Zum Hauptinhalt springen

"Anschlag auf die Gemeinden"

Von Christian Rösner

Politik

Bürgermeister von Wien, Berlin, Triest und Bratislava gegen Privatisierungen.


Rust. "Solidarität unter den europäischen Städten ist enorm wichtig", erklärte Wiens Bürgermeister Michael Häupl am zweiten Tag der SPÖ-Klubklausur im burgenländischen Rust. Denn die Städte stünden nicht a priori im Fokus der EU. Vor allem was die Daseinsvorsorge betrifft, sei eine gemeinsame Kraftanstrengung der EU-Städte nötig, um sich gegen die Privatisierungstendenzen der EU zu wehren, zeigten sich auch die Bürgermeister von Berlin, Bratislava und Triest, Klaus Wowereit, Milan Ftacnik und Roberto Cosolini, bei einer Podiumsdiskussion überzeugt.

Die Daseinsvorsorge einer Stadt sei abhängig von der Qualität der Grundversorgung. Deshalb sollten Häupl zufolge auch Gas, Wasser, Strom, aber auch Bildung und Soziales in öffentlicher Hand bleiben. "Dienstleistungen öffentlichen Interesses sollten uneingeschränkt in öffentlicher Verantwortung sein", betonte Wiens Bürgermeister.

Im Lissabonner Vertrag wurde der Subsidiarität der Städte Rechnung getragen, aber man müsse täglich darum kämpfen, betonte Häupl, der sechs Jahre lang Präsident des europäischen Städtebundes war. In der neuen EU-Richtlinie zur Konzessionsgesetzgebung etwa sieht Häupl "einen Anschlag auf die Selbstverwaltung der Gemeinden". Die Richtlinie würde nämlich bedeuten, dass zum Beispiel künftig auch der öffentliche Verkehr ausgeschrieben werden müsste - damit könnte ein gut funktionierendes Unternehmen wie die Wiener Linien zerstört werden. "Die Richtlinie ist subsidaritätswidrig und daher zurückzustellen", betonte Häupl.

Berlin kauft privatisierte Unternehmen zurück

In Berlin sieht man das ähnlich. Dort werden einst privatisierte Unternehmen sogar wieder zurückgekauft - wie etwa die in den Neunzigern teilprivatisierte Wasserversorgung. "Uns gehören 50 Prozent und wir wollen weitere 25 Prozent kaufen und einen neuen Vertrag machen", erklärt Klaus Wowereit nach der Diskussion der "Wiener Zeitung". "Wir schreiben gerade aus, ich würde also die These mitunterstützen, dass wir diese Richtlinie nicht brauchen. Denn durch das Vergaberecht sind wir ohnehin verpflichtet, auszuschreiben. Es ist eine Tendenz in der EU insgesamt, dass die unter dem Signum freier Wettbewerb den öffentlichen Einfluss stark zurückdrängen will. Wir können ja Daseinsvorsorge selber machen - wir müssen nur höllisch aufpassen, dass das nicht durch andere Richtlinien konterkariert wird", so Wowereit weiter.

In Triest sieht man das nicht ganz so drastisch. Hier hat man mehr das Problem, den öffentlichen Sektor zu erneuern. Bürgermeister Cosolini vergleicht die Stadt Triest mit einem schönen, gut funktionierenden Auto, das eigentlich flott unterwegs ist, aber dem der Sprit ausgeht. Um "Wirtschaftskraft zu tanken", schließt Cosolini sogar Hilfe durch private Investitionen nicht aus.

In Bratislava versuche man, die Privatisierungen zu stoppen, wo es geht, erklärte Ftacnik. Gemeindewohnungen gibt es dort nicht - die wurde den Bürgern um jeweils extrem billige 1000 Euro verkauft - in der Hoffnung, sich nicht mehr um die Erhaltung der Häuser kümmern zu müssen.

Auf Städteebene sind allerdings die Möglichkeiten, gegen die Brüsseler Richtlinien vorzugehen, beschränkt. Bei der Regierungsbildung mit den Grünen 2010 wurde aus der Europakommisson in Wien ein Gemeinderatsausschuss gemacht, der politisch nun bei Vizebürgermeisterin Renate Brauner angesiedelt ist. "Formalrechtlich können auf Bundesebene Stellungnahmen abgegeben werden, und die binden natürlich die Kommunen ein. Darüber hinaus haben wir Einrichtungen, wo die Stadt sehr einflussreich vertreten ist, und wir haben in Europa sogar Sozialpartnerstatus", so Brauner.