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Für die Roten wird es rosiger

Von Raffael Reithofer

Politik

Die SPÖ erholt sich derzeit in den Umfragen, nachdem die Wahlergebnisse über Jahrzehnte hinweg niedriger wurden.


Es ist, wie wenn man Fußball mit American Football verwechselt und den Ball am Elfmeterpunkt aufhebt und ins gegnerische Tor trägt." Mit diesem Sprachbild hat ein früherer SPÖ-Gemeinderat noch vergangenen Sommer seine Meinung zur größten Oppositionspartei Österreichs und ihrer Führungsriege rund um Parteichefin Pamela Rendi-Wagner beschrieben. Damals war Sebastian Kurz (ÖVP) noch Bundeskanzler und Rendi-Wagner vielen Kritikern eine zu handzahme Oppositionspolitikerin.

Seit den politischen Turbulenzen rund um die türkise ÖVP und dem Rücktritt von Sebastian Kurz im Herbst vergangenen Jahres ist die Situation für die SPÖ nun wieder eine deutlich rosigere. In den allermeisten Meinungsumfragen des heurigen Jahres befinden sich die Sozialdemokraten mittlerweile auf Platz eins - teils mit deutlichem Abstand zur zweitplatzierten Volkspartei. Und laut einer aktuellen Umfrage des Nachrichtenmagazins "profil" hat Rendi-Wagner in der sogenannten Kanzlerfrage ("Für wen würden Sie stimmen, wenn man den Bundeskanzler direkt wählen könnte?") nun auch noch den jetzigen Amtsinhaber Karl Nehammer (ÖVP) überholt.

Kleine Renaissanceder Sozialdemokratie

In den Umfragen zeichnet sich mittlerweile also eine kleine Renaissance der Sozialdemokratie ab. Das könnte allerdings auch daran liegen, dass das politische Image der ÖVP und FPÖ seit der Ibiza-Affäre im Frühjahr 2019 und den politischen Folgeskandalen schwer beschädigt wurde.

Dass der Aufstieg der SPÖ also gewissermaßen fremdverschuldet ist, gesteht auch die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Julia Herr bis zu einem gewissen Grad ein: "Es ist auch das Versagen der Regierung, so ehrlich muss man sein." Der Aufstieg ihrer Partei in den Umfragen sei allerdings sehr wohl auch hausgemacht, sagt die Funktionärin und führt als Beispiel die Antiteuerungspolitik an. Da traue man der SPÖ Lösungskompetenz zu.

Das deckt sich mit der bereits erwähnten Umfrage von "profil", in der unter anderem abgefragt wurde, welche politische Partei "die besten Konzepte gegen die Teuerung" habe. Die SPÖ schneidet dabei mit 20 Prozent deutlich besser ab als die anderen Parteien (FPÖ: 14 Prozent, ÖVP 7 Prozent, Neos 6 Prozent), allerdings sind ganze 34 Prozent der 800 Befragten der Meinung, dass gar keine politische Partei diesbezüglich ein gutes Konzept habe.

Die SPÖ könnte bei den nächsten Nationalratswahlen also zulegen und zum ersten Mal seit 2013 wieder stärkste politische Kraft werden. Seit der Kreisky-Ära befindet sich die einst so stolze Partei in Bezug auf ihre Wahlergebnisse auf Talfahrt.

Anfänglicher Stimmenverlust als Normalisierung

Der Zeithistoriker Werner Suppanz, der an der Karl-Franzens-Universität Graz lehrt und unter anderem Experte für die Parteigeschichte der SPÖ ist, sieht diese Entwicklung differenziert. Dass die SPÖ in einer ersten Phase zwischen den 1980er-Jahren und der Jahrtausendwende von mehr als 50 auf unter 40 Prozent fiel, könne man aufgrund der damaligen "grundlegenden gesellschaftlichen Veränderung und Neuerungen in der politischen Kultur" auch als eine Normalisierung auffassen.

Einerseits seien damals nach der Besetzung der Hainburger Au 1984 die Grünen entstanden, andererseits sei die FPÖ als rechtspopulistische Partei mit Jörg Haider erstarkt. Dass die SPÖ in einer zweiten Phase seit der Jahrtausendwende jedoch noch stärker an Wählerstimmen verloren hat, sieht der Historiker deutlich kritischer. Bei 35 Prozent liege eine sozialdemokratische Partei noch "in einem guten Bereich für eine durchschnittliche westliche Demokratie. Gegen 20 Prozent ist natürlich ein krasser Bedeutungsverlust, vor allem, wenn man merkt, es geht Jahr für Jahr weiter runter".

"Soziale Komponente"des Klimaschutzes

Inhaltlich-programmatisch kritisiert Suppanz, dass man sich in den Vorjahren viel zu wenig die Frage gestellt habe, was Sozialdemokratie in einer "zunehmend individualisierten" sowie digitalisierten Gesellschaft bedeute. Auch das Klima- und Umweltthema spricht der Experte in diesem Kontext an: Die SPÖ habe diesbezüglich "einen Fehler gemacht, indem sie diesen Aspekt bis jetzt nur sehr unzureichend aufgegriffen hat".

Anders sieht das freilich Julia Herr, die im Nationalrat auch als Klima- und Umweltsprecherin ihrer Partei fungiert. Ihrer Meinung nach gelte es für die SPÖ, die "soziale Komponente" des Klimaschutzes hervorzuheben und die Verantwortung für die ökologische Transformation nicht auf das Individuum abzuwälzen.

Letztendlich stellt sich auch die Frage: Inwieweit soll sich die SPÖ noch auf ihre einstigen Stammwähler aus dem traditionellen Arbeitermilieu fokussieren? "Die SPÖ sollte sich stark auf die Arbeiter konzentrieren, sogar auf jene ohne Wahlrecht", sagt dazu Volkswirt und SPÖ-Parteimitglied Nikolaus Kowall. "Ich glaube nicht, dass Auto und Ausländer weltanschaulich brauchbare Angebote dafür sind, sondern die soziale Frage und die Lebensqualität." Für die SPÖ Wien im Speziellen werde die urbane Mittelschicht in den nächsten zehn Jahren als Zielgruppe noch wichtiger werden, als sie das heute schon ist. "Die Autofrage sehe ich da eher als Generationen-, denn als Klassenkonflikt, zumal die Arbeiter ihr Wahlrecht in Wien gerade verlieren."