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Keine Angst vorm Ehrenamt

Von Fabian Kretschmer

Politik
Bei "LaufWunder" erlaufen die Kinder eigenständig Gelder für andere Kinder in Not.
© Young Caritas

"Käfig League"oder "LaufWunder" heißen erfolgreiche Freiwilligenprojekte.


Wien. "Jeder nimmt ein Hütchen und los geht’s!", dirigiert Luca von Anelm sein Team. Die jungen Fußballkicker sind stilecht in Spanien-, Deutschland- und Portugal- Dressen gekleidet. Ein wenig EM-Stimmung kommt im Esterhazypark im sechsten Wiener Gemeindebezirk auf. Zwei Mütter verfolgen das Geschehen im Fußballkäfig gebannt von der Parkbank aus und feuern ihre Kinder leidenschaftlich an. Knapp 20 Kinder von 6 bis 14 trainiert Luca von Anelm hier jede Woche - und zwar ehrenamtlich.

"Käfig League" heißt das von der Young Caritas initiierte Projekt, bei dem rund 600 Kinder in 25 "Käfigen" auf 22 Bezirke in Wien verteilt trainiert werden. Der 26-jährige Germanistikstudent kommt eigentlich aus Berlin - und ist damit einer von vielen jungen Leuten mit "Migrationshintergrund", die sich freiwillig engagieren. Insgesamt kommen die 40 Trainer der "Käfig League" aus 17 Nationen über den Globus verteilt.

Jüngst rückte Sebastian Kurz das Thema in den medialen Diskurs: Unter dem Motto "Jetzt Du! Dein Land braucht dich!" tourt der Staatssekretär durch österreichische Schulen, Fußgängerzonen und Parks, um gezielt junge Leute mit Migrationshintergrund für Freiwilligenarbeit zu begeistern. Sein Credo lautet: "Wenn Menschen egal welcher Herkunft füreinander da sind und sich in Vereinen engagieren, dann funktioniert Integration." Organisationen wie die Caritas, das Rote Kreuz, die Freiwilligen Feuerwehren und Pfadfinder unterstützen das Projekt.

Leopold Ranftl will genau diejenigen Leute für freiwilliges Engagement begeistern, die - sei es aus Berührungsängsten oder Unkenntnis - bis dato noch nicht einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgekommen sind. Der 42-jährige Österreicher leitet mit seiner Frau das Integrationsreferat des Roten Kreuzes für Wien-West. Ranftl betrachtet sich als Vermittler zwischen den Kulturen: Als "autochthoner" Österreicher und konvertierter Muslim erreicht er vor allem viele Leute aus der muslimischen Gemeinschaft.

"Natürlich gibt es manchmal auch Vorbehalte von diversen Communities: Oft schwebt die Angst mit, wie man bei den Hilfsorganisationen aufgenommen wird", meint Ranftl. Doch durch Aufklärungsarbeit ließen sich solche Vorurteile relativ schnell beheben: "Es gibt meiner Erfahrung nach keinen Verein oder sonstige Hilfsorganisation, die Menschen mit Migrationshintergrund ablehnend gegenüberstehen. Jeder wird mit offenen Armen empfangen."

Große Bereitschaft, für andere etwas zu tun

"Den schlechten Ruf der Jugend kann ich nicht nachvollziehen", meint Alice Uhl, Leiterin der Young Caritas, der Jugendabteilung der Hilfsorganisation: "Die Bereitschaft, für andere etwas zu tun, ist sehr groß." Das trifft gleichermaßen auch auf junge Leute mit Migrationshintergrund zu, die in ihrem Engagement keinesfalls hinterherhinken würden. Alice Uhls Botschaft an die Jugend lautet: Freiwilliges Engagement kann und soll Spaß machen. Nur so könne man junge Leute längerfristig für soziale Themen begeistern. Besonders wichtig sei ihr, den Jugendlichen auf Augenhöhe zu begegnen und sie jederzeit ernst zu nehmen.

Die Zahlen sprechen für sich: Für die Spendenaktion "LaufWunder", bei dem sich die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen eigenständig Sponsoren suchen und so Geld für Kinder in Not "erlaufen", haben heuer allein in Wien rund 6000 Jugendliche mitgemacht, im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von fast 400 Prozent. Im letzten Herbst versammelten sich im Rahmen der "Aktion Kilo" über 17.000 Wiener Schüler aus 132 Schulen vor den Supermärkten der Stadt und fragten Passanten, ob sie bei ihrem Einkauf zusätzlich ein Kilo Reis, Brot oder andere Lebensmittel für die Bedürftigen kaufen wollen.

Für Schüler, die sich engagieren wollen, aber noch keine Ahnung haben, wie sie das anstellen werden, hat sich die Young Caritas den sogenannten "actionPool" ausgedacht. Kinder, Jugendliche oder ganze Schulklassen können sich in eine Art Newsletter eintragen und werden so regelmäßig zu Ideen und Aktionen für freiwilliges Engagement angeregt.

Spannungen am Platz bei den "Käfig Leagues"

Luca von Anelm hatte vor seiner Tätigkeit bei der "Käfig League" mit Freiwilligenarbeit nichts am Hut gehabt, seine Freundin hat ihn vor zwei Jahren auf das Fußballprojekt aufmerksam gemacht. Dadurch, dass der Deutsche jahrelang selbst im Verein gespielt hat und später beim Training seines acht Jahre jüngeren Bruders mitgeholfen hat, sagte ihm die "Käfig League" sofort zu.

Manchmal kommt es auch zu Spannungen auf dem Fußballfeld, schließlich spielen Kinder aus den unterschiedlichsten Altersgruppen auf engen Raum zusammen. Seine Fußballtruppe hat dabei Mitspieler aus mehreren Kontinenten - manche Eltern kommen aus Griechenland, andere aus Ghana, Serbien, Albanien oder Tunesien. Fußball, da ist Luca von Anelm felsenfest überzeugt, schweiße auf jeden Fall zusammen. "Wegen der Herkunft wird kein Unterschied gemacht. Nur wer nicht passt oder schlecht spielt, macht sich bei den anderen unbeliebt."