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Das andere Corona im Aufschwung

Von Karl Ettinger

Politik

Ein Leben nach dem schleichenden Niedergang als Vorbild für Lackenhof: St. Corona am Wechsel hat sich mit Mountainbike für den Nachwuchs als Sommer-Standbein aus der Schneeabhängigkeit befreit.


Wetterglück schadet für einen Anbieter von Sportaktivitäten im Freien nie. Pulverschnee hat bei leichten Minusgraden das Grün auf den Hügeln und Bäumen kitschig eingemummt. Auf der Piste helfen Schneekanonen nach, damit die Erlebnisarena mit Schlepp- und Tellerlift sowie drei Förderbändern für kleinere Kinder wie ein weißes Kissen ist. Im Familienskiland in St. Corona am Wechsel im Bezirk Neunkirchen, 75 Autominuten südlich von Wien, sind die Vorbereitungen für den Start der heurigen Skisaison im Laufen. An diesem Samstag geht es los.

Sanft schlängelt sich die Straße von Aspang sieben Kilometer auf 840 Meter Seehöhe hinauf. In einen Container neben dem Parkplatz wird ein Paar Skischuhe nach dem anderen ordentlich eingestellt. Ohne Ski- und Schuhverleih geht es hier nicht.

Im niederösterreichischen Landtag wird am heutigen Donnerstag über das abrupte Beinahe-Ende des Skigebiets Lackenhof am Ötscher debattiert. Der politische Druck, den SPÖ und FPÖ mit der Einberufung einer Sondersitzung ausgeübt haben, ist an der Landespolitik nicht spurlos vorübergegangen. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hat mit Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger (beide ÖVP) und der Landesgesellschaft Ecoplus Alpin am Freitag praktisch schon um fünf nach zwölf eine Übergangslösung für das Skigebiet am Ötscher bis 2023 vorgestellt. Bei dieser Gelegenheit wurde ausdrücklich St. Corona am Wechsel als Vorbild genannt.

Lackenhof weckt beim Bürgermeister Erinnerungen

Beide niederösterreichischen Orte befinden sich in den Voralpen in jener mittleren Höhelage, für die Klimaexperten wegen der Erwärmung Probleme beim Skibetrieb vorhersagen. Der wesentliche Unterschied ist: In St. Corona gibt es ein neues Leben nach dem Tod der "alten" Skilifte im Jahr 2014, in Lackenhof war das Ende schon verkündet, ehe das Land vorerst als Retter einsprang. Es war aber weniger der Skilauf, der den Niedergang am Wechsel gestoppt hat, als der Umstand, dass in den vergangenen fünf Jahren gestützt vom allgemeinen Mountainbike-Boom eine Sportmöglichkeit mit Eventcharakter von April bis in den November vor allem Kinder und Jugendliche und damit Gäste anlockt.

Der Bürgermeister von St. Corona am Wechsel, Michael Gruber, kann den Vergleich mit Lackenhof gut nachvollziehen. "Es hat mich sehr vieles daran erinnert", schildert er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". 2014 war die Situation am Wechsel ähnlich: Weniger Skifahrer, Probleme bei Übernahmen von Gaststätten, Proteste gegen das Zusperren der Skilifte. "Das Land ist bei uns hart geblieben", erinnert er sich, "vorbei ist vorbei" habe es geheißen. Das Zusperren hat noch sein Vorgänger übernommen, ehe er nach der Wahl im Jänner 2015 Bürgermeister wurde und beim Neubeginn dabei war. Anfangs herrschte Skepsis. Ohne Unterstützung des Landes wäre es nicht gegangen. "Letztlich hat das Land Wort gehalten", zollt der ÖVP-Bürgermeister ausdrücklich Lob.

Für das Hauptgeschäft sorgen die Tagesgäste

Es sind noch immer die Tagesgäste, die für Geschäft und Einnahmen sorgen. "Bei uns sind 95 Prozent Tagesgäste", analysiert Manfred Gruber, Betriebsleiter bei der Erlebnisarena St. Corona am Wechsel und Bruder des Bürgermeisters. Allerdings gibt es inzwischen im Winter eine Art Drei-Schicht-Betrieb auf der Piste, mit einer ersten Tranche am Vormittag, einer zweiten am Nachmittag und einer dritten unter Flutlicht - auch das eine Neuerung - in der Zeit von 15 bis 19 Uhr. Mit dem Online-Karten-Verkauf, der seit dem vergangenen Winter wegen der Corona-Beschränkungen Fixbestandteil ist, gibt es am Vormittag und Nachmittag jeweils Kontingente für 400 Skigäste.

Über Nacht wurde aber auch hier wieder die Idee zur Fokussierung auf Kinder und Jugendliche im Schulalter sowie deren Eltern wie beim neuen große Standbein im Sommer geschaffen. Zuerst wollte das Land, so wird erzählt, nur eine neue Sommerrodelbahn unterstützen. Die alte Sommerrodelbahn war mit dem Ende der Lifte ebenfalls Geschichte.

Für Markus Redl, Geschäftsführer von Ecoplus Alpin, sind drei Hauptgründe entscheidend für einen erfolgreichen Transformationsprozess: Man müsse wegkommen von einem nicht mehr rentablen reinen Skigebiet, hin zu einem ganzjährigen Bergressort; es brauche auf regionaler Ebene Personal wie auch Grundeigentümer, die mitmachen. Und der Neuaufbau müsse eine sehr spitze Positionierung auf einen Bereich beinhalten. Im Falle von St. Corona am Wechsel war das der Unternehmer Karl Morgenbesser aus dem nahen Aspang. Er hält in der Betreibergesellschaft, die Pächter beim Land ist, 51 Prozent, mit einigen weiteren Personen aus der Region sowie Grundeigentümern. "Es gibt dort Leute aus der Region, die sich positiv eingemischt haben", bilanziert Redl. So sei auch die Idee geboren worden, Kinder mit einem Förderband samt Rad nach oben zu bringen.

Saison dauert nun zehn statt zwei Monate

"Wir haben eine Zwei-Monate-Saison gegen eine Zehn-Monate-Saison eingetauscht", bringt Bürgermeister Gruber den "Wandlungsprozess", von dem seine Gemeinde profitiert habe, auf den Punkt. "Wir haben in etwa 300 Tage im Jahr offen", rechnet der Betriebsleiter vor. Knapp vor dem Start der Wintersaison am 11. Dezember stapft noch ein Solo-Tourengeher aus Neunkirchen am Vormittag zu seinem Auto. Am kommenden Wochenende werden es ungleich mehr sein. So wie heuer im Sommer. Da sausten Kinder, die noch keine zehn Jahre alt waren, mit Mountainbikes über die ersten bewältigten Hügel bergab. Nicht selten vor den Augen ihrer Mütter und Väter, die es sich bei der Talstation und Einstiegsstelle bei einer Tasse Kaffee gemütlich gemacht hatten.

Auch beim Personal hat sich seit dem Beinahe-Ende des Liftbetriebs 2014 am Wechsel einiges geändert. Mittlerweile finden ganze 40 Angestellte praktisch das ganze Jahr über eine Beschäftigung - statt wie früher nur in der Wintersaison beim Lift. Umgekehrt habe man so "qualifizierte Leute" zur Hand, wie der Betriebsleiter betont. Dazu kommen zehn bis 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gastronomiebereich.

Im Jahr 2016 wurde damit begonnen, sich auf den Mountainbike-Breitensport für Kinder und Jugendliche zu konzentrieren. Mittlerweile ist das zum stärksten Standbein geworden. Unter der Marke "Wexl Trails" hat man sich im Einzugsbereich zwischen Wien und Graz einen Namen gemacht. "Da ist ein gewaltiger Turnaround gelungen", bilanziert Redl nicht ohne Stolz.

Aufregung um Corona-Ortstafel ist abgeflaut

Noch hinterher hinkt die Entwicklung einer größeren Zahl an Gästebetten. Was die Beherbergung betrifft, sei man "mittendrin" im Umstellungsprozess, fasst es der Bürgermeister zusammen. Aber der Aufschwung der vergangenen Jahre hat stark geholfen. Denn es gebe viele Interessenten in Form von Investoren oder Betreibern, heißt es bei der Ecoplus Alpin.

Nur einmal ging es schnell. Die im März 2020 ausgebrochene Corona-Krise hat damals nicht nur TV-Teams und Medien rasch in den 600-Einwohner-Ort mit dem einschlägigen Namen "St. Corona" gelockt. "Die Ortstafel war ein paar Mal weg", erzählt einer der Mitarbeiter. "Was die Bekanntheit betrifft", so Bürgermeister Gruber, habe das einiges gebracht. Inzwischen ist diese Aufregung aber abgeflacht.

Einen viel stärkeren positiven Effekt hat die Coronakrise aus einem anderen Grund gehabt. Während des Lockdowns im vergangenen Winter kamen viele, die nur rodeln wollten. Der aktuelle, am Wochenende noch geltende Lockdown sorgt daher für keinen großen Schrecken. Mit 2-G-Nachweis ist die Piste nämlich für Skiläufer geöffnet. In Lackenhof übrigens auch.