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Suche nach dem richtigen Wort, der heimlichen Stimme

Von Stefan Beig

Politik

Zwetelina Damjanova beschreibt mit Gedichten "mehrsprachige" Gefühle.


Zwetelina Damjanova beschreibt in ihrem Gedichtband ihre eigene Mehrsprachigkeit und die "eines ganzen Teils der europäischen Gesellschaft".
© Ortega

Wien. Als Angehörige einer bestimmten europäischen Generation sieht sich Zwetelina Damjanova: "Die extrem schnellen Wanderflüsse von Menschen haben eine neue, mehrsprachige Generation hervorgebracht, die vorher so nicht da war." Um ihre eigene Mehrsprachigkeit und die "eines ganzen Teils der europäischen Gesellschaft" gehe es in ihrem neuen Gedichtband. Was im Inneren vorgehe, die Beziehung zu den Sprachen, wird dort artikuliert.

Es sind drei mal drei mal drei - insgesamt 27 - Gedichte aus jeweils drei Strophen zu jeweils drei Verszeilen. Jede Strophe ist in einer anderen Sprache verfasst: Bulgarisch, Spanisch, Deutsch. Mit diesen Sprachen ist Damjanova aufgewachsen. Ihre Eltern sind gebürtige Bulgaren, ihre Mutter spricht auch fließend Spanisch, weil sie von klein auf in Kuba gelebt hat. Jede Strophe hat einen eigenen Klang, eine Übersetzung ist dabei.

Die beschriebenen Situationen sind von starken, sehr verschiedenen Emotionen durchdrungen, die auf spezifische Herausforderungen aufmerksam machen. "Es geht in manchen Gedichten um die Suche nach dem richtigen Wort, weil man seine Erstsprache verliert", sagt Damjanova. "Das ist ein schmerzhafter Prozess. Dass Bulgarisch meine Erstsprache ist, stimmt nicht mehr. Dafür ist Spanisch heute viel präsenter als vor zehn Jahren." Angesprochen wird das etwa in "Bulgarisch": "Dich hebe ich auf, um dich zu erhalten, dich zu empfangen, zu befreien", heißt es in den beiden ersten spanisch-sprachigen Zeilen. "Mein Konflikt mit Bulgarisch wird geschildert", erzählt Damjanova. "Mir kommt es manchmal so vor, als würde ich meine Muttersprache verlassen. Ich beschreibe das Bedürfnis, sie nicht zu verlieren." Das lyrische Ich macht sogar einen Kopfstand, um die Sprache mehr mit den Füßen zu spüren als nur mit dem Kopf.

Sehnsucht und Erinnerung

"Die Muttersprache kommt am Anfang so wie ein Kind; so empfindet man sie", meint Damjanova. Darum kreist auch ihr Gedicht "Zu sprechen beginnen": "Ruhig warte ich auf dich, meine heimliche Stimme, ich warte auf dich, wie man auf ein Kind wartet." Und zwei Zeilen von "Räume" lauten wiederum: "Zurück in eine Sprache, so leicht an der Zunge, so schwer in der Kehle."

Ob mit der Zunge, den Lippen, den Augen, Ohren, Füßen oder Fingern - mit allen Sinnesorganen durchdringt Damjanova das sprachliche Erleben in stark "körperlichen" Gedichten. Vergangenes und Zukünftiges, Erinnerung und Sehnsucht verschmelzen.

Auch der erotische Zug ihrer Lyrik ist unverkennbar. Gleichzeitig weist sie dabei auf Kommunikationsprobleme hin. "Unsere Zungen lieben sich, entfernen sich, unsere Zungen treffen die Sprache nicht", heißt es am Ende von "Ich und du", nach dem auch der Gedichtband benannt ist. "Es ist ein Bild für zwei Menschen, die sich lieben, aber ein Kommunikationsdilemma haben: Man findet die Sprache nicht, weil man bestimmte kulturelle Schlüssel nicht findet. Für den einen ist eine Muttersprache, was für den Anderen eine Fremdsprache bleibt", erläutert Damjanova.

Einige Gedichte oszillieren an der Grenze von Liebesgedicht und Liebeserklärung an die Sprache. Für Damjanova ist Sprache stark mit Liebe verknüpft. Die Autorin, die beim Verein Wirtschaft für Integration arbeitet, betont: "Die Gedichte sind autobiografisch inspiriert, entwickeln aber eine eigene Wirklichkeit." Manche Fragen bleiben offen. "Der Leser kann sie selber für sich beantworten."

Literarisch fühlt sich Zwetelina Damjanova stark der spanisch-sprachigen Welt verbunden. Der Umgang mit Mehrsprachigkeit beim argentinisch-jüdischen Autor Juan Gelman fasziniert sie, und ebenso sein "selbstbewusster Umgang mit Sprache und seine Wortschöpfungen." Der österreichische Lyriker und Schriftsteller Semier Insayif, der auch das Vorwort ihres Buches verfasst hat, ist ihr "langjähriger literarischer Wegbegleiter".

Zwetelina Damjanova hat auch als Übersetzerin gearbeitet. Gedichte zu schreiben sei keine Übersetzungsarbeit, sondern ein kreativer Prozess, "in dem du versuchst, ein Gefühl, einen Gedanken oder eine Betrachtung über etwas, das dir begegnet, in eine schriftliche Wort-Form zu bringen. Wenn du die Dinge nicht aufschreibst, sind sie weg."

Zwetelina Damjanova

Аз und tú

Gedichtband, dreisprachig (Bulgarisch, Deutsch und Spanisch). Edition Yara

Infos zum Buch: http://www.edition-yara.at/index.php/publikationen