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Produktiv altern statt Frühpension

Von Katharina Schmidt

Politik

Alternsforscher Juhani Ilmarinen: "Zuerst Anreize schaffen."


Wien. Finanzministerin Maria Fekter will es. Sozialminister Rudolf Hundstorfer will es. Und sämtliche Pensionsexperten raten seit Jahr und Tag dazu. Statt einer Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters muss erst einmal das faktische erhöht werden.

Und wieder einmal wird hier Finnland seinem Ruf als europäischer Vorreiter gerecht, denn dort hat man sich diese Frage schon Anfang der 1980er Jahre gestellt. Die Probleme waren damals ähnlich wie heute in Österreich, erklärt Juhani Ilmarinen, langjähriger Alternsforscher am Finish Institute of Occupational Health. Vor allem die Zahl der Invaliditätspensionen war hoch, ein Fünftel der 55- bis 59-jährigen Finnen war Mitte der 1990er Jahre arbeitslos. Von 1998 bis 2002 wurden im Rahmen des "Finnish National Programme für Ageing Workers" fünf Millionen Euro in die Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit älterer Menschen investiert. Unter anderem mit Manager-Trainings, Medienkampagnen und arbeitsmedizinischen Maßnahmen wurde eine positive Stimmung gegenüber den Potenzialen Älterer erzeugt.

Bonus-Malus-System

Vergleichsweise spät, im Jahr 2005, folgte in einem nächsten Schritt eine gesetzliche Pensionsreform. Das Antrittsalter wurde flexibel zwischen 62 und 68 Jahren festgelegt, aber an ein Bonus-Malus-System geknüpft: Wer vor 65 Jahren in Pension geht, dem werden für jedes fehlende Monat 0,4 Prozent der Pension abgezogen - und zwar dauerhaft. Dafür gewinnt man pro Monat 0,6 Prozent, wenn man nach dem 65. Geburtstag in Pension geht. "Zuerst müssen die positiven Anreize geschaffen werden, sodass Ältere in der Arbeitswelt bleiben wollen, können und dürfen", sagt Ilmarinen. Damit werde ein Klima erzeugt, in dem gesetzliche Maßnahmen leichter umsetzbar seien.

Und der Erfolg gibt den Finnen recht: Nicht nur sind die Ausgaben für das Pensionssystem mit 8,3 Prozent des BIP (2008) wesentlich geringer als in Österreich (12,3 Prozent), auch liegt das tatsächliche Antrittsalter höher: Die Österreicher gehen mit 58,9 Jahren (Männer) beziehungsweise 57,5 Jahren (Frauen) in Pension, die Finnen mit 61,8 und 61,4 Jahren. Auch der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist also geringer. In Finnland ist die Frauenbeschäftigungsrate in der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen fast doppelt so hoch wie hier (60,3 Prozent zu 34,2 Prozent). Ilmarinen rät daher dringend dazu, den Beschäftigungsgrad der älteren Frauen zu erhöhen.

Pilotprojekt in Österreich

Das finnische Vorbild macht hierzulande bereits Schule: 30.000 Arbeitnehmer in 20 Betrieben werden im Rahmen des mit 1,5 Millionen Euro dotierten Pilotprojekts "Arbeitsfähigkeit erhalten" von AUVA und Pensionsversicherungsanstalt im Auftrag des Sozialministeriums sensibilisiert. Laut Programmleiterin Irene Kloimüller hat in Österreich ein Umdenken in Richtung Wertschätzung der Arbeitskraft Älterer "noch nicht stattgefunden".

Generell plädiert sie für eine Änderung der Unternehmenskultur. "Der Knick im Arbeitsleben kommt schon mit 40 oder 45 Jahren. Wenn es hier keine neuen Herausforderungen gibt, dann kommt der Gedanke an die Frühpension auf", warnt die Expertin. Der Schaden für die Volkswirtschaft ist jedenfalls evident: Würde jeder Österreicher ein Jahr länger arbeiten, brächte das 330 Millionen Euro pro Jahr.