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Allgemeinmedizin wird kein Fach

Von Brigitte Pechar

Politik
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Erfahrung sammeln: Das sollen künftige Allgemeinmediziner in Ordinationen. Aber die Ärztekammer kritisiert, dass sechs Monate Praxis zu kurz sind.
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Ärztekammer übt heftige Kritik: Lehrpraxen müssen bezahlt werden.


Wien. Allgemeinmediziner werden auch künftig keine Fachärzte sein. Gesundheitsminister Alois Stöger habe sich "mit den wesentlichen Playern" im Gesundheitssystem auf eine neue Ausbildung der Allgemeinmediziner geeinigt. Dies bestätigte das Gesundheitsministerium der "Wiener Zeitung" am Mittwoch.

Demnach läuft die Ausbildung zum Allgemeinmediziner künftig so ab: sechsjähriges Medizinstudium, 9 Monate Erwerb von Basiskompetenzen in einem Krankenhaus, danach 33 Monate Ausbildung im Krankenhaus und anschließend sechs Monate Lehrpraxis in einer Ordination eines Allgemeinmediziners oder in einer geeigneten Spitalsambulanz.

Die Verordnungsnovelle sei fertig und dem Koalitionspartner ÖVP übermittelt worden. Sobald dieser zustimme, gehe der Entwurf in Begutachtung, hieß es aus dem Ministerium.

Dieser sieht eben nach dem sechsjährigen Studium vier Jahre Ausbildung vor, ehe der Jungmediziner selbst eine Arztpraxis eröffnen kann. Der Allgemeinmediziner wird aber dann immer noch kein Facharzt sein. Damit wird eine langjährige Forderung des Hausärzteverbandes und der Ärztekammer nicht erfüllt. Fast in allen europäischen Staaten ist der Allgemeinmediziner ein Facharzt.

Auch eine andere Forderung der Ärztekammer findet keine Berücksichtigung: Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger bekräftigte, dass es zwölf Monate Ausbildung in einer Lehrpraxis brauche und diese Ausbildung wiederum würde pro Jahr österreichweit 15 Millionen Euro kosten. Diese Ausbildungskosten müssten sich laut Wechselberger Sozialversicherung, Bund und Länder teilen. "Diese apostrophieren sich als die Zahler und damit die Sager. Jetzt sollen sie auch zahlen, wenn es darum geht, gut ausgebildete Ärzte zu haben", sagte der Ärztekammerpräsident. Die Sozialversicherung könne sich überlegen, wie sie ihr Schärflein dazu beitragen kann: "Entweder durch Zahlungen direkt an die Lehrpraktikanten oder durch ein Öffnen des Systems." Das alleinige Betrachten des Gesundheitssektors aus dem Blickwinkel der Kosten bezeichnete Wechselberger als "Mief, der jede Entwicklung hemmt".

Ministerium will eine Million Euro beisteuern

Im Gesundheitsministerium verweist man darauf, dass die Lehrpraxen mit einer Million Euro pro Jahr gefördert werden, "daran wollen wir festhalten". Damit werden laut Kammer gerade einmal 106 Lehrpraxis-Plätze gefördert. Der Bund zahlt 1345 Euro, den Rest auf den Kollektivvertragsgehalt - etwa noch einmal so viel - zahlen die praxisführenden Ärzte.

Allerdings will der Ärztekammerpräsident das so noch nicht stehen lassen. Schließlich würde die Ärzteschaft ohnehin ihren Beitrag leisten, indem sie die Jungmediziner in das Fach einführe. Ein Beispiel soll überzeugen: Ein Installateur würde ja auch Stunden des Lehrlings an die Kunden weiterverrechnen. Daher müsse diese Kosten eben auch die Sozialversicherung, Bund oder Länder übernehmen. Kritik übt die Ärztekammer auch daran, dass die Lehrpraxen nicht auf ein Jahr ausgelegt sind und diese Ausbildung auch in einem Ambulatorium gemacht werden könne. Es sei ein "international herzeigbares Kuriosum", dass man in Österreich Allgemeinmediziner werden könne, ohne auch nur einen Tag in einer entsprechenden Arztpraxis verbracht zu haben, kritisiert der Ärztekammerpräsident. Für ihn ist das letzte Wort zur neuen Ärzteausbildung noch nicht gesprochen.

Gesundheitsminister Stöger denkt allerdings nicht daran, den fertigen Entwurf noch einmal aufzuschnüren. Es sei ein Vertreter der Ärztekammer eingebunden gewesen, weshalb man sich im Ministerium doch verwundert darüber zeigte, dass ein akkordiertes Konzept dann nicht mitgetragen wird.

Harmonischer gibt sich Wechselberger, was die Einschätzung der Gesundheitsreform betrifft. "Das System hat Potenzial in sich, um besser zu werden", sagte er. Allerdings meldete er an, dass die Ärzteschaft ab sofort eingebunden werden wolle bei der Umsetzung. Denn es gebe die Chance, zu einem Paradigmenwechsel Richtung "Public Health" zu schaffen, bei dem die Versorgung der Patienten und nicht die Angst vor den Kosten im Mittelpunkt steht. Aber da müsse die Ärzteschaft eben mitreden können.