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Essen, streng nach dem Gesetz

Von Alexia Weiss

Politik
Koscheres Essen darf nur unter besonderen Bedingungen zubereitet werden.

Koschere Ernährung ist in Wien manchmal schwierig.


Wien. Der Kellner trägt in der einen Hand Pizza, in der anderen Pasta. Es ist Mittwoch Abend im Novellino - und wären da nicht die eher konservativ gekleideten Gäste, wähnte man sich in einem italienischen, der heutigen Mode entsprechend eher nüchtern gestalteten Restaurant. Wem am Eingang noch nicht die auf dem Türpfosten angebrachte Mesusa, ein längliches Kästchen, in dem sich das Schma Jisrael, das wichtigste jüdische Gebet befindet, aufgefallen ist, dem sticht im Inneren des Lokals jedoch sicher das Waschbecken auf, welches im Speiseraum montiert ist. Dieses dient religiösen Juden zum rituellen Händewaschen vor dem Essen. Das Novellino, erst kürzlich in der Zirkusgasse eröffnet, ist also ein koscheres Lokal. Die Besonderheit: Es ist das einzige "milchige" Lokal Wiens.

Die jüdischen Speisegesetze, auch Kaschrut genannt, sehen eine Trennung von milchigen und fleischigen Speisen vor. Wer sich also koscher ernährt und auch einmal gerne auswärts isst, muss sich vorher entscheiden, ob er lieber ein Schnitzel oder aber ein Nudelgericht mit Käse essen möchte. Während beispielsweise in London die Mehrheit der koscheren Lokale milchig geführt wird, gibt es in Wien fünf fleischige Restaurants und mit dem Novellino nun eben ein milchiges.

Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister sieht dafür verschiedene Gründe: Einerseits tendiere hier vor allem der bucharische Teil der jüdischen Gemeinde, das sind jene Zuwanderer, die aus Buchara, einem Gebiet in der ehemaligen Sowjetunion, kommen, zu Fleischgerichten. 550 Familien sind in Wien der bucharischen Gemeinde zuzurechnen und sie leben meist traditionell, halten also die Kaschrut ein. Insgesamt zählt die Israelitische Kultusgemeinde heute an die 7500 Mitglieder. Andererseits werde in Österreich kein koscherer Käse produziert, weil dafür der Markt fehlt. Käse wird also importiert - und das macht ihn teuer.

Hier sieht auch Gastronom Meir Borochov die größte Herausforderung, in Wien ein koscheres Lokal zu betreiben. Borochovs Familie stammt ebenfalls aus der ehemaligen Sowjetunion, genauer aus Taschkent. In ihrem Besitz ist zudem das Kosherland, eines von vier Wiener koscheren Lebensmittelgeschäften, sowie eine der drei koscheren Bäckereien.

"Milch ist kein Problem, da wird auch in Österreich koscher produziert", sagt Borochov. Der Import von Käse sei aber durch entsprechende Zölle und den Transport teuer. An die 1500 Kilometer hat der Käse zurückgelegt, der hier schließlich auf der Pizza landen wird. Eingeführt wird aus Holland, aus Frankreich, aus England, aus Belgien.

Aus Belgien stammt auch der Lieferant der Torten, die im braun-beige-grün gehaltenen Novellino serviert werden: Es sind Backwaren von Kleinblatt aus Antwerpen, hergestellt etwa aus feiner Schokolade - und mit Milch. Die sonst in Wien erhältlichen Torten werden meist mit Ersatzprodukten wie Soja zubereitet, um als parve, also neutral, zu gelten und sowohl nach milchigen als auch fleischigen Speisen konsumiert werden zu können.

Die weiteren Herausforderungen: In einem milchigen Lokal muss stets frisch gekocht werden. Eingefrorenes wird kaum eingesetzt. Das macht zudem Catering aufwendig - auch wenn das Novellino dies durchaus anbietet. "Beliebt ist aber vor allem unser Take-away-Service", erzählt Borochov. Ob Pizza, Pasta oder Salat - alles kann auch verpackt mitgenommen werden.

Was bedeutet koscher?

Wie unterscheidet sich aber nun die koschere Milch- und Käseproduktion von der nicht koscheren? In beiden Fällen ist eine rabbinische Aufsicht nötig. Bei der Milchproduktion sieht sich der Maschgiach, wie man den Koscher-Aufseher nennt, zunächst die Kuh an, die von außen betrachtet gesund aussehen muss. Nach dem Melken wird darauf geachtet, dass keine Milch von anderen Tieren - etwa Esel, Pferd oder Schwein - oder andere nicht koschere Zusatzstoffe beigemischt werden, erklärt Gemeinderabbiner Hofmeister. Beim Käse ist neben der rabbinischen Aufsicht auch noch die Herkunft der Zutaten entscheidend. Besonderes Augenmerk kommt dabei dem Lab zu, also jenen Enzymen, die dem Ausfällen des Milcheiweißes bei der Herstellung von Käse dienen. Diese Enzyme werden meist aus Fleisch gewonnen, etwa aus Rindermagen. "Dabei muss nicht nur darauf geachtet werden, dass es sich um grundsätzlich koschere Tiere handelt - diese müssen auch koscher geschlachtet worden sein", so Gemeinderabbiner Hofmeister.

Bei der koscheren Schlachtung, die immer von Hand erfolgt, wird vor allem darauf geachtet, dass das Fleisch vor dem Verzehr weitgehend blutleer ist.

Die Vermischung von Milch mit Fleischigem ist bei der Käseproduktion übrigens, entgegen einer weitverbreiteten Annahme, nicht das eigentliche Problem. "Das Lab, das hier als Katalysator verwendet wird, gilt aufgrund seines Zustandes nach der Meinung der meisten Rabbiner nicht mehr als fleischiger Bestandteil. Es ist aber dennoch, trotz der kleinen Mengen, nur erlaubt, wenn es von einem koscher geschlachteten Tier stammt."

Dass gerade im Käsesorten-reichen Österreich kein koscherer Käse produziert wird, bedauert der Gemeinderabbiner übrigens. "Sicher, der Markt hier ist zu klein. Aber man könnte ja auch für den Export produzieren."

Im Novellino kredenzt Borochov indessen ein koscheres, besonders cremiges Tiramisu, auf das man hier besonders stolz ist. Verarbeitet werden Eier des heimischen Produzenten Lerner, die übrigens zuvor ebenfalls vom Maschgiach zu kontrollieren sind. Eier sind nur koscher, wenn sie keine Blutspuren enthalten. Was bei weißen Eiern übrigens wesentlich seltener vorkommt als bei braunen, wie Borochov erzählt. "Deshalb verwenden wir auch nur weiße Eier."