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Magna Charta Austria

Von Clemens Neuhold

Politik

Stronach sieht den Staat als Firma - und den Turbopatriotismus als Antrieb.


Wien. Es wäre wohl niemandem aufgefallen, hätte sich Frank Stronach im Herbst ganz ohne Parteiprogramm in die Wahlschlacht geworfen. Schon fast ein Jahr ist der Milliardär und Gründer des Magna-Firmenimperiums politisch aktiv, doch mit konkreten Inhalten hielt er sich nicht lange auf. Er erzählte lieber, wie er es vom armen Werkzeugmacher mit 200 Schilling in der Tasche zum kanadischen Milliardär schaffte und mit beheizten Außenspiegeln die Welt eroberte; er spielte lieber eine Grußbotschaft von Bill Clinton und Larry King von CNN über Video ein; er hielt sich nur dann mit Zahlen, Daten, Fakten auf, wenn er das Publikum in Ehrfurcht versetzen wollte - mit Zahlen über geschaffene Jobs und gespendete Millionen. So begnügte sich das Publikum der Frank-Show inhaltlich rasch damit, dass "das Gold die Regeln macht", "es um die Werte geht" und "Frank weiß, wie es geht"; und es vergaß das schon für Jänner angekündigte Parteiprogramm.

Patriotisch und neoliberal

Doch heute, Dienstag, stellt Stronach es vor. Es wird eine Art Magna Charta für Österreich.

"Magna Charta" nannte Stronach die Firmengrundsätze für die weltweit 67.000 Mitarbeiter seines Konzerns. Weniger aus rechnerischen als aus persönlichen Gründen begann Stronach in den 90er Jahren, Magna verstärkt in seiner alten Heimat Österreich zu verankern und investierte bis zu 1,5 Milliarden Euro. Und genau aus diesen Zutaten besteht sein Programm: aus einer gewinnorientierten und zugleich patriotischen Firmenphilosophie.

Von allen Schubladen passt der Politiker Stronach wohl am ehesten in die des "patriotischen Neoliberalen". So kann er sich - ganz der Wirtschaftsliberale - vorstellen, dass Unternehmen keine Steuern zahlen; jedoch nur, wenn sie - ganz der Patriot - ihre Gewinne im Inland investieren.

Wenn es um faire Löhne geht, braucht es in Stronachs Welt keine Gewerkschaften, stattdessen sollen die Mitarbeiter am Gewinn beteiligt sein. Das Motto der Wirtschaftskammer - "geht’s der Wirtschaft gut, geht es allen gut" - wäre mit Stronach am Ruder auf die Spitze getrieben.

Stronach ist gegen Reichensteuern und für eine Steuerbefreiung von Einkommen über 100.000 Euro, damit die "besten Manager" im Land bleiben, wie er im Interview mit der "Wiener Zeitung" sagte. Umverteilung im sozialdemokratischen Sinn ist für ihn ein Fremdwort, Schulden das Übel, der Sozialismus "verstößt gegen das Naturgesetz".

Arbeit bis 80, warum nicht?

Der Traum von der sechsten Urlaubswoche ist für Stronach ein Hirngespinst, bei Magna genügten drei bis fünf Wochen. Statt der Frühpension soll jeder einen ordentlichen Bonus bekommen, je länger er arbeitet - oder umgekehrt einen ordentlichen Malus.

Mit AMS-Stammgästen hat es der 80-jährige Power-Frank nicht so, sie würde er fit machen. So verlangte in der "Wiener Zeitung" statt der Mindestsicherung eine Sozialkarte nur für Grundnahrungsmittel, nicht jedoch für Zigaretten oder Alkohol. Willkommen in der Nachkriegszeit.

Beim Thema Europa gewinnt der Patriot die Oberhand über den Wirtschaftskapitän. Stronachs Forderung eines eigenen Euro für jedes Land wäre Gift für heimische Exporteure. So richtig zum Turbopatrioten wird er beim Thema Bankgeheimnis: "Das muss bestehen bleiben - ob es der EU passt, oder nicht", lässt er ausrichten. Dass Stronach das Wort "Transparenz" sogar im Parteilogo trägt und Österreich wegen des intransparenten Bankgeheimnisses als Steueroase gilt, bleibt einer der vielen Widersprüche, die das Parteiprogramm nun noch stärker zu Tage fördern wird.