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Eine Reform fürs Nirwana

Von Simon Rosner

Wie Türkis-Blau die Bankenaufsicht neu aufstellen wollte. Es gab etliche Auffälligkeiten, manche klärten sich auf.


Als die türkis-blaue Bundesregierung im April 2019 eine Reform der Bankenaufsicht in Begutachtung schickte, war die Aufregung groß. Vor allem bei der SPÖ, die vor einer "Ausschaltung der Kontrolle" warnte, aber auch bei der Oesterreichischen Nationalbank, deren Rolle entschieden geschwächt worden wäre. Die Aufregung ebbte ab, denn einen Monat später brach die Regierung nach der Ibiza-Affäre auseinander. Die Reform wurde nie umgesetzt.

Dass das gescheiterte Vorhaben auch im Ibiza-U-Ausschuss behandelt wurde, war einigen "Besonderheiten" geschuldet, wie es Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl nennt. Die Kurzfassung: mutmaßliche Spenden an die ÖVP von der Erste Bank; ein Treffen zwischen dem damaligen Erste-Chef Andreas Treichl mit Sebastian Kurz; ein Forderungspapier der Banken; ein Entwurf der Aufsichtsreform, der dem Forderungspapier stark ähnelte; eine Schwächung der Rolle der Nationalbank entgegen europäischen Usancen; eine Ablösung des SPÖ-nahen Co-Vorstandes der Finanzmarktaufsicht (FMA).

In seinem Bericht bezeichnet der Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl den Verdacht des Gesetzeskaufs zwar als "verständlich", eine kausale Kette von der Spende bis zum Entwurf sowie zu Postenbesetzungen in der Nationalbank und in der FMA habe der U-Ausschuss aber nicht finden können. Sehr wohl geht aus dem Bericht hervor, dass es sich um ein Reformvorhaben handelte, das einerseits Züge von Klientelpolitik trug, andererseits aber auch einzelne Entscheidungen beinhaltete, die als sachfremd zu bezeichnen sind und möglicherweise problematische Folgen für die Qualität der Aufsicht gebracht hätten.

Die Initiative der Reformbestrebung geht noch auf die große Koalition und eine Kritik des Rechnungshofs zurück, der die Aufteilung der Aufsicht zwischen OeNB und FMA als ineffizient sah und eine Zusammenführung empfahl. Eine Expertenkommission zeigte Für und Wider verschiedener Systeme auf, die ersten Bestrebungen unter Finanzminister Hans Jörg Schelling gingen dann in Richtung Bündelung bei der OeNB.

Da die FMA allerdings eine verfassungsrechtlich abgesicherte Behörde ist, hätte es dafür einer Zwei-Drittel-Mehrheit bedurft, weshalb die große Reform damals gleich wieder beerdigt und stattdessen eine sehr kleine angekündigt wurde. Diese wurde wiederum von der Neuwahl verhindert.

Türkis-Blau nahm die Reformbemühung wieder auf, wollte aber die Agenden plötzlich der FMA übertragen, obwohl auch die Mehrheit der EU-Länder die Aufsicht den Nationalbanken überantwortet. Auch die FPÖ wollte die OeNB stärken, die ÖVP setzte sich aber durch. "Die Beweggründe dafür [...] konnten im U-Ausschuss nicht völlig ins Klare übersetzt werden", formuliert Pöschl. Es bleibt also eine der unerklärlichen "Besonderheiten".

Und eine, die für die OeNB insofern heikel gewesen wäre, da sie Banken, die einen akuten Liquiditätsbedarf haben, mit Krediten versorgt. Die FMA kann als Behörde Banken schließen, die Nationalbank kann Erste Hilfe leisten. Wäre sie aber nicht mehr in die Aufsicht eingebunden gewesen, könnte sie die Entscheidung, welche Banken tatsächlich insolvent und welche eben nur eine Liquiditätslücke haben, viel schlechter treffen.

ÖVP beharrte auf Kontrolle, Blau auf Posten

Die türkis-blaue Regierung sprach damals von Einsparungen, nannte auch den Betrag von zehn Millionen Euro, wobei die OeNB in ihrer Stellungnahme zum Entwurf auf fehlerhafte Annahmen hinwies. Einsparen wollte man jedenfalls den zweiten Vorstand, nämlich den als SPÖ-nahe geltenden Helmut Ettl trotz seines internationalen Renommees und zudem bei laufendem Vertrag. Das stellte, so Pöschl, eine "durchaus ernst zu nehmende Gefährdung der Unabhängigkeit der FMA dar".

Der Verfahrensrichter wertet dieses geplante Manöver als parteipolitisch motiviert. Der damalige Innenminister und nunmehrige FPÖ-Chef Herbert Kickl berichtete dem U-Ausschuss, dass es der ÖVP besonders wichtig war, ähnlich wie bei der Staatsholdung Öbag, dass es nur einen Vorstand bei der FMA gibt. Die ÖVP habe sich dann "irgendwie" durchgesetzt. "Das war schon ein Ärgernis, das uns länger begleitet hat."

Pöschl verweist in seinem Bericht auch auf die Aussage von Treichl, der angab, dass sich die gesamte Bankensparte einig gewesen sei, dass es ein Vier-Augen-Prinzip bräuchte. Er sei "von der ersten Sekunde an" gegen die Abberufung Ettls gewesen, sagte Treichl. Sachliche Gründe, warum die ÖVP nur einen Vorstand wollte und sich dafür sogar auf verfassungsrechtlich dünnes Eis begab, fand der U-Ausschuss nicht.

Dass die Nationalbank trotz weniger Aufgaben vier Direktoren hätte behalten sollen, die FMA aber bei mehr Kompetenzen einen Vorstand weniger, erschließt sich für Pöschl nicht. Der Umbau hätte für die FMA zudem eine zweite Führungsebene mit drei sogenannten Exekutivdirektoren vorgesehen, die dann im Verhältnis 2:1 zwischen ÖVP und FPÖ besetzt worden wären. Das stelle eine "politische Entscheidung dar, deren Zweckmäßigkeit zu hinterfragen ist", heißt es im Bericht.

Sichergestellte und dem U-Ausschuss vorgelegte Chats legen nahe, dass die Besetzung von Posten in der Koalition, vor allem aufseiten der FPÖ, große Relevanz hatte. Einer Nachricht von Ex-FPÖ-Chef und damaligem Vizekanzler Heinz-Christian Strache ist zu entnehmen, dass sich die Freiheitlichen ihre Zustimmung zur "FMA-neu" mit Posten sowohl bei der Nationalbank als auch bei der Finanzmarktaufsicht abgelten ließen. Herbert Kickl berichtete dem U-Ausschuss von Gesprächsrunden über diverse Posten, vor allem in der Nationalbank, aber auch darüber hinaus. "Ich kann mich zum Beispiel auch daran erinnern, dass wir über den EU-Kommissar gesprochen haben. Ich habe damals gesagt: Den wollen wir haben. Das war nur ein Spaß, aber die ÖVP hat den Spaß nicht verstanden."

Erfolgreiches Lobbyingkeine Folge von Spenden

Für Pöschl stellen sich die Postenvergaben zwar durchwegs als parteipolitisch intendiert dar, nicht allerdings als Folge vorangegangener Spenden, wie es die Opposition als Verdacht formulierte. Die Spenden, etwa der Erste Bank an die ÖVP, erwiesen sich als Sponsoring von Events. Zudem habe Treichl später nicht als Chef dieser Bank, sondern als Spartenobmann mit der Regierung Kontakt gehabt. Also normales Lobbying.

Dieses Lobbying war aber nachweislich von Erfolg getragen. Pöschl erkennt in der Reform eine "größere Gewichtung des Einflusses der Wirtschaftskammer", etwa bei der Besetzung eines geplanten Fachbeirats in der FMA. Dass aber der Einfluss der Banken und Versicherungen "nicht unbegrenzt war, zeigt, dass ihr geschlossen vorgetragener Widerstand gegen die Abberufung eines Vorstandes der FMA im Ergebnis erfolglos war", schreibt der Verfahrensrichter.

Nach dem Koalitionsende wollte im Nationalrat "niemand mit dieser Reform weitermachen", erzählte Eduard Müller, Finanzminister der Expertenregierung. Was noch geschah: FMA und OeNB haben gemeinsam nach Ineffizienzen gesucht, um diese zu beseitigen. Aber das war’s auch schon. Türkis-Grün nahm die vom Rechnungshof eingemahnte Reform nicht mehr auf, die doppelte Struktur in der Bankenaufsicht besteht fort.

Alle acht bisher erschienenen Kapitel zum Ibiza-U-Ausschuss: wienerzeitung.at/ibiza-ausschuss