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Rote Rückbesinnung

Von Vilja Schiretz

Politik
Wie geht es für die rote SPÖ weiter, eher nach links oder eher nach rechts?
© getty images / olaser

Im SPÖ-Wahlkampf stehen traditionell linke Forderungen im Fokus. Wie sich Links und Rechts gewandelt haben.


Rechts der Klerus, der Adel, die Anhänger des alten Regimes. Links die Bürger, die Revolutionäre, die Gegner der Monarchie. Die Sitzordnung in der französischen Nationalversammlung infolge der Revolution und die daraus abgeleitete Einteilung politischer Einstellungen in links und rechts prägt den politischen Diskurs bis heute.

Das wurde auch im Vorfeld der SPÖ-Mitgliederbefragung deutlich. Kann der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil tatsächlich Wählergruppen rechts der Mitte ansprechen, fragen sich Beobachter. Und würde er Linke verschrecken? Und ist der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler zu links?

Mit der Einstellung zur Monarchie haben diese Zuweisungen im Jahr 2023 freilich wenig zu tun. Doch was sie stattdessen ausmacht, ist nicht einfach zu definieren. "Auf der sozioökonomischen Konfliktdimension geht es um die Rolle des Staates und die Rolle des Marktes. Wer soll in welchem Ausmaß welche Aufgaben erfüllen?", formuliert es Marcelo Jenny, Politikwissenschaftler an der Universität Innsbruck. Links ist, wer mehr staatliche Eingriffe befürwortet, rechts, wer auf den freien Markt setzt.

Aber fordert der vermeintlich rechte Doskozil mehr Markt? Wohl kaum. Der Landeschef will einen gesetzlichen Mindestlohn, eine Kindergrundsicherung, Eingriffe in den Markt, um der Inflation entgegenzutreten. Oder, wie auch in seinem Programm zu lesen ist: "einen starken Staat".

Fokus auf Zuwanderung

Seinen Ruf als "Rechter" innerhalb der Partei hat er vielmehr seiner Asyllinie als Verteidigungsminister zu verdanken, als er sich für verstärkten Grenzschutz und einen Fokus auf rasche Abschiebungen aussprach.

"Wir verwenden das Label rechts heute nicht, um zu sagen, dass jemand besonders wirtschaftsliberal eingestellt ist", sagt Laurenz Ennser-Jedenastik vom Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien. "Wir meinen damit, dass eine Person restriktive Einstellungen zum Thema Zuwanderung hat." Auch in Befragungen, bei denen sich Menschen selbst als links oder rechts einstufen sollen, gebe es hier die stärkste Korrelation. Studien aus den Niederlanden würden zeigen, dass sich dieser Wandel hin zu einem starken Fokus auf Migration schrittweise seit den 1970er Jahren vollzogen hat, sagt Ennser-Jedenastik. "Die Entwicklung dürfte in Österreich nicht ganz unähnlich gewesen sein." Wirtschaftspolitische Fragen gerieten in den Hintergrund.

Nun könnten diese aber wieder an Bedeutung gewinnen, meint Jenny. Denn gerade der Umgang mit der Teuerung oder die Auszahlung von Unterstützungsleistungen im Laufe der Corona-Pandemie haben die Frage nach der Rolle des Staates wieder relevant gemacht.

Das spiegelt sich auch in Umfragen zu den jüngsten Landagswahlen - also Tirol, Niederösterreich, Kärnten und Salzburg - wider. In Sora-Befragungen, welche Themen im Wahlkampf besonders häufig diskutiert wurden, rangierte stets die Inflation auf dem ersten Platz - und verdrängte damit das Thema Migration.

Und nun dreht sich auch der SPÖ-interne Wahlkampf um "klassische" linke Positionierungen im Sinne der Sozial- und Wirtschaftspolitik. Babler wirbt etwa mit einer Arbeitszeitverkürzung, Preisgrenzen und Übergewinnsteuern im Energiebereich, Gratis-Kindergarten. "Da positioniert sich Babler ganz klar: ‚Da will ich einen stärkeren Staat.‘ Von rechter Seite würde kommen: ‚Nein, das kann der Markt durch private Betreuungsangebote erfüllen.‘"

Zurück zum "Kerngeschäft"

Und obwohl Babler einer breiteren Öffentlichkeit bekannt ist, seit er regelmäßig die Zustände im Erstaufnahmezentrum in seiner Gemeinde anprangert, spricht er Asyl und Migration in seinem Wahlprogramm zwar an, in der Zusammenfassung ist dem Thema aber nicht einmal ein Unterpunkt gewidmet. Auch Rendi-Wagner betont in ihrem Programm Energiepreisdeckel, eine Kindergrundsicherung, Millionärssteuern, nicht aber Migrationsfragen. Einzig in Doskozils Wahlprogramm nehmen diese etwas mehr Platz ein.

Ennser-Jedenastik erscheint ein stärkerer Fokus auf die ökonomische Dimension bei der Mitgliederbefragung logisch, sei diese doch das "Kerngeschäft" der SPÖ. "Das ist die Konfliktdimension, entlang derer sozialdemokratische Parteien in ganz Europa entstanden sind."

Jenny kann sich vorstellen, dass sozial- und wirtschaftspolitische Themen auch künftig relevant bleiben, dem Thema Zuwanderung als Dauerbrenner in Wahlkämpfen gewissermaßen Konkurrenz machen könnten. Denn die Debatte um die Rolle des Staates könnte auch im Zusammenhang mit der Klimakrise an Bedeutung gewinnen: "Da gibt es Bereiche, die sehen, dass wirtschaftliche Probleme auf sie zukommen oder schon da sind - zum Beispiel Dürre in der Landwirtschaft. Auch da wird es eine Auseinandersetzung geben: Wer trägt die Kosten? Was soll der Staat zur Abfederung oder Bewältigung tun?"