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Türkisch? International!

Von Linda Say

Politik
Ismail Karabulut verkauft Fruchtsaft und türkisches Bier. Die Kunden sind oft Österreicher. Foto:newald
© © Robert Newald

Türkische Getränke erfreuen sich nun auch in Österreich Beliebtheit. | Frage des Alkohols spaltet die Türken.


Wien. Für manch einen gleicht der Eintritt in das Lager von Ismail Karabulut am Großgrünmarkt in Wien Liesing dem Eintritt ins Paradies. Reihenweise gestapelte Kisten von Efes-Bier, Wein und Raki lassen so einige Genießerherzen höher schlagen. "Das Paradies stellt sich jeder anders vor", schmunzelt Karabulut, Besitzer des 1000 Quadratmeter großen Lagers und Geschäftsführer der Firma Sabex. Ob seine Landsleute diese Meinung teilen, sei dahingestellt. Der 46-jährige Unternehmer jedenfalls wickelt seine Geschäfte größtenteils mit Österreichern ab. "Immerhin trinkt ein Österreicher im Jahr 110 Liter Bier, ein Türke hingegen nur elf Liter", sagt Karabulut.  

Sabex, die zu den größten österreichischen Import-Getränkefirmen zählt, ist im Großhandel tätig und beliefert neben Gastronomen auch Supermarkt-Ketten und Tankstellen wie Shell und BP. Türkische Supermärkte gehören allerdings nicht zu Karabuluts Kundenstock. "Alkohol ist dort meistens tabu", weiß Karabulut, der als junger Student nach Wien kam, um bald darauf als Unternehmer durchzustarten, und das mit Erfolg. Der Umsatz steigt stetig und liegt zuletzt mit einem Wachstum von acht Prozent bei 5,5 Millionen Euro.

Doch die jahrelange Erfahrung und das Interesse für die Konsumgewohnheiten der Österreicher brachten den Geschäftsmann auf neue Ideen. "Immer mehr Menschen ernähren sich bewusst bio, also sind wir ebenfalls in das Biogeschäft eingestiegen", gibt sich Karabulut zuversichtlich und steckt sich damit hohe Ziele, die über die Grenzen des Alpenlandes hinausragen. Mit "Elite Naturel Organic" plant er ganz Europa mit natürlichen Bio-Fruchtsäften zu beliefern. "Elite Säfte sind 100 Prozent natürliche Fruchtsäfte verschiedener Geschmacksrichtungen, die aus ausgewählten Früchten aus der Türkei hergestellt wurden und keine künstlichen Zusatzstoffe enthalten. Außerdem sind sie mit der Austria Bio Garantie versehen. Davon planen wir 280.000 Liter in sechs Monaten zu verkaufen", so Karabulut. Das würde einem Marktanteil von 2,4 Prozent im organischen Sektor entsprechen.

"Nicht als türkisch sehen"

Es sind somit nicht migrantische Betriebe, die Unternehmer, die selbst einen Migrationshintergrund aufweisen, ansprechen wollen. "Im Gegenteil", so Karabulut, "wir wollen nicht als türkische Firma gesehen werden, sondern als internationale."

Auch wenn in seinem Betrieb hauptsächlich türkischsprachige Mitarbeiter tätig sind, kann von einer homogenen Gruppe kaum die Rede sein. "Hier arbeiten Menschen mit unterschiedlichen, teilweise konträren Ideologien. Einer hat über seinen Kollegen jahrelang nicht gewusst, dass dieser eigentlich Armenier ist. Obwohl er als MHP-Sympathisant (die türkischen Partei der Nationalistischen Bewegung, Anm.) gegenüber Armeniern kritisch eingestellt ist, so hat er nach jahrelanger Kollegenschaft den Menschen dahinter gesehen. Ausgrenzungen haben bei uns sowieso keinen Platz. Was zählt, ist Tüchtigkeit und Verlässlichkeit", so der Firmenchef, der selbst ab und zu mit feindlichen Blicken und spitzen Kommentaren konfrontiert wird. "Der eine oder andere Großmarktbesucher verirrt sich in unser Lager, schüttelt beim Anblick des Alkohols den Kopf und verschwindet schnell wieder", amüsiert sich der Vater zweier Kinder über spontane Besuche religiöser Landsleute.

Privat trifft man Ismail Karabulut auf Infoabenden der alevitischen Gemeinden in Wien. Obwohl er keine Unterschiede zwischen den religiösen Bekenntnissen macht, ist es ihm ein Anliegen, die als liberal geltenden Aleviten zu unterstützen, da diese in Österreich eher unbekannt sind. "Manchmal wundern sich die Österreicher über Türken, die Alkohol trinken", so die 24-jährige Semra. "Das liegt an dem konservativen Bild, das die Türkei unter Präsident Erdogan vermittelt und nicht zuletzt an der streng religiösen Minderheit in Österreich, die keinen Alkohol duldet", kritisiert die Studentin. Arif, 28, hingegen befürchtet, dass durch solche Aussagen Vorurteile noch verstärkt werden: "Ich selber bin Alevite, trinke aber selten Alkohol. Es entsteht der Eindruck, als wäre die Frage des Trinkens oder Nicht-Trinkens das einzige Unterscheidungsmerkmal. Das ist falsch."

Tatsache ist, dass Efes-Bier von Fußballabenden oder anderen Feierlichkeiten kaum wegzudenken ist und einen Kundenstock erfreut, der über Nationalitäten und Religion hinweg stetig wächst. Na dann Prost oder auch "Serefe"!