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Der Dreck muss weg - aber wie?

Von Martina Pock

Politik

Nur die ÖVP und die Grünen wollen die Umweltzone, Opposition dagegen.


Graz. Die Grazer Bevölkerung stimmt derzeit über die Einrichtung einer Umweltzone und über die Verbauung der Reininghausgründe ab. Bis Sonntag, 15. Juli, sind rund 200.000 der insgesamt 278.000 Einwohner aufgerufen, dazu ihre Meinung zu äußern. Der Abstimmung, die seit 29. Juni läuft, ist ein heftiger Streit in der Grazer Stadtregierung vorangegangen, der im Mai schließlich in der Auflösung der schwarz-grünen Koalition kumulierte.

In der Befragung heißt es: "Eine Maßnahme zur Verringerung von Feinstaub ist eine vom Land Steiermark zu verordnende Umweltzone ab Oktober 2013. Das bedeutet ganzjährige Fahrbeschränkungen und -verbote für Diesel-Pkw der Euro-Klassen 0, 1, 2 sowie 3 ohne Partikelfilter. Soll Graz für eine solche Umweltzone eintreten?" Dann werden fünf Gründe dafür und fünf Gründe dagegen aufgelistet.

Die SPÖ, mit deren Stimme die von Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) geforderte Befragung erst möglich wurde, sieht in einer Umweltzone keine Lösung des Feinstaubproblems. Nun hagelt es von allen Seiten Alternativvorschläge.

Graz ist nicht nur die zweitgrößte Landeshauptstadt Österreichs und darf sich seit 2003 Kulturhauptstadt Europas nennen, Graz trägt auch einen weitaus weniger schmeichelhaften Titel: "Feinstaubhochburg". Zwischen November 2011 und März 2012 wurde das Feinstaublimit an jedem dritten Tag überschritten, eine Rüge dafür gab es bereits aus Brüssel. Dieser Umstand muss sich in naher Zukunft ändern, darin sind sich zumindest alle im Grazer Gemeinderat vertretenen Parteien einig.

Die Pläne für eine langfristige Feinstaubreduktion gestalten sich jedoch recht unterschiedlich. Für die Grazer ÖVP liegt die Lösung des Problems klar in einer Umweltzone. Das Konzept dazu wurde noch zusammen mit dem vormaligen Koalitionspartner, den Grünen, erarbeitet. Ab wann, in welchem Stadtbereich und für welche Fahrzeugtypen die Einschränkungen gelten sollen, ist trotz bereits laufender Bürgerbefragung dazu noch nicht bekannt.

SPÖ will höhere

Parkpreise für Nicht-Grazer

Dass die Grazer SPÖ trotz einiger ungeklärter Details der Durchführung einer Befragung zugestimmt hat, verwundert. Die SPÖ ist nach wie vor gegen beide Projekte. Seit Mai hat die Partei unter Stadträtin Martina Schröck ein eigenes "FAIRKEHRskonzept" für Graz vorliegen, das vor allem den stadtfremden Verkehr in Graz reduzieren soll. Laut Konzept sollen Nicht-Grazer statt bisher 60 Cent 1,40 Euro pro halbe Stunde an Parkgebühren - zum Vergleich: in Wien kostet eine Stunde 2 Euro - bezahlen. Die Mehreinnahmen daraus sollen für den Ausbau von alternativen Verkehrsmitteln genutzt werden. So käme es auch zu keiner Ungleichbehandlung verschiedener Fahrzeugtypen, wie bei einer Umweltzone.

Laut ÖVP beliefe sich die Zahl der Fahrzeuge, die aufgrund ihres Alters oder fehlenden Partikelfilters von einer Umweltzone betroffen wären, Steiermark-weit auf etwa 16.000; laut Berechnungen der Grünen träfe ein solches Schicksal inklusive Pendler mehr als 50.000 Menschen. Die FPÖ spricht wiederum von mehr als 260.000 Autos, die älter als vier Jahre alt sind und daher von einer Umweltzone betroffen wären.

Feinstaub im Straßenverkehr ließe sich laut Freiheitlichen ohnehin nur durch Rechtsabbiegen bei roter Ampelschaltung, häufigere Straßenreinigung und eine ‚grüne Welle‘ verringern. Die "Miesmacherei unserer Heimatstadt als Feinstaubhochburg" sei verantwortungslos, da Graz im Vergleich zu den restlichen Landeshauptstädten ohnehin die höchste Lebenserwartung hätte, argumentieren die Freiheitlichen.

Das BZÖ sieht wiederum im Ausbau des Radverkehrsangebots und des öffentlichen Verkehrs nachhaltige Alternativen zu einer Umweltzone. Außerdem fordert das Bündnis zur Reduktion des Hausbrands einen Ausbau des Fernwärmeanteils und den verpflichtenden Einbau modernster Filteranlagen für Industriebetriebe.

Die KPÖ verweist auf gravierende soziale Auswirkungen des Projekts. Alternativen zur Umweltzone sind für die Kommunisten Fahrverbote - alternierend an geraden Tagen für Fahrzeuge mit Nummerntafel mit gerader Endziffer und an ungeraden Tagen für Fahrzeuge mit ungerader Endziffer. Für Tage mit erhöhter Feinstaubbelastung sollten die öffentlichen Verkehrsmittel gratis sein.

Während alle Parteien um Argumente für und gegen eine Umweltzone ringen, wurden am 1.Juli die Tarife für den öffentlichen Verkehr um zehn Cent für ein Stundenticket und 30 Cent für ein 24-Stundenticket erhöht.