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"Männer haben mich gewählt"

Von Petra Tempfer

Politik

Schlechte soziale Absicherung und Festhalten an alten Rollenbildern schuld.


Wien. Würden sie sich alle an einen Tisch setzen, wäre es ein größeres Kaffeekränzchen: Die Bürgermeisterinnen Österreichs, 117 an der Zahl, denen 2240 Bürgermeister gegenüberstehen. Von den heimischen Ortschefs sind also nur fünf Prozent weiblich, lediglich eine Frau steht einer Landeshauptstadt vor - im EU-Vergleich eine der niedrigsten Quoten. Allein Rumänien, Slowenien und Griechenland haben noch weniger Frauen in der Kommunalpolitik. Lettland führt mit einem Bürgermeisterinnen-Anteil von 33 Prozent die Liste in der EU an.

Warum gerade Österreich eine der unrühmlichsten Frauenquoten aufweist, und warum es gerade die Bürgermeisterinnen betrifft, erklärt Politikwissenschafterin Birgit Sauer so: "Hier herrschen noch immer Geschlechterstereotype vor, denen Männer eher entsprechen - und das vor allem in der Kommunalpolitik. Der Bürgermeister soll jemand sein, der zupacken kann und auch mal einen trinken geht. Ein Mann also, weil der ist im Sportverein und bei der Feuerwehr. Und die Quotenregelung ist auf kommunaler Ebene außer Kraft."

Helmut Mödlhammer, Präsident des Österreichischen Gemeindebundes, ergänzt: "Dass das Bürgermeisteramt vor allem ein gesellschaftspolitisches Amt ist, ist in fast keinem anderen Land so ausgeprägt wie bei uns. Der Bürgermeister muss rund um die Uhr Ansprechperson sein und ist Sicherheitschef, Baubehörde und Beichtvater zugleich." Das gehe mit "frauenfeindlichen" Arbeitsbedingungen wie Abendterminen einher. Denn immer noch seien es die Frauen, die - den Rollenbildern entsprechend - für Familie und Haushalt zuständig seien. Sauer ortet ein weiteres Problem: Oft stünden hinter Bürgermeistern starke Frauen - die Männer hinter Bürgermeisterinnen unterstützten ihre Frauen aber meist nicht, weil sie mit deren Amt nicht einverstanden seien.

Klischees verschwimmen also mit Traditionen - und der Teufelskreis schließt sich, wie es eine der Exotinnen in der Kommunalpolitik, die Kremser Stadtchefin Ingeborg Rinke, ausdrückt. "Die Vorurteile verunsichern die Frauen. Dadurch sind schon kaum Frauen im Gemeinderat - wären es mehr, könnten sie ihrerseits Frauen aufbauen." Rinke selbst ist seit 20 Jahren Politikerin und seit viereinhalb Jahren Bürgermeisterin. "Jetzt bin ich 60, meine Kinder sind erwachsen. Da Krems eine niederösterreichische Statutarstadt ist, hab’ ich ein schönes Gehalt, was für Bürgermeister kleinerer Gemeinden nicht gilt. Aber: Hätte ich nicht jahrelang für meine Pension eingezahlt, würde ich nichts bekommen."

"Aus konsequent wird stur"

Tatsächlich ist die soziale Absicherung der Bürgermeister schlecht bis kaum vorhanden - laut Mödlhammer ein weiterer Grund, warum Frauen vor dem Amt zurückschrecken. Zwar ist seit Juli des Vorjahres die Zuverdienstgrenze höher, und Bürgermeister haben Anspruch auf Arbeitslosengeld. Pensionsanspruch und Mutterschutz gibt es allerdings weiterhin nicht. "Und da mit 117 Bürgermeisterinnen der Bedarf zu gering ist, wird Letzteres auch nicht geändert", resümiert Sauer.

"Ohne die Hilfe meiner Eltern hätte ich nicht Kommunalpolitikerin sein können", gesteht die zweifache Mutter und Bürgermeisterin von Innsbruck, Christine Oppitz-Plörer. Sie fühlt sich stets durch eine scharfe Brille beobachtet: "Das fängt beim Äußeren an und hört bei familiären Verpflichtungen auf." Charaktereigenschaften, wie sie bei Männern als positiv gelten, würden bei Frauen ins Negative gezogen. "Aus konsequent wird stur, aus zielstrebig unbarmherzig und aus unterhaltsam lächerlich."

Laut einer Umfrage des Büros für Frauenfragen und Gleichbehandlung in Salzburg sind es aber vor allem frauliche Eigenschaften, die Politiker haben sollten: Verantwortungsbewusstsein, Gerechtigkeitsempfinden und Kontaktfreudigkeit sind nur einige davon. "Frauen geht es nicht ums Recht-haben, sondern ums Rechtmachen", bringt es Rinke auf den Punkt. Sie seien vorsichtig, aber auch mutig, diplomatischer, sparsamer - und könnten mit Kritik besser umgehen. "Wir nehmen die Prügel an und machen etwas Besseres daraus."

Freilich tendieren Frauen dadurch dazu, Entscheidungen bewusst rational - und weniger emotional zu treffen. Das meint zumindest Gertrude Riegelhofer, Bürgermeisterin von Poysdorf im Weinviertel. Sie sieht das Bürgermeisteramt als Bestätigung, denn: "Männer haben mich gewählt."

Dossier: Frauentag