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Oppositionelle Sicherheitspolitik

Von Patrick Krammer

Politik

SPÖ, FPÖ und Neos wollen aktiv an einer Sicherheitsstrategie mitarbeiten. Was genau sie fordern, ist nicht ganz klar.


Selten sind sich alle Oppositionsparteien in Österreich so einig, wie wenn es um die Sicherheitsstrategie der Republik geht. Monatelang kritisierten sie die türkis-grüne Regierung dafür, dass die zehn Jahre alte Doktrin selbst nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht erneuert wurde. Seit Ende Februar haben sie die Regierung nun soweit. Sie kündigte mehrfach ein Update an, beschloss es diese Woche im Ministerrat auch offiziell, doch SPÖ, FPÖ und Neos sind noch nicht zufrieden. Sie verlangen, miteingebunden zu werden, und wollen einen nationalen Schulterschluss. Auf die Frage, wie genau so eine Strategie am Ende aussehen soll, haben die Parteien selbst wenig Antworten.

Die vermisst Michael Zinkanell, Direktor des Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES), aber auch bei der Regierung. "Ich frage mich, was die Intention der Regierung ist", meinte er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Er wünscht sich, was sich auch die Sicherheitssprecher der Oppositionsparteien wünschen: eine ernst zu nehmende Debatte. Doch genau daran zweifeln diese. Neos-Sicherheitssprecher Douglas Hoyos warnte am Mittwoch davor, dass die Regierungsparteien "die Sicherheitsstrategie allein im Hinterzimmer verhandeln". Sein FPÖ-Pendant, der blaue Wehrsprecher Volker Reifenberger, meint zu den Ankündigungen der Regierung nur: "Am Abend wird der Faule fleißig!" Er fordere schon länger eine, auf die Neutralität ausgerichtete Sicherheitsstrategie.

Plötzliches Interesse an Sicherheitsstrategie

Zwischen 2013 und 2022 interessierte sich kaum jemand für die Sicherheitsdoktrin, bei der jetzt, geht es nach Regierung und Opposition, Feuer am Dach ist. Auf der Parlamentswebseite findet sich dazu kaum ein Dokument, hin und wieder wird es erwähnt. Was es in den Jahren nach der Krim-Annexion nicht gibt, ist ein Aufschrei, man möge die Sicherheitsstrategie der Republik auf neue Beine stellen. Einzig 2019 interessierte sich der SPÖ-Mandatar Christian Kovacevic einmal dafür, was aus den skizzierten Schritten in der Doktrin eigentlich geworden ist. Dass Russland ein strategischer Partner ist, scheint jahrelang vergessen worden oder zumindest nicht von Interesse gewesen zu sein.

Das soll sich nun ändern. Die Doktrin beschäftigte sich 2013 noch zu wenig mit dem digitalen Raum, Österreich "hat verschlafen", dass es "seit Jahren in einem Konflikt mit Russland" sei, sagt Hoyos. Als Beweis sieht der Neos-Abgeordnete den Hackerangriff auf das Außenministerium im Jahr 2020. Dass die derzeitige Strategie wenig Konkretes anspricht, liege auch daran, dass "man sich nicht getraut hat, zu grundlegenden strategischen Fragen Stellung zu beziehen". SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer glaubt , es liege an einem damals fehlenden parteiübergreifenden Commitment. Die Grünen und das BZÖ stimmten 2013 nicht zu. Laimer würde Russland lieber nicht als Land bezeichnen, das mit Österreich in einem Konflikt steht. Es reiche zu erklären, weshalb Russland kein strategischer Partner mehr sei, ist er sich sicher.

"Die umfassende Landesverteidigung darf zukünftig keinem ‚österreichischen Schlawinertum‘ unterliegen, sondern muss dem Schweizer Vorbild folgen", so Laimer. Soll heißen: genug finanzielle Mittel für das Heer. Er fordert eine Rückbesinnung auf die geistige Landesverteidigung mit dementsprechenden Maßnahmen in Schulen, und eine Strategie, wie beim Bundesheer mit der bevorstehenden Pensionierungswelle umgegangen werden soll.

Im zivilen Bereich müsse man sich auf mögliche Blackouts vorbereiten und die ökologischen Notwendigkeiten miteinbeziehen. Das bedeute auch, in Sachen Windkraftanlagen eine Quote vorzuschreiben, so Laimer. Opposition und Zinkanell fordern zudem, dass die Energieversorgung als Ganzes in die Strategie aufgenommen werden sollte. Laimer will die Energieversorgung in die "Daseinsvorsorge" implementieren, also nicht mehr marktorientiert aufgestellt sehen. "Eine sehr sozialdemokratische Sicht, die harte Verhandlungen verlangt", wie er sagt.

Neue Strategie in dieser Legislaturperiode fraglich

Reifenberger spricht sich wiederum für einen Automatismus aus, mit dem eine Sicherheitsstrategie spätestens alle zehn Jahre evaluiert werden sollte. Obendrein sollte sie mit einer qualifizierten Mehrheit, also einer Zweidrittelmehrheit, beschlossen werden müssen. Es brauche "eine Neubewertung des Verhältnisses Nato und EU", so Reifenberger zur "Wiener Zeitung". Russland erwähnt der FPÖ-Abgeordnete in seiner Stellungnahme dafür nicht.

Hoyos hat mit Blick auf die Sicherheitsstrategie aber auch Angst, wie er sagt. Vor allem vor den Ankündigungen der Regierung interministerielle Arbeitsgruppen einsetzen zu wollen. Er befürchtet zähe und langatmige Verhandlungen. "Sind wir ehrlich, wenn die Bundesregierung etwas ankündigt, heißt das nicht, dass sich Dinge in Bewegung setzen." Auch Laimer zweifelt, dass sich eine Sicherheitsstrategie noch in dieser Legislaturperiode ausgehen wird. Er macht das aber weniger an der Regierung fest, sondern an seiner Forderung nach einem möglichst offenen Prozess, bei dem möglichst viele Stakeholder miteinbezogen werden.

Etwas optimistischer ist dafür AIES-Direktor Zinkanell: Er glaubt, dass sich eine Doktrin selbst bei einem breit angelegten Dialog bis 2024 ausgehen könnte, wenn man es darauf anlegt. Das Bundeskanzleramt wollte sich unterdessen zu angepeilten Zeitplänen nicht äußern.