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Lateinexamen im Vatikan

Von Heiner Boberski

Politik
Papst Benedikt XVI. betrachtet alles, was Latein fördert, sicher mit Wohlwollen.

Die Sprache der alten Römer hat offenbar noch lange nicht ausgedient.


Wien. "Puer natus est" (Ein Kind ist uns geboren) steht über einem einzigartigen Unternehmen, das am 20. Dezember um 11 Uhr in den Vatikanischen Museen in Rom beginnt. Schülerinnen aus drei Klassen des Mädchengymnasiums Sacré Coeur in Bregenz-Riedenburg und einige Schüler des Liechtensteiner Gymnasiums "Formatio" treten zu einem "Examen publicum Vaticanum" (öffentliche Prüfung im Vatikan) an.

Wenige Tage, bevor Papst Benedikt XVI. der Stadt und dem Erdkreis den Segen "Urbi et orbi" spendet, müssen die Prüflinge "coram publico" - also öffentlich vor den Augen der Welt und der vatikanischen Medien - Texte aus der lateinischen Weihnachtsliturgie und Stellen aus dem Neuen Testament übersetzen.

"Examinator" Reinhard Peter, Lateinlehrer am Sacré Coeur, wird die Lateinarbeit an Ort und Stelle regulär benoten. Er hat die Idee der "examina publica" geboren und bereits zweimal in Österreich umgesetzt: 2009 in Bregenz über mythologische Themen und 2010 über Kunstthemen in der Wiener Albertina, wobei österreichische Prominente bis hin zu Bundespräsident Heinz Fischer als "Telefonjoker" fungierten.

Die "adiutores telefonici" (Helfer am Telefon) hat Peter eingeführt, da er weiß, dass Schüler Sympathie für Prüfungssituationen empfinden, die TV-Formaten (hier der ORF-"Millionenshow" oder der RTL-Sendung "Wer wird Millionär?") entsprechen. Das Abfragen von Bibelzitaten ist an der TV-Serie "Pfarrer Braun" orientiert, in der Ottfried Fischer als Pfarrer immer wieder mit seinem Bischof wettet, wer eine Bibelstelle besser kennt als der andere.

Dass Latein nicht tot ist, bestätigt die österreichische Schulstatistik. Je mehr Schüler allgemeinbildende höhere Schulen besuchen, umso mehr erwerben auch Kenntnisse in Latein, das in den meisten AHS auf dem Lehrplan steht und auch in der "Neuen Mittelschule" angeboten werden soll. Im Schuljahr 2001/02 nahmen 52.514 Schüler in Österreich am Lateinunterricht teil, 2009/10 waren es 70.082, davon 29.717 Burschen und 40.365 Mädchen. Lateinlehrer sind gesucht. "Es hat Zukunft, an der Universität ein Lateinstudium zu beginnen", sagt Andreas Schatzl vom Unterrichtsministerium.

Das Examen im Vatikan beginnt mit der schriftlichen Übersetzungsarbeit der Schüler, dann stellen die Telefonjoker den Schülern aus vorliegenden Listen Fragen nach Vokabeln und Bibelzitaten, zuletzt müssen die Joker den Schülern zwei Fragen über Liturgie, Weihnachten und Bibel beantworten. Die Anrufe sind teils über Lautsprecher, teils bei den Schülern am Handy von den Anwesenden im Museo Gregorio Profano mithörbar. Ab 12.15 Uhr soll seitens des Examinators die Bekanntgabe der Noten erfolgen.

Papst selbst involviert?

Mit einem Anruf aus dem Vatikan müssen diesmal unter anderen Kardinäle, darunter der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn, Politiker wie Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, dem als Altphilologen Latein besonders am Herzen liegt, oder der frühere Nationalratspräsident Andreas Khol rechnen. Sie unterstützen damit die Ziele der Veranstaltung: Latein soll als wichtiger Teil der Allgemeinbildung gefördert und die spirituelle und sakrale Bedeutung des liturgischen Lateins herausgestellt werden.

Reinhard Peter hebt am Kirchenlatein hervor: "80 Prozent des Vokabulars hat Eingang ins Deutsche in Form von Fremdwörtern gefunden. Wir wollen mit der Wahl des Ortes das historische Verdienst der katholischen Kirche für die Etablierung und Erhaltung der wichtigsten europäischen Kultursprache würdigen." Man will auch darauf hinweisen, dass die lateinische Messe eine besonders feierliche Form eines Gottesdienstes sein kann und auf Initiative des heutigen Papstes Auftrieb erhalten hat. Ob Benedikt XVI. persönlich in das Examen involviert sein wird, darüber sei Stillschweigen vereinbart, sagt Peter.