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Die Regierung liefert kein Ergebnis

Von Bernd Vasari

Politik
Die geringen Geburtenraten führen dazu, dass mehr Menschen in Pension gehen, als auf den Arbeitsmarkt nachkommen.
© SimpLine - stock.adobe.com

Groß angekündigt, am Ende versandet: Die Reform der Arbeitslosenversicherung von Martin Kocher. Was sind die Gründe?


Der Wirtschaftsstandort Österreich hat ein schwerwiegendes Problem. Schädlicher als die derzeitige Teuerung ist das demografische Gefälle. Die geringen Geburtenraten führen dazu, dass mehr Menschen in Pension gehen, als auf den Arbeitsmarkt nachkommen. Beim nächsten Wirtschaftsaufschwung wird diese Tatsache die heimischen Unternehmen voll treffen. Der Mangel an Arbeitskräften wird dann höher sein, als er heute ohnehin schon ist. Das heißt: Offene Stellen werden noch häufiger nicht besetzt werden können.

Der grün-schwarzen Koalition ist dieses Problem bewusst, die Lösung sollte mit einer großen Reform der Arbeitslosenversicherung herbeigeführt werden. Das Ziel: Die Verkürzung der Arbeitslosendauer, vor allem jener Personen, die sechs Monate bis zwei Jahre lang keinen Job finden - im Jahr 2021 waren das mehr als 126.000 Personen (siehe Grafik). Mehrere Monate brüteten ÖVP und Grüne über eine Reform. Nun präsentierte Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) das Ergebnis: es gibt keines.

Um den Arbeitsmarkt zu beleben, schlug Kocher ein degressives Arbeitslosengeld in drei Stufen vor. Die ersten 7 bis 10 Tage ohne Job sollte demnach kein Arbeitslosengeld ausbezahlt werden. Danach wäre für drei Monate die Nettoersatzrate von 70 Prozent ausgezahlt worden. Nach den drei Monaten wäre die Rate auf 55 Prozent gekürzt worden - es ist jene Höhe, die derzeit sofort bei Antritt der Arbeitslosigkeit ausbezahlt wird. An den Modalitäten zum Bezug der Notstandshilfe hätte sich laut Kocher nichts geändert.

Kein Geld in den ersten Tagen

Die ersten 7 bis 10 Tage ohne Auszahlung hätte gegenüber dem jetzigen Modell zwar Nachteile bei geringer Dauer der Arbeitslosigkeit gebracht, räumte Kocher ein. Das sei aber zumutbar gewesen, zumal in dieser Phase großteils keine Armut drohe.

Der grüne Koalitionspartner äußerte jedoch Bedenken. Arbeitgeber könnten dies systematisch ausnutzen, um Arbeitnehmer temporär in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Damit würde sich die Unsicherheit der Arbeitnehmer erhöhen.

Die größten Unterschiede traten bei der Zuverdienstgrenze zutage. Kocher wollte die Möglichkeiten einschränken: So habe sich für manche Personen durch das Arbeitslosengeld plus Nebenerwerb ein höheres Einkommen ergeben, als dies bei einer regulären Beschäftigung der Fall wäre. Insgesamt gehen derzeit etwa 10 Prozent der Arbeitslosen einer Zusatzbeschäftigung nach. All jene Personen, die schon vor ihrer Arbeitslosigkeit eine weitere Tätigkeit ausübten, hätten diese jedoch behalten können. Kocher verwies auf Künstler und Nebenerwerbsbauern.

Zudem hätte man dem Arbeitsmarktservice (AMS) einen gewissen Spielraum eingeräumt. Aus der Betreuung ergebe sich schließlich, ob der Zuverdienst "hilft oder schadet". Grundsätzlich wäre der Zuverdienst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosigkeit aber zeitlich begrenzt gewesen. Laut Kocher hätte man damit gut 15.600 Personen in die Beschäftigung bringen können.

Die Grünen argumentieren hingegen für die Möglichkeit von Zuverdiensten, sie würden die Armut minimieren.

Für Klaus Prettner, Volkswirt an der Wiener Wirtschaftsuniversität, ist die Studienlage beim degressiven Arbeitslosengeld nicht eindeutig. Eine niedrigere Ersatzrate nach einiger Zeit würde zwar jene motivieren, die bei der höheren Ersatzrate nicht arbeiten wollen. Jedoch sind aber gerade unter den Langzeitarbeitslosen viele Menschen schwer zu vermitteln und bei ihnen hätte das Senken der Ersatzrate keinen Effekt. "Man spricht die Arbeitslosen an, die nicht wollen, aber es gibt viele, die nicht können", sagt er. So haben es vor allem Über-50-Jährige schwerer einen Job zu bekommen. "Daran ändert auch eine degressive Gestaltung des Arbeitslosengeldes nichts", sagt Prettner.

Verschärfung von Sanktionen

Für den Volkswirt müssten verstärkt Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen forciert werden. Zudem würde ein höherer Betreuungsschlüssel im AMS helfen. Treffsicherer als ein degressives Arbeitslosengeld wäre die Verschärfung der Sanktionen für diejenigen, die keinen Job annehmen wollen. "Wem zumutbare Jobangebote unterbreitet werden und wer diese nicht annimmt, bekommt kein Arbeitslosengeld", schlägt er vor.

Ein degressives Arbeitslosengeld gibt es in vielen EU-Ländern, darunter in Schweden und in Dänemark, mit Nettoersatzraten von 80 bzw. 90 Prozent. Soweit wäre Kocher aber nicht gegangen. In Dänemark müsse man dafür in der Gemeinde mitarbeiten, erklärt der Arbeitsminister, der mehrere Jahre als Professor an der Universität in Göteburg unterrichtet hatte. "Im Norden wird erwartet, dass man arbeitet", sagt er. Dafür müssten in Österreich die Zumutbarkeitsbestimmungen geändert werden. Ein Ding der Unmöglichkeit.