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"Im Theater sind alle weiß"

Von Stefan Beig

Politik
Ramesh Nair probt gerade in den Kammerspielen für "Singin’ in the Rain".

Ramesh Nair über die Integration im Theater. | Choreograph, der als "Inder" bekannt wurde, spielt in Kammerspielen.


"Wiener Zeitung": Donnerstag ist Premiere von "Singin’ in the Rain" in den Kammerspielen. Nervös?Ramesh Nair: Ich freue mich schon darauf. Eine Vorstellung ist die Belohnung für jeden Darsteller nach der langen Probenzeit. Die Mühe hat sich dann hoffentlich gelohnt. Ich freue mich eher darauf, als dass ich nervös bin. Natürlich habe ich auch Lampenfieber, aber gerade das bringt einen zu Höchstleistungen.

In Wien sind Sie beim Publikum derzeit sehr erfolgreich. Hat man als Künstler auch Angst vor dem plötzlichen Ende?

Diese Frage stellt man sich schon früh. Schon als ich meinen Berufswunsch gegen den Willen meiner Eltern durchgesetzt habe - ich wusste, wenn ich nicht Künstler werde, werde ich nicht glücklich -, habe ich mich gefragt: Ist das riskant? Die Dauer eines Engagements ist absehbar. Was kommt danach? Ich hatte damit gerechnet, dass ich jahrelang durch Deutschland werde reisen müssen. Überraschenderweise bin ich aber sehr schnell in Wien sesshaft geworden.

Sind Sie hier zufrieden?

Sicherlich hat man es in Wien als Ausländer im Musical schwieriger, weil großteils "weiße Produktionen" gezeigt werden. Als farbiger Schauspieler ist es nicht so einfach unterzukommen. Am Broadway in New York ist hingegen in jeder Produktion ein Ausländer, Schwarzer oder Asiate dabei. Auch in London ist man mutiger. Deshalb war ja auch die Telering-Werbung mit mir als Inder so auffällig: als einzige Werbung mit ausländischem Protagonisten.

Haben es Menschen mit anderem Hintergrund in Deutschland leichter?

Deutschland wirkt mutiger als Österreich. Dort hat fast jeder zweite TV-Moderator einen anderen Background, in Österreich fast keiner. Auch in TV-Serien kann es schon mal einen schwarzen Kommissar geben. Dass es noch ein Schubladendenken in Österreich gibt, das ist schade. Deshalb denke ich manchmal, ich gehe nach Deutschland zurück. Andererseits bin ich jetzt seit zwölf Jahren in Österreich und war nur zwei Monate arbeitslos. Ich habe mir viele Standbeine aufgebaut, als Moderator, Choreograph, Regisseur oder Darsteller, und hatte immer Arbeit.

Prägen Klischees stark das Bild von Wien? Könnte nicht die Kunst die neue Vielfalt besser abbilden?

Die Klischees von Wien sind noch immer sehr präsent. Um mehr ausländische Darsteller ins Theaterleben zu integrieren, bräuchte es einen ganz großen Schritt. Ich glaube, das wäre ein langer Prozess. Zurzeit sind fast alle Darsteller im Theater und TV noch weiß. Es bräuchte mutigere Menschen mit der Bereitschaft, etwas anders machen zu wollen.

Verfolgen Sie auch aufmerksam die politische Ausländerdebatte?

Im Jahr 2000 war es für mich ein echter Schock, als ich gerade zwei Stunden lang auf der Bühne gestanden bin, total erschöpft das Theater verlassen habe und dann auf ein ausländerfeindliches Wahlplakat gestoßen bin. Ich fand das total ungerecht. Auch in Deutschland gibt es eine Anti-Ausländer-Szene, aber ich wurde nie so offensiv damit konfrontiert. Für mich war das ein Schock, weil ich nicht damit gerechnet habe. Politisch haben solche Strömungen in Deutschland nicht solchen Einfluss. Manche Leute, die hier den Mund groß aufmachen, würden in Deutschland erst gar nicht zu Wort kommen. Einige Kollegen in Deutschland haben mir, bevor ich nach Wien gekommen bin, gesagt: "Pass auf Dich auf."

Was hatten Sie denn vorher für Vorstellungen von Wien?

Ich hatte vorher naiv gedacht, ganz Wien schaut aus wie der erste Bezirk. Aber dann hat es mich gefreut, dass jeder Bezirk hier ein anderes Bild hat. Ich nehme wahr, dass sich hier alles irgendwie verändert. Darüber freu ich mich.

Sehen Sie in Vielfalt auch eine Chance für die Kunst?

Total. New York als "melting pot" ist da wohl exemplarisch. So viele Kulturen gibt es, die dort aufeinanderprallen. Ich habe es genossen, am Times Square problemlos als Mensch unter Menschen zu spazieren. Keiner schaut Dich an. Das ist für mich Erholung. Es gibt auch in Wien viele Personen, die sich für Zuwanderer und Integration starkmachen. Sonst wäre ich nicht hier, hätte keine Freunde und würde mich nicht wohlfühlen. Sofern mich kein Filmangebot aus Deutschland weglockt, bleibe ich in Österreich. Ich spiele auch mit dem Gedanken, die Staatsbürgerschaft zu beantragen. Zuwanderung ist eine Chance, auch für mich.

Hat es Sie gestört, auf "den Inder" reduziert zu werden?

"Der Inder" ist für mich eine Rolle und eine wunderbare Möglichkeit, etwas Neues auszuprobieren. Es hat mich die ersten vier Monate stolz gemacht hat, wenn man mich auf der Straße angesprochen hat. Der Inder hat wahnsinnig viele Fans. Ich hätte nicht gedacht, dass der Werbejob so lange so erfolgreich anhält - bis heute. Natürlich ist es einem irgendwann auch mal zu viel. Es hat mein Privatleben verändert. Man kann sich nicht mehr verstecken. Inzwischen habe ich mich an diese Veränderung gewöhnt und genieße mein Leben.