zur Bewältigung der Folgen der Pandemie werden von ÖVP und Grünen unter anderem 24 Millionen Euro bereitgestellt, um Menschen, die wegen der Corona-Krise mit Mietrückständen konfrontiert sind, zu unterstützen und Delogierungen zu verhindern.

Zündstoff in der Koalition

Beschlossen wurden aber auch Änderungen in zwei Bereichen - im Sicherheits- und Justizwesen sowie im Zusammenhang mit dem Klimaschutz -, die in den vergangenen Monaten für Zündstoff auch innerhalb der türkis-grünen Koalition gesorgt haben. Acht Monate nach dem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt Anfang November wurde mit dem Anti-Terror-Paket, das ausdrücklich auch einen neuen Straftatbestand für religiös motivierte Verbrechen beinhaltet, ein vorläufiger Schlusspunkt hinter die gesetzlichen Neuregelungen gesetzt.

Mit dem Gesetz zum Ausbau der erneuerbaren Energie erfolgt ein Schritt im Kampf gegen den Klimawandel und in Richtung Energiewende. Beim Beschluss Mittwochmittag in Nationalrat stimmte die SPÖ mit den Regierungsparteien ÖVP und Grüne und sorgte damit für die notwendige Zweidrittelmehrheit.

Gleich zum Auftakt am Vormittag gab es allerdings kein Vorbeikommen an der Pandemie. Dafür sorgte die SPÖ mit einer Aktuellen Stunde, die prompt zu einem heftigen Schlagabtausch führte, wer für die Corona-Kosten aufkommen müsse. SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner warnte, dass die "Heldinnen und Helden" und somit die Arbeitnehmer von der Regierung eine "dicke, fette Rechnung" für die Krise ausgestellt bekämen. "Wenn, wann nicht jetzt" sei Zeit für die Einführung einer Vermögenssteuer und der Erbschaftssteuer, forderte sie Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf. Der Regierungschef winkte allerdings ab: "Steuererhöhungen, die tun nur eines, sie bremsen die Wirtschaft." Man wolle nur große Digitalkonzerne stärker besteuern, Menschen, die täglich hart arbeiten, hingegen entlasten.

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl wischte das vom Rednerpult: Der Plan der Regierung in Komplizenschaft mit der SPÖ laute, "bei den Kleinen abkassieren". Mittelstand, Selbständige und Jugend würden für die Krise zahlen müssen, prophezeite Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Die grüne Klubchefin Sigrid Maurer sah ihre Partei als Schutzschirm gegen Sozialabbau: "Das wird es mit uns nicht geben."

Von Bethäusern fernhalten

Am Mittwochnachmittag wurde das Anti-Terror-Paket beschlossen. Es beinhaltet auch verschärfte Bestimmungen nach bedingten Entlassungen terroristischer Straftäter. So kann eine elektronische Fußfessel zur besseren Überwachung angeordnet werden. Es kann aber auch die Weisung erteilt werden, dass sich Täter vom Umfeld, das zu ihrer Radikalisierung beigetragen hat, etwa von Bethäusern, fernhalten müssen. Terroristischen Straftätern droht bei einer Doppelstaatsbürgerschaft der Entzug der österreichischen Staatsbürgerschaft, auch der Führerscheinentzug wird ermöglicht.

FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan beklagte, dass ein Antrag, wonach die Ausnützung des Asylrechts in Österreich als Erschwernisgrund ins Strafrecht aufgenommen werden soll, auch von der ÖVP abgelehnt worden sei. Er spielte damit auf die Ermordung einer 13-Jährigen in Wien Ende Juni an, nach der drei junge Afghanen als Verdächtige in Untersuchungshaft genommen worden sind. Einer der Verdächtigen ist bereits vorher straffällig geworden, aber nicht nach Afghanistan abgeschoben worden, wofür sich Innen- und Justizministerium daraufhin die Schuld zugewiesen haben.

Diese Schuldzuweisung mache ihn "fassungslos", kritisierte SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried: "Das Asylrecht soll nicht Schwerverbrecher schützen." Das sei geltende Rechtslage, eine Abschiebung wäre möglich gewesen. Straftaten müssten geahndet werden, Asylwerber außer Landes gebracht werden, betonte auch ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl.

Eine Spaltung des Staates sei mit dem Terroranschlag am 2. November "den Islamisten nicht gelungen", betonte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP): "Der politische Islam ist eine Geißel für die Gesellschaft." Das Anti-Terror-Paket sei "keine Showpolitik", sondern bringe 125 Millionen Euro mehr für die Sicherheit in Österreich. Für den Grün-Abgeordneten Georg Bürstmayr handelt es sich um eine "besonnene, rechtsstaatliche, gemeinsame Reaktion" auf das Phänomen Terror. Auch Muslime seien Teil dieses Landes: "Wir werden zusammenstehen gegen jene, die diese Gemeinschaft zerstören wollen."

Schon am Mittwochabend standen noch weitere Gesetzesänderungen auf der Tagesordnung des Nationalrats. Im Gewährleistungsrecht werden Vertragsauflösung und Preisminderung im Falle eines fehlerhaften Produkts erleichtert. Im neuen Insolvenzrecht ist unter anderem eine Verkürzung der Entschuldigungsfrist bei Insolvenzen von fünf auf drei Jahre vorgesehen.