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Jedem Menschen recht getan . . .

Von Georg Hönigsberger und Vilja Schiretz

Politik

Parteiinterne Wahlen müssen nicht spalten.


In Österreich haben parteiinterne Vorwahlkämpfe keine Tradition. Man einigt sich üblicherweise im Vorfeld von Parteitagen auf einen Kandidaten, der den Vorsitz übernehmen und die Partei als Spitzenkandidat in die Nationalratswahl führen soll. Bei der SPÖ hat man sich nach einem Vorstoß des burgenländischen Landeshauptmanns Hans Peter Doskozil diesmal notgedrungen für eine andere Vorgehensweise entschieden. Nach einer Mitgliederbefragung werden nun Doskozil und der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler auf dem Parteitag am 3. Juni in einer Kampfabstimmung gegeneinander antreten. 

Bis dahin haben die beiden Zeit, wahlzukämpfen - innerhalb der eigenen Partei. Nachdem es erst galt, möglichst viele der rund 148.000 Parteimitglieder bei der Befragung ins Boot zu holen, sind beim Parteitag in Linz nun 609 Delegierte die Entscheidungsträger. Das birgt Tücken: Denn der Wahlsieger muss in weiterer Folge nicht nur Parteigänger und Funktionäre, sondern spätestens bei einer Nationalratswahl im Herbst 2024 breitere Wählergruppen ansprechen. Und was in den Reihen der Genossen gut ankommt, kann anderswo für hochgezogene Augenbrauen sorgen. Und alles, was jetzt im Kampf um rote Stimmen gesagt wird, kann potenziell zur Belastung für den späteren roten Spitzenkandidaten werden.

Babler und der Marxismus

Einen Vorgeschmack darauf hat bereits Babler bekommen: In einem Interview sagte er, der Marxismus sei "eine gute Brille, um auf die Welt zu schauen". Zumindest in manchen Teilen der SPÖ dürfte diese Aussage nicht schockieren - für die politische Konkurrenz war sie dagegen gefundenes Fressen. Die Junge Volkspartei bezeichnete die Aussage etwa als "besorgniserregend", der mit dem Marxismus verbundene Kommunismus hätte "Millionen Menschen das Leben gekostet".

Übermäßig geschadet scheint Babler die Marxismus-Aussage vorerst allerdings nicht zu haben. Das bilden zwei Umfragen ab, die in den vergangenen Tagen veröffentlicht wurden. Sowohl bei OGM (für Servus TV) als auch bei IFDD (für die "Kronen Zeitung") läge eine Babler-SPÖ (26 Prozent) bei der Sonntagsfrage vor einer von Doskozil geführten SPÖ (24 beziehungsweise 25 Prozent). Beide Umfragen zeigen aber auch, dass nach derzeitigem Stand unter Babler, der vorwiegend Wähler von links zurückgewänne, ÖVP und FPÖ gemeinsam mehr als 50 Prozent der Stimmen erreichten. Dies wäre unter Doskozil, der eher Wähler rechts der Mitte zurückholen könnte, nicht der Fall. Dafür läge bei einer Kandidatur des Burgenländers die KPÖ bei 8 Prozent. Im linken Wählerspektrum gibt es für Doskozil weniger zu holen.

Unterschiede betonen

Im parteiinternen Wahlkampf gilt es für die Kandidaten auch, sich voneinander abzugrenzen, Unterschiede stärker zu betonen als Gemeinsamkeiten. Doskozil gilt als Rechtsverbinder der SPÖ. "Wenn Doskozil sagt, dass er eine Ampelkoalition will, weiß er, dass das seinen Plan erschwert, sozialdemokratische Wähler von der FPÖ zurückzuholen", erklärt der Politikberater Thomas Hofer gegenüber der "Wiener Zeitung". Es könne durchaus sein, dass er dies nach seiner etwaigen Kür korrigieren müsse, um auf Bundesebene Koalitionspartner zu finden. Andererseits habe Doskozil jüngst die Feststellung treffen müssen, "dass er und Babler in Migrationsfragen gar nicht so weit auseinanderliegen", sagt Hofer. Babler sei diesbezüglich noch wenig einschätzbar, meint Hofer. "Er ist neu auf dem Parkett und kein Politprofi."

Der parteiinterne Wahlkampf lässt Hofer an die USA denken: "Das erinnert ein wenig an amerikanische Primaries." Die zugespitzten Aussagen an die eigene Klientel "haben immer Konsequenzen". Kandidaten bekämen oft Probleme bei den allgemeinen Wahlen, wenn sie von vorher getroffenen Aussagen abrücken.

Trotzdem, in den USA sind Vorwahlen innerhalb der beiden Großparteien - Demokraten und Republikanern - selbstverständlich. Es liegt an den für die jeweilige Partei registrierten Wähler, auszuloten, welcher Kandidat die Partei am erfolgreichsten in die Präsidentschaftswahl führen kann. Im Wahlkampf liegt der Fokus auf den Differenzen innerhalb der eigenen Partei. Wodurch man sich von der anderen Partei unterscheidet, ist ohnehin klar. Was in Österreich Befürchtungen über eine mögliche Parteispaltung laut werden lässt, gehört anderswo zum politischen Alltag.

SPD als Vorbild

Auch die SPD, die deutsche Schwesternpartei der SPÖ, hat bewiesen, dass ein parteiinterner Wahlkampf später keine negativen Folgen haben muss. Nachdem Andrea Nahles im Juni 2019 als Parteivorsitzende zurückgetreten war, sollte die Basis erstmals seit 1993 über die neue Parteispitze entscheiden. Die kandidierenden Zweierteams bekamen in 23 "Regionalkonferenzen" die Möglichkeit, sich selbst und ihre Programme zu präsentieren. Am Ende gingen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als siegreiches Duo aus der Stichwahl hervor. Knapp zwei Jahre später konnte die SPD bei der Bundestagswahl fünf Prozentpunkte dazugewinnen und landete auf dem ersten Platz - mit Olaf Scholz als Kanzlerkandidat, der in der Stichwahl unterlegen war.

Politikforscher Hofer weist mit Blick auf die SPÖ-Wahl allerdings darauf hin, dass die rund 600 Delegierten mitunter andere Motive haben als die große Anzahl der Parteimitglieder. "Funktionäre nehmen sich selbst stärker in die Entscheidung rein als Mitglieder", sagt Hofer. "Ihnen geht es auch darum, ob sie ihre Position in der Partei mit dem neuen Kandidaten halten oder sogar verbessern können." Hier stehe weniger die politische Positionierung des Kandidaten im Fokus als vielmehr dessen Möglichkeit, die Partei wieder in eine Regierung oder gar ins Kanzleramt zu führen.

Nach Redaktionsschluss wurde ein Video bekannt, in dem Babler noch 2020 gegen die EU wetterte. Auch das wird nun gegen ihn ausgelegt. In dem Mitschnitt nennt er die EU etwa das "aggressivste außenpolitische militärische Bündnis, das es je gegeben hat". Die Union sei in der Doktrin "schlimmer als die NATO".

Geäußert hat sich Babler derart in einem Podcast des SPÖ-nahen PR-Beraters Rudolf Fußi. Von diesem mit Fragen zur Union konfrontiert sah der SP-Vorsitzkandidat, damals freilich "nur" Traiskirchener Bürgermeister, ein "imperialistisches Projekt mit ein paar Sozialstandards".

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Von der "Krone" mit seinen damaligen Aussagen konfrontiert, meinte Babler nun, am Weg in die Sozialunion brauche es eine Reform der Europäischen Verträge: "Mit dieser Forderung befinde ich mich in guter Gesellschaft mit vielen sozialdemokratischen Regierungschefs."

Doskozil und Babler, die beiden Kandidaten um den SPÖ-Vorsitz, beziehen im parteiinternen Wettstreit um Delegiertenstimmen Positionen, die sich in einem Nationalratswahlkampf nicht zwingend halten lassen.