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Kronzeugenregel auf Bewährung

Von Simon Rosner

Politik

Franz Fiedler führt Schuldsprüche im Telekom-Prozess auf Schieszler zurück.


Wien. Noch ist es nicht sicher, aber es ist wahrscheinlich: Gernot Schieszler, einst Prokurist der Telekom, dürfte der erste "große" Kronzeuge werden. Dank seiner umfassenden Angaben ist anzunehmen, dass ihn die Staatsanwaltschaft nicht anklagen wird.

Als ebenfalls nicht sicher, aber wahrscheinlich darf angenommen werden, dass es ohne Schieszlers Aussagen keine drei Schuldsprüche gegen ehemalige Telekom-Manager gegeben hätte. So sieht es auch Franz Fiedler, der Präsident von Transparency International Österreich. Und ohne die Möglichkeit, als Kronzeuge straffrei davonzukommen, hätte Schieszler wohl nicht geplaudert. Auch das kann man als zwar nicht sicher, aber als wahrscheinlich werten.

"Es ist natürlich nur hypothetisch, aber die Staatsanwaltschaft hätte sich schwergetan. Man hätte sicher nicht alle Einzelheiten des Tatablaufs erheben können", sagt Fiedler. Auch die genaue Rollenaufteilung zwischen den Vorständen und Angestellten der Telekom wäre ohne detaillierte Informationen Schieszlers kaum zu ermitteln gewesen, weshalb Schuldsprüche ohne Kronzeugenregelung "höchst fraglich gewesen" wären, sagt Fiedler. "Man darf nicht vergessen, dass die Finanzmarktaufsicht bei Erhebungen nichts Handfestes gefunden hat."

Bedarf der Nachjustierung

Rund zwei Jahre nach Inkrafttreten hatte die "große Kronzeugenregelung" im Telekom-Prozess ihren ersten und durchaus gelungenen Auftritt. Sollte das Urteil Rechtskraft erhalten, stünden der Telekom Rückzahlungen von 9,9 Millionen Euro zu. Doch nicht nur für die Telekom, auch für die Kronzeugenregelung selbst stand in diesem Prozess viel auf dem Spiel. Denn das seit 2011 gültige Gesetz ist gewissermaßen nur auf Bewährung erlassen worden, im Jahr 2016 läuft dieses, von Transparency International jahrelang geforderte Gesetz aus, das in erster Linie der Korruptionsbekämpfung und der Verfolgung von Wirtschaftsdelikten dienen soll.

Die Bedenken gegen die große Kronzeugenregelung waren groß - und sind es nach wie vor. Rechtswissenschafter verweisen darauf, dass es dem hiesigen Rechtsempfinden nicht entsprechen würde, dass straffrei ausgeht, wer andere - böse formuliert - ans Messer liefert. Nicht zuletzt deshalb gab auch der Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) bei der Begutachtung des Gesetzes vor drei Jahren eine eigentlich negative Stellungnahme ab.

Auch die konkrete Formulierung der Kronzeugenregelung stand in der Debatte und wird es wohl wieder sein, wenn es an die Verlängerung des Gesetzes geht. "Die Anforderungen, die ein Kronzeuge erfüllen muss, sind weit höher als etwa in den USA", erklärt Fiedler. Und je höher die Hürden sind, desto schwieriger wird es für die Staatsanwaltschaft, Kronzeugen zu gewinnen.

Diese müssen etwa "aus freien Stücken" im Verfahren mitwirken, gegen sie darf noch kein Ermittlungsverfahren laufen und ihre Aussagen müssen "wesentlich" zur Aufklärung beitragen. Dass Schieszler trotz großer Verfahren in jüngerer Vergangenheit der erste Kronzeuge wäre, ist für ÖRAK-Präsident Rupert Wolff ein Beleg, dass sich die Regelung "in der Praxis nicht bewährt hat". Er fordert nach Ende der bis 2016 befristeten Lösung Nachjustierungen, insbesondere mehr Rechtssicherheit für potenzielle Kronzeugen. Auch Schieszler kann sich der Straffreiheit noch nicht sicher sein. Sollte der Ex-Telekom-Prokurist bis 2016 der einzige Kronzeugenanwärter bleiben, wäre das auch für Fiedler ausreichend Grund für Nachbesserungen. "Es wäre der Beweis, dass die Anforderungen zu hoch sind."