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Ein klösterliches Iftar-Essen

Von Stefan Beig

Politik
Muslime waren dieses Jahr im Stift Herzogenburg schon zwei Mal zu Gast.
© Stefan Beig

In Herzogenburg wächst bereits die dritte Generation von Muslimen heran.


Herzogenburg. Tafelmusik im Stift - das ist nichts Ungewöhnliches. Auch nicht, dass dabei Gottes Barmherzigkeit besungen wird. Wenn aber im Liedtext die arabische Eröffnungsformel der Koranverse laufend wiederholt wird, ist das Ereignis nicht mehr ganz so alltäglich. Der Musiker und Musiktherapeut Gernot Galib Stanfel hat aus "Bismillah ar-Rahman ar-Rahim" (zu Deutsch: "Im Namen des barmherzigen und gnädigen Gottes") ein Lied komponiert, das er während des islamischen Fastenbrechens (Iftar) im niederösterreichischen Stift Herzogenburg singt.

Stanfel lehrt auch als Dozent am Studiengang für das Lehramt Religion in Wien und ist Kulturreferent der Islamischen Religionsgemeinde St. Pölten, die dieses Fest organisiert hat. Seit der Wahl der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) im Jahr 2011 besteht die St. Pöltner Religionsgemeinde. Das ist ihr erstes Fastenbrechen, nicht aber die erste Begegnung von Muslimen und Augustiner-Chorherren im Stift Herzogenburg.

Anlässlich seines 900-jährigen Bestehens hat das Stift heuer insgesamt 20.000 Personen im Rahmen der Reihe "Zu Gast im Stift" eingeladen - darunter auch Prominente wie Bundespräsident Heinz Fischer, Dirigent Franz Welser-Möst oder den Schauspieler Erwin Steinhauer. Ein Tag war für die Muslime aus Herzogenburg reserviert. Auf eine Führung durch das Stift folgte ein gemeinsames Gebet in der Stiftskirche, bei dem islamische und christliche Gebete sowie Passagen aus Koran und Bibel vorgetragen wurden. "Die Kirche war voll", erinnert sich Isik Yüksel, Vorstandsmitglied der Moschee in Herzogenburg. Mehr als 300 Muslime waren gekommen. "Daran denken wir noch sehr gerne zurück", berichtet Propst Maximilian Fürnsinn. "Es war eine herzliche Atmosphäre."

Zum Fastenbrechen Anfang der Woche kamen Vorsitzende verschiedener Islam-Verbände, die Landespolitik war durch den ÖVP-Landtagsabgeordneten und ÖAAB-Generalsekretär Lukas Mandl vertreten. Am Beginn erläuterte Recep Dogan, Hauptimam von Niederösterreich, die Bedeutung des Fastens. Es sei ein "darstellendes Glaubensbekenntnis", denn Gott - Allah - sei ja nicht nur Schöpfer, sondern auch Herrscher. Indem man sich im Monat Ramadan von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang jener Dinge enthält, nach denen man ansonsten verlangt - Essen, Trinken, Geschlechtsverkehr - zeige man, "dass Allah über uns herrscht".

Davut Evsen, ein 15-jähriger Muslim aus Herzogenburg, rezitierte noch aus dem Koran, ehe mit dem Essen begonnen wurde. Evsen hat dieses Jahr beim österreichischen Rezitationswettbewerb in seiner Altersklasse gewonnen. Organisiert wurde der Wettbewerb von der Islamischen Föderation, dem zweitgrößten türkisch-islamischen Dachverband.

Auch die Moschee in Herzogenburg gehört zur Islamischen Föderation. Sie besteht seit 35 Jahren und ist somit eine der ältesten Moscheen Österreichs. Etwa 700 Muslime leben heute hier, die meisten sind türkisch-stämmig. Sie waren als sogenannte "Gastarbeiter" abgeworben worden und arbeiten zu einem großen Teil bei der Georg Fischer AG, einem führenden Industriekonzern in Herzogenburg. Vor drei Monaten hat der Moscheevorstand die Firma um einen islamischen Gebetsraum gebeten. Bis jetzt gibt es im Unternehmen einen solchen Raum für Muslime nicht. Dafür hat der Industriekonzern 1500 Euro für die neue Moschee gespendet, die in wenigen Jahren fertig sein soll.

Neue Situation der Jugend

Im Alltag verlaufe das Miteinander relativ gut, meint Propst Maximilian Fürsinn, doch so ein richtiges Miteinander sei es eben noch nicht. Selbst die Jugendlichen blieben teils unter sich und "Fremdenangst gibt es schon." Allmählich würde das aufhören, "trotz der Polemik einer politischen Gruppe".

Mittlerweile wächst die dritte türkisch-stämmige Generation heran. Das stellt die Moscheen vor neue Herausforderungen. Während manche Angehörige der ersten Generation bis heute kein Deutsch beherrschen, können junge Austro-Türken oft den türkischen Predigten nicht mehr folgen. "Mein 16-jähriger Sohn besucht die Moschee in St. Pölten nur, wenn auf Deutsch gepredigt wird", erzählt Mehmet Isik, Vorsitzender der St. Pöltner Religionsgemeinde. Deutschkurse für Imame wurden bereits durchgeführt, Isik hofft auf eine Imamausbildung in Österreich, damit Prediger künftig nicht mehr aus der Türkei hergeholt werden.

Mehmet Isik kam 1979 im Alter von zwölf Jahren nach Niederösterreich, nachdem sein Vater ein Jahr vorher hier zu arbeiten begann. Dass er sich damals so gut integriert hat, führt er auch auf seine Lehrer und den Direktor der Hauptschule in Baden zurück, mit dem er bis heute in Kontakt steht. Gerade in den ersten Monaten sei er viel unterstützt worden. Hauptberuflich ist Isik Verkäufer. Darüber hinaus arbeitet er seit 20 Jahren ehrenamtlich für Moscheen in ganz Niederösterreich. Von vier Uhr morgens bis 23 Uhr dauert sein Arbeitstag.

Mit der Entwicklung der dritten Generation ist er nicht nur zufrieden. Die erste Generation waren Hilfsarbeiter, die zweite Facharbeiter und die dritte - sind zum Teil Schulabbrecher und nicht wie erhofft Akademiker, berichtet Isik. Je nach Ortschaft sei die Lage aber verschieden. In Amstetten und Ybbs sei das Bildungsniveau der türkischen Community Niederösterreichs am höchsten.

Isik hofft auf mehr Begegnungen zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen. Dass einige Muslime bis heute unter sich leben, habe auch historische Gründe. Anfangs seien sie sowohl von den Behörden als auch von der türkischen Botschaft ignoriert worden, erzählt er. So sei es ihnen zur Gewohnheit geworden, alles allein zu organisieren.