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Für Sozialdemokraten ist Unterstützung der KPÖ kein Tabu mehr

Von Karl Ettinger

Politik

Die SPÖ-Distanzierung von Kommunisten aus dem Jahr 1969 wurde nie aufgehoben. In Graz deutet alles auf ein rot-grün-rotes Bündnis.


Es sind zwar vorerst nur "vertiefende Sondierungsgespräche", wie es die Grazer KPÖ-Chefin Elke Kahr formulierte, deren Partei bei der Gemeinderatswahl am 26. September mit rund 29 Prozent stärkste Partei geworden ist. Dennoch stehen die Zeichen in der steirischen Landeshauptstadt für eine Koalition von KPÖ, Grünen und SPÖ. Am Mittwoch verkündete Kahr mit Judith Schwentner von den Grünen und dem SPÖ-Stadtparteichef Michael Ehmann die Gespräche.

Eine Kooperation zwischen KPÖ und Grünen ist weniger überraschend als die mögliche Unterstützung durch die Grazer Sozialdemokraten, die bei knapp zehn Prozent stagnieren. An sich ist eine Zusammenarbeit der SPÖ und der KPÖ nach wie vor tabu. Eine solche Unterstützung wird jedenfalls durch die sogenannte Eisenstädter Erklärung der SPÖ aus dem Jahr 1969, die nie formal aufgehoben wurde, untersagt.

Ehmann hat vor der Aufnahme der Sondierungsgespräche den steirischen SPÖ-Landeschef Vizelandeshauptmann Anton Lang informiert. In Graz wie auch in der SPÖ-Bundesparteizentrale in der Wiener Löwelstraße wurde sofort hingewiesen, dass erst vor wenigen Jahren vom SPÖ-Bundesparteitag ein Werte- bzw. Kriterienkatalog zu etwaigen Koalitionen beschlossen worden sei.

Wertekatalog gilt als SPÖ-Maßstab für Koalitionen

Konkret wurde der "Wiener Zeitung" in der Bundes-SPÖ erklärt: "Das sind keine Koalitionsgespräche." In Graz würden "kommunalpolitische Schwerpunkte" bei den Sondierungsgesprächen erörtert.

Anlass für den SPÖ-Kriterienkatalog war die Frage etwaiger Koalitionen mit der FPÖ, denen an sich ein aufrechter Parteitagsbeschluss einen Riegel vorschiebt. Dennoch hat die SPÖ im Burgenland mit dem damaligen Landeshauptmann Hans Niessl 2015 eine Koalition mit der FPÖ paktiert. Das sorgte bei Teilen der SPÖ für wütende Proteste. Seit 2020 hält die SPÖ mit Hans Peter Doskozil eine absolute Mehrheit im Land.

In Graz ist KPÖ-Chefin Kahr um Beruhigung bemüht. Es handle sich noch um keine Koalitionsverhandlungen. In zehn Tagen könnten aus Sondierungen Verhandlungen werden. Kahr, Schwentner und Ehmann wollen eine "neue Kultur" im Rathaus pflegen. Die konstituierende Sitzung des Grazer Gemeinderats ist für 17. November vorgesehen.

Die Stadt-ÖVP wird nach dem Wahllabsturz und dem Rücktritt von Bürgermeister Siegfried Nagl nicht ausgegrenzt. Vizebürgermeisterin dürfte aber Schwentner von den Grünen werden. KPÖ und Grüne haben im Stadtsenat eine Mehrheit, die SPÖ hat keinen Sitz. SPÖ-Stimmen sind im Gemeinderat für eine Mehrheit nötig.