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Investoren für eine bessere Welt

Von Stefan Beig

Politik
Martin Winkler hatte zunächst eine Vision. Seit einem Jahr hat er mit ihr Erfolg.
© Stanislav Jenis

Respekt.net ermöglicht es jedem, die Zivilgesellschaft zu stärken.


Wien. Ein Marktplatz für interessierte Investoren ist letztes Jahr im Internet entstanden. Ungewöhnlich ist, was über ihn bisher verwirklicht wurde: Etwa das Projekt "Zehn Bildungswege", das zehn jungen, unbegleiteten Flüchtlingen zu einem Hauptschulabschluss verhalf. Auch eine Improvisationstheatergruppe aus Asylwerbern, Migranten und Einheimischen konnte ins Leben gerufen werden. Der Verein "Kultur 10 Vorne" hat in drei Räumen einen kulturellen Treffpunkt für Asylwerber und alle, die am kulturellen Austausch interessiert sind, eingerichtet. 2992 Euro hat das gekostet. In etwa so viel wurde auch für ein interkulturelles Videotraining mit Asylwerbern benötigt.

Respekt.net heißt die Internet-Börse, über die alle diese Initiativen von Einzelpersonen oder Vereinen finanziert wurden. "Man investiert hier Spenden in ein besseres Zusammenleben", erzählt Respekt.net-Präsident Martin Winkler. Er sieht darin auch eine Investition in die Zukunft seiner Kinder, für die er sich ja eine Entwicklung der Gesellschaft zum Besseren wünscht. Die Idee zu respekt.net, hat Winkler davor schon jahrelang mit sich herumgetragen. "Ich hatte latent das Gefühl, dass man sich zu wenig um die Themen kümmert, die uns wichtig sind."

Die Umsetzung erfolgte dann sehr rasch. Ende 2009 wurde der Verein mit 20 Gleichgesinnten gegründet, die Online-Plattform existiert seit September 2010. Vorangegangen ist ihr eine intensive Programmier- und Testphase. Rund 600.000 Mal wurde www.respekt.net bis heute aufgerufen. Mehr als 200 Projekte wurden bisher eingereicht, 65 davon davon umgesetzt, 55 scheiterten, weil sie nicht genug Geld auftreiben konnten, der Rest ist noch in der Finanzierungsphase. Mehr als 900 Investoren haben bisher Geld beigesteuert. Das hat keine vergleichbare Projekt-Börse in so kurzer Zeit geschafft.

Über Respekt.net werden alle Ideen, die aus der Zivilgesellschaft kommen, unterstützt, die Respekt, Toleranz und Offenheit fördern. Gedacht haben die Initiatoren zwar zunächst primär an ihre eigene Lebensumgebung, dennoch ist die Plattform weltweit zugänglich. Der massive Großteil aller Ideen kam bisher aus Österreich, gefolgt von Deutschland und der Schweiz. Projekte aus England, Japan, den USA oder Nicaragua waren auch schon dabei.

Das Anbringen der eigenen Projektidee auf der Homepage ist einfach: Es genügt, sich zu registrieren und die Projektidee zu formulieren. Manche Projekte sind zunächst unausgegoren: Wo sie stattfinden, wer sie durchführt, welche gesellschaftlichen Auswirkungen sie haben - all das muss genau ausgearbeitet werden, bevor von der Formulierungs- in die Finanzierungsphase übergegangen werden kann. Dabei treten Respekt-Scouts (die "Respekt-Verstärker") auf den Plan, die ihre Unterstützung bei der Aufbereitung des Projekts anbieten.

Manche Projekteinreichungen sind freilich schon von Anfang an detailliert ausgearbeitet. Das war etwa bei einem Schulprojekt des Vereins "Zara - Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit" so, oder beim Sir-Peter-Ustinov-Institut, das mit Hilfe von Respekt.net die noch fehlenden 16.164 Euro für einen Arbeitsbehelf aufbringen konnte, der Lehrern an der AHS und an Hauptschulen "Kompetenz im Umgang mit Vorurteilen" vermittelt.

"Alles oder nichts", lautet die Devise in der vier bis sechsmonatigen Finanzierungsphase. Ein Projekt wird entweder ganz realisiert oder gar nicht. Über Newsletter werden die Spender über den Stand der Gelder am Laufenden gehalten. "Viele vergessen dabei, das Prinzip des Marktplatzes", berichtet Winkler. Respekt.net ist eben keine Förderagentur. Mit der erfolgten Einreichung sollte nun auch das Bewerben des Projekts beginnen. Manche haben sich geschickt verhalten, wie die Organisatoren des Oma/Opa-Projekts, das dank eigener Pressekonferenzen schnell finanziert werden konnte. Bei dieser Initiative haben heimische Senioren Volksschulkindern mit Migrationshintergrund Einzelunterricht gegeben. 7689 Euro wurden dafür aufgebracht.

Ist die Finanzierung hingegen gescheitert, kriegen die Investoren ihr Geld entweder zurück, oder es wandert auf ein anderes Projekt um. Entscheidend ist während des ganzen Prozesses die Transparenz. "Ich kann hier genau das unterstützen, was mir gefällt", betont Michael Winkler, der hauptberuflich Unternehmensberater ist.

Eine kraftraubende Geburt

Der Anfang von Respekt.net war hart, erzählt Winkler: "Es gilt, dass auch hier Dinge gemacht wurden, weil man sie stark unterschätzt hat. . ." Alles begann mit privatem Zeitengagement. Mittlerweile gibt es bezahlte Mitarbeiter, die sich der Verwaltung oder technischen Administration widmen, zwei fungieren als Projekt-Scouts. Finanziert wird alles über 70 Vereinsmitglieder, die zwischen 1000 und 10.000 Euro im Jahr beisteuern.

In zwei Jahren, so hofft Winkler, könnte sich die Finanzierung auch verselbstständigen, wenn Firmen die Homepage für Eigenwerbung nutzen. Langfristig werde über die vielen realisierten Projekte eine mächtige, öffentlich zugängliche "Datenbank für die Zivilgesellschaft" entstehen.

Auf die Idee zu Respekt-net kam Winkler über seine Kinder, als diese begannen, die beliebte Online-Community Myspace zu nützen. "Ich habe gesehen, wie meine Kinder dort Fotos hochladen." So könnte man auch gesellschaftliches Engagement präsentieren, dachte Winkler. "Ich habe begonnen, Freunde und Bekannte mit dieser Idee zu belästigen." Wenn man plötzlich so neue Visionen hat, wisse man selber zunächst nicht so recht, ob das nicht nur irgendeine "beknackte Idee" ist. Doch Winkler blieb mit seinem Bedürfnis, dieses neue Projekt zu verwirklichen, nicht allein. Ein Marktplatz für engagierte Ideen und für Menschen, die bereit sind, diese zu unterstützen, ist entstanden.