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Von WhatsApp-Gruppen und YouTube-Videos

Politik

Zwei Angeklagte im Terrorprozess gaben an, von den Anschlagplänen nichts gewusst zu haben. Die Erklärung gelang nicht immer.


Mit dem vierten Verhandlungstag des Prozesses gegen sechs mutmaßliche Tathelfer des Attentäters vom 2. November 2020 gingen auch die Erstbefragungen aller Angeklagten zu Ende. Im großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts für Strafsachen Wien wurden am Dienstag abschließend noch der Zweit- und Drittangeklagte einvernommen.

Unter mittlerweile schon gewohnt hohen Sicherheitsvorkehrungen erzählte der Zweitangeklagte, wieso er am Tag des Anschlags bei Attentäter K.F. war. Er gab an, mit dem späteren Attentäter befreundet gewesen zu sein. Der Angeklagte habe sich Monate zuvor ein Buch ausgeborgt, das der Attentäter unbedingt zurückhaben wollte. Deshalb sei er gemeinsam mit dem Drittangeklagten zur Wohnung des Attentäters gefahren. Laut eigenen Angaben war er auch nicht in der Wohnung des Attentäters, K.F. habe ihn und den Drittangeklagten nicht hineingelassen. Man habe sich dafür für 15 Minuten unten im Stiegenhaus unterhalten. Es sei immer wieder vorgekommen, dass er nicht in die Wohnung durfte. "So war er halt", meinte der Zweitangeklagte. Ob er denn nichts gemerkt habe beim Verhalten des späteren Attentäters, will der Richter wissen. "Jetzt im Nachhinein finde ich es komisch, dass er nicht komisch war." Zum Unverständnis des Richters argumentierte der Drittangeklagte ähnlich: Es sei immer wieder vorgekommen, dass man nicht in die Wohnung von K.F. durfte, das habe man nie groß hinterfragt.

Als man erfahren habe, wer den Anschlag verübt hat, sei der Zweitangeklagte zusammen mit seiner Familie und dem Drittangeklagten zur Polizei gegangen. "Wenn wir ein bisschen helfen können, wäre das schon etwas wert", meinte er zum Richter.

Der Zweitangeklagte versuchte auch zu erklären, wieso er in einer WhatsApp-Chatgruppe "Muslime" war, die vom Landesverfassungsschutz (LVT) als "extrem" eingeschätzt wird. "Das ist mein Freundeskreis", so der Angeklagte, es sei nicht nur um den Islam gegangen. Die erste Nachricht in dieser Gruppe war allerdings der Hinweis, "nichts Bedenkliches" zu posten. Vor dem Treffen mit dem Attentäter am 2. November stieg er aus dieser Gruppe aus. Wieso, wurde er von den Richtern und Geschworenen nicht gefragt.

Tausende Videos von Hasspredigern angeschaut

Erstaunlich gut informiert zeigte sich dann der Drittangeklagte, als ihm der Richter vorlas, von welchen Predigern er sich Videos auf YouTube angesehen hatte. Es geht um tausende Videos von teils radikalen Predigern, viele davon wegen ihrer Nähe zum IS schon verhaftet, angeklagt oder verurteilt. Der Drittangeklagte rechtfertigte seine Predigerauswahl mehrmals mit Freisprüchen, die ein Prediger in der Türkei oder anderen Ländern erhalten hatte. "Warum suchen Sie sich keinen Prediger, der nicht dauernd im Dunstkreis des IS schwimmt?", wollte der Richter, durch die Befragung schon leicht emotionalisiert, wissen.

Auch eine frühere Verurteilung wegen einer versuchten Ausreise des Drittangeklagten mit dem späteren Attentäter war Thema. Zuerst wollten sie 2018 nach Afghanistan, dann Syrien. "Um in einem islamischen Staat zu leben", erklärte der Drittangeklagte. An Länder wie Saudi-Arabien dachte er nicht. Dem IS schwor er damals die Treue, um bei der Ausreise Hilfe zu bekommen. Die radikalen Ansichten von früher vertrete er nicht mehr, meinte der Angeklagte. So ganz glauben wollten ihm das die Richter und die Geschworenen allerdings nicht und hielten ihm vor, dass er weiter IS-Materialien verbreitet habe.

"Es gibt ein Video, wo über das Paradies gesprochen wird", wie könne das IS-Propaganda sein, versuchte sich der Angeklagte zu rechtfertigen. Es reiche, wenn eine Grundeinstellung verbreitet wird, man müsse nicht immer zum Dschihad aufrufen, antwortete der Richter, der zu einem späteren Zeitpunkt ein Déjà-vu hatte: Der Drittangeklagte hatte sich am 2. November ein Video angesehen, wie man ein Handy auf Werkseinstellungen zurücksetzen kann. "Das haben wir bei mehreren Angeklagten hier", hielt der Richter fest.

Das Handy sei dann allerdings nicht zurückgesetzt worden, meinte der Angeklagte. Zeit dazu habe er genug gehabt. Wieso er sich in der Nacht vor dem Anschlag dieses Video angesehen hatte, konnte er nicht beantworten. Genauso wenig wie Fragen nach seinem Zweithandy, das die Polizei nicht finden konnte. Es ist bis heute verschwunden. (pak)