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Ein Fest gegen das "Fremdeln"

Von Stephanie Schüller

Politik
Auch Tanz aus Indien steht beim Festival Salam.Orient am Programm.
© Kaveri

Das Festival Salam.Orient bringt fremde Kultur und anderes Leben näher.


Wien. Ab heute, Mittwoch, ist bis 31. Oktober wieder der Orient zu Gast in Wien. Das Salam.Orient Festival bietet in seiner neunten Ausgabe ein vielfältiges Programm mit Konzerten, Diskussionen, Vorträgen und Theaterstücken aus Ländern wie der Türkei, Indien, Marokko, Sumatra, Saudi-Arabien oder dem Iran. "Der klassische Zugang im deutschen Raum ist, dass der Orient Araber, Perser und Türken miteinbezieht. Wir haben es einerseits auf der Religion aufgehängt. Dort, wo Islam vorkommt, leuchten wir hin", so der Veranstalter Norbert Ehrlich. Es seien aber auch beispielsweise Beiträge aus China oder der Mongolei dabei, die nicht direkt etwas mit dem Orient zu tun hätten.

Informationen und Unterhaltung

Die Veranstaltungen finden unter anderem im Wien Museum, in der Sargfabrik, im Porgy & Bess und im Wiener Konzerthaus statt. Eröffnet wird das Festival heute um 19 Uhr mit einem Vortrag an der Diplomatischen Akademie zum Thema "Politischer Islam in Westafrika und westliche Interventionen". "Dazu wird Information aus erster Hand geliefert, von einem Senegalesen, der in den USA unterrichtet und nach Wien kommt, um über die Situation in Westafrika zu informieren und insbesondere auch den Islam dieses Raumes ein bisschen näher zu definieren", erklärt Ehrlich. Die Rede ist von Ousmane Kane, Professor für islamische Studien und Politik in Senegal. Moderiert wird die Veranstaltung von der Journalistin Marie Roger Biloa.

Am 23. Oktober wird über die Istanbuler Gezi-Park-Bewegung, die Geschehnisse rund um den Taksim-Platz und ihre Bedeutung für die Türkei in der Hauptbücherei Wien diskutiert. Dazu kommen aus Istanbul zwei junge Soziologinnen, die gemeinsam mit Türken, die in Wien leben, zu dem Thema Stellung nehmen. Es werde auch darum gehen, "ob es kontraproduktiv ist, weiterzumachen, oder ob die ersten Indizien, dass die Regierung eine neue Basis sucht, auch zu den Alewiten, auch zu den Kurden, ermutigend sind, um in diese Richtung weiter in der Türkei Reformen zu verlangen und zu erwarten", erklärt Ehrlich. Besondere Aufmerksamkeit gilt bei dieser Veranstaltung laut Programm der Frauenbewegung und der Istanbuler Stadtbewegung.

Auch eine Ausstellung ist zu sehen. Obwohl sie inhaltlich nichts mit dem Orient zu tun hat, wird sie im Rahmen des Festivals präsentiert. Studenten der Technischen Universität haben im jordanischen Amman zwei Projekte umgesetzt. Die Stadt ist durch Flüchtlinge von 600.000 Menschen auf über zwei Millionen Einwohner angewachsen. Ein Projekt galt der Gestaltung eines Marktes, das andere entwickelte Ideen zum Wohnen in einem informellen, dicht bebauten Stadtviertel. Die Ausstellung wird am 24. Oktober im Wien Museum am Karlsplatz eröffnet.

Der Kern des Festivals besteht aus Konzerten und Tanzvorstellungen: "Weil diese beiden Medien nicht der Sprache bedürfen und für jeden Menschen leicht zugänglich sind", unterstreicht Ehrlich. Mit dem "Fliegenden Teppich" gibt es am 17. Oktober im Wien Museum am Karlsplatz Kindertheater für die jüngste Zielgruppe ab vier Jahren: "Wir sind der Meinung, dass man das Fremdeln von Kindern umpolen kann, wenn man ihnen sehr starke sinnliche und positive Eindrücke in frühem Alter gibt", sagt Ehrlich. Es sei ein Ziel des Salam.Orient Festivals, schon junge Menschen mit anderen Kulturen bekannt und vertraut zu machen: "Wenn ein Zweijähriger fremdelt, ist es völlig normal, da kann man etwas dagegen tun. Wenn ein Zwanzigjähriger fremdelt, ist vielleicht in seiner Sozialisation etwas schiefgelaufen."

Künstler und Wissenschafter

Als Ehrlich das Festival 2005 zum ersten Mal veranstaltete, sei das Thema Integration in Österreich noch nicht viel diskutiert worden: "Als ich begonnen habe, mich mit diesen Kulturen und mit der Vermittlung zu beschäftigen, war das eher noch ein Randthema. Jeder hat gesagt, dass Integration kein Thema in diesem Land ist. Aber Integration ist sehr wohl ein Thema, wenn allein in Wien über 500.000 Menschen wohnen, die noch eine zweite Muttersprache sprechen." Ehrlich wolle mit seinem Festival positive Signale senden und nicht nur über die dramatischen Ereignissen in den jeweiligen Regionen berichten.

Neben dem Programm in Wien gibt es auch eine Kooperation mit dem Kulturhaus Leibnitz in der Steiermark. Dort werden Paul Gulda und Marwan Abado am 15. Oktober ein Konzert unter dem Motto "Von Bach bis Beirut" spielen. Auch anderen Bundesländern bietet Reich immer wieder eine Zusammenarbeit an: "Es liegt im Ermessen des einzelnen Veranstalters, ob es in sein Herbstprogramm passt oder nicht. Auch mit dem Treibhaus in Innsbruck hatten wir schon Kooperationen."

Jedes Jahr erneut Künstler und Vortragende für das Festival zu finden, bedeutet für den Veranstalter eine organisatorische Herausforderung: "Ich bekomme jedes Jahr Offerte von Gruppen, die sich direkt anbieten. Es ist auch jedes Jahr davon abhängig, wer gerade unterwegs ist. Wir können nicht jede Gruppe direkt einfliegen, sondern sind auf Tournee-Angebote angewiesen."

Finanziert wird das Festival durch Förderer und aus Eigenmitteln. Norbert Ehrlich rechnet auch dieses Jahr wieder mit etwa 3000 Besuchern: "Das Ziel von Salam.Orient ist, Künstler und Wissenschaftler nach Österreich einzuladen, sie hier vor dem entsprechenden Publikum zu präsentieren und darauf zu hoffen, dass das sowohl neugierige Österreicher sowie die jeweilige Community interessiert."