Wien. Einst war er Innenminister der Republik Österreich, dann ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament - bald könnte er Strafgefangener sein. Ex-Innenminister Ernst Strasser wurde am Montag vom Wiener Straflandesgericht zu vier Jahren unbedingter Haft verurteilt. Der Schöffensenat sah den Tatbestand der Bestechlichkeit als erwiesen an.

Strasser hatte zwei als Lobbyisten getarnten Journalisten der britischen "Sunday Times" angeboten, für jährlich 100.000 Euro im europäischen Parlament in ihrem Sinne Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen. Eine Verbüßung der Tat mittels überwachtem Hausarrest (also Fußfessel) wurde vom Gericht aus Gründen der Generalprävention dezidiert ausgeschlossen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Es ist das erste Mal seit 1969, dass ein ehemaliger österreichischer Bundesminister zu einer unbedingten Haftstrafe verurteilt wird. Damals fasste Franz Olah (von März 1963 bis September 1964 roter Innenminister) ein Jahr Gefängnis wegen Betrugs aus. Mit bedingter Haft oder Geldstrafen waren hingegen die früheren Regierungsmitglieder Bruno Kreisky (wegen übler Nachrede), Hannes Androsch, Fred Sinowatz sowie Leopold Gratz (alle drei wegen falscher Zeugenaussage) davongekommen.

Strasser, der umgehend Berufung und Nichtigkeit einlegte, nahm das Urteil und die Ausführungen von Richter Georg Olschak mit steinerner Miene zur Kenntnis. Dieser sah den Tatbestand der Bestechlichkeit "ganz eindeutig erfüllt" - und zwar alleine durch das Fordern eines Geldbetrages für ein Amtsgeschäft. Erschwerend war für Richter Olschak Strassers Stellung: Es sei ein Unterschied, ob der Bürgermeister Kuhdorfs sich für eine Baubewilligung bestechen lässt oder ob ein Abgeordneter des Europäischen Parlaments ‚cash for law‘ nimmt."

Kein Glaube an Strassers Geheimdienst-Geschichte

Ernst Strasser hatte stets behauptet, hinter den vermeintlichen britischen Lobbyisten Geheimagenten vermutet zu haben und nur zum Schein auf das Geschäft eingegangen zu sein, um Beweise sammeln zu können. Damit erntete er bei Richter Olschak aber nur Kopfschütteln: "Ihre Geheimdienstversion gehört zum Abenteuerlichsten, was mir in meiner 20-jährigen Laufbahn untergekommen ist." Und er werde in Österreich kein Gericht finden, das dieser Geschichte Glauben schenkt.

Damit folgte Olschak den Ausführungen von Oberstaatsanwältin Alexandra Maruna, die den Schöffensenat aufgefordert hatte, die von Strasser angeführte "Angst vor Gemeindiensten" auszublenden. "Strasser wollte Geschäfte mit Bergman & Lynch (der vermeintlichen, tatsächlich nichtexistenten Lobbyingfirma, Anm.) machen, nicht deren wahre Identität aufdecken."