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"35-Stunden-Woche bleibt Ziel"

Von Clemens Neuhold

Politik

Wolfgang Katzian, Chef der Privatangestellten-Gewerkschaft, über mehr Urlaub, Frankreich und Vermögensberge.


Wien. Währen SPÖ und ÖVP beim Thema Wohnen auf Gemeinsamkeit setzen, verhärten sich die Fronten beim Thema Arbeitszeit. Vizekanzler Michael Spindelegger von der ÖVP sagt Njet zu mehr Urlaub; die SPÖ hat sich hingegen der Forderung der Gewerkschaft der Privatangestellten GPA-djp nach einer sechsten Urlaubswoche für alle angeschlossen. Gewerkschaftschef Wolfgang Katzian legt im Interview mit der "Wiener Zeitung" nach.

"Wiener Zeitung": Die Arbeitslosigkeit bleibt hoch. Glauben Sie wirklich, dass kürzere Arbeitszeiten neue Jobs schaffen?Wolfgang Katzian: Wenn das Volumen der Arbeit kleiner wird, stellt sich die Frage, wie man die Zeit besser verteilt. Da gibt es verschiedenste Ansätze. Für mich ist der Abbau von Überstunden am wichtigsten. Real arbeiten wie über 43 Stunden, obwohl in Kollektivverträgen 38,5 Stunden stehen. Unsere Einschätzungen weisen aus, dass ein sehr, sehr hoher Anteil von Überstunden gar nicht bezahlt wird und dass in Firmen unfassbar große, illegale Zeitkonten existieren. Dadurch entgehen der Sozialversicherung 600 Millionen Euro.

Bei bezahlten Überstunden wäre ein Zuschlag von einem Euro - eine Forderung des Gewerkschaftsbundes - eine gute Sache.

Die zweite wichtige Stoßrichtung ist die sechste Urlaubswoche. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass alle Schritte hin zu kürzeren Arbeitszeiten mehr Beschäftigung gebracht haben.

Welche Schritte meinen Sie?

Von der Einführung der fünften Urlaubswoche bis zur 40-Stunden-Woche. Das wirkte nicht 1:1, aber es gibt es gute Studien.

Führt mehr Urlaub nicht dazu, dass der Rest mehr "hackelt"?

Höherer Arbeitsdruck ist natürlich ein Thema. Aber das funktioniert so nicht. Sollen noch mehr Leute mit 50 oder 55 so ausgebrannt sein, dass sie in die Invaliditätspension müssen? Jene aus der Wirtschaft, die am lautesten nach einem höheren Pensionsantrittsalter schreien, sind oft jene, die ältere Mitarbeiter so früh wie möglich anbringen möchten.

Bei der sechsten Urlaubswoche geht es außerdem um Gerechtigkeit. Es gibt sie schon (ab dem 25. Jahr im selben Betrieb, Anm.), aber immer weniger Leute können Sie in Anspruch nehmen. Die Menschen sind viel mobiler geworden und wechseln oft ihren Arbeitsplatz. Deswegen haben wir gesagt, wir wollen eine neue Regelung für Menschen, die sonst nie in den Genuss kommen. Das betrifft den Handel und Sozialberufe besonders stark.

Ab wann sollte es die sechste Woche geben?

Da legen wir uns nicht fest. Entweder geht man mit den Jahren runter, ab denen man Anspruch hat, zum Beispiel auf zehn, oder man macht es wie bei den Beamten ab einem bestimmen Alter (43 Jahre, Anm.). Oder man macht es wie bei der Abfertigung neu nach dem Rucksackprinzip und nimmt die Ansprüche von Firma zu Firma mit.

Ist das nicht eine Falle für Ältere? Die werden dann wegen des zusätzlichen Urlaubs im Rucksack nicht eingestellt.

Da macht man es sich billig, wenn man die Altersfalle auf die sechste Urlaubswoche schiebt. Im Gegenteil: Man muss schauen, wie man die Erwerbsquote der über 50-Jährigen hebt. Die ist auch deswegen so niedrig, weil die Leute zu schnell und zu früh krank werden. Durch die sechste Woche hätten ältere Mitarbeiter mehr Zeit für Regeneration.

Was halten Sie von einer 35--Stunden-Woche wie in Frankreich?

Die fordern wir seit vielen Jahren. Aber es nützt nichts, wenn nicht einmal die 40-Stunden-Woche real umgesetzt ist.

Als Langfrist-Ziel bleibt die 35-Stunden-Woche aufrecht?

Ja, klar. Das ist nicht etwas, das man ad acta legt.

Frankreich schreckt Sie nicht ab?

Frankreich muss derzeit für vieles herhalten. Die 35-Stunden-Woche und die Reichensteuer sind aber nicht schuld an den schlechten Wirtschaftsdaten, sondern die Politik des Kaputtsparens von Herrn Sarkozy und der ganzen Europäischen Union.

Apropos Reichensteuer. Ihre Betriebsräte-Konferenz läuft unter dem Motto: "Geld ist genug da!"

Alle reden von Schuldenbergen, aber es gibt auch Vermögensberge. Und die tragen zur Finanzierung des Staates wenig bis gar nichts bei. Wir wollen eine Vermögenssteuer ab 700.000 Euro, die Häuslbauer ausnimmt und eine Erbschafts- und Schenkungssteuer mit Freigrenzen. Das brächte rund drei Milliarden.

Was ist alles "Vermögen"?

Was man besitzt: Häuser, Autos, Gemälde, Bankguthaben . . .

Auch Schmuck?

(Raunt) Auch Schmuck. Aber da geht nicht der Spion mit der Taschenlampe herum, sondern es ist eine normale Selbstveranlagung - mit Stichproben.