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Ausgelagerte Schulden

Von Simon Rosner und Matthias Nagl

Politik

Acht Gemeinden wurden geprüft, zu bemängeln gab es genügend.


Wien. St. Veit an der Glan hat große Pläne. Vielleicht sollte man dazu sagen: wieder einmal. Die Gemeinde will bis zum Jahr 2020 Energieautarkie erreichen, weshalb nicht irgendein, sondern das größte Photovoltaikkraftwerk Österreichs bei St. Veit entsteht. Das Projekt kostet insgesamt rund 6,4 Millionen Euro, wobei das Land Kärnten sowie der Energieversorger Kelag die finanzielle Hauptlast tragen. St. Veit hofft jedenfalls auf künftige Einnahmen von 300.000 Euro pro Jahr durch Sonnenenergie. Das hört sich nach einem guten Geschäft an, allerdings klang ja auch das Hotelprojekt Fuchspalast allzu schön.

Die vom Künstler Ernst Fuchs gestaltete Herberge ist seit gut 15 Jahren Dauerpatient in St. Veit. Das einstige "Hotel Stern" war damals schon mehr alt als ehrwürdig und musste umgebaut werden, doch die Hoffnungen erfüllten sich nicht. Immer wieder gingen Betreiber pleite oder zogen sich zurück, die Gemeinde musste einspringen, um keine Ruine entstehen zu lassen. Auch gegenwärtig ist die Stadtgemeinde St. Veit für das Hotel zuständig.

Vielleicht waren diese Probleme ein Grund, weshalb sich der Rechnungshof St. Veit genauer ansah. Nach einer Gesetzesnovelle vor drei Jahren ist es dem Prüforgan nun erlaubt, Gemeinden ab 10.000 Einwohnern zu begutachten, mit acht Gemeinden (St. Veit, Hall, Bludenz, Stockerau, Mistelbach, Eisenstadt, Wörgl, Knittelfeld) fing er nun an.

Der Hauptvorwurf des Rechnungshofs ist die mangelnde Transparenz. Die Rechenwerke der Gemeinden hätten "keine vollständigen, hinreichenden Informationen über die tatsächliche finanzielle Lage" geboten. In Verbindung mit knappen Budgets und steigenden Sozialausgaben würde dies die Gemeinden in "enorme Schwierigkeiten bringen", sagte Rechnungshof-Präsident Josef Moser in Ö1.

Auslagerungen im Akkord

In St. Veit wurden zwischen 2008 und 2011 Investitionen von 20,4 Millionen Euro getätigt, in diesem Zeitraum stiegen aber auch die Finanzschulden von 23,8 auf 26,7 Millionen Euro an. Ein Problem war auch ein weiteres Hotel, das Blumenhotel. In einer unseligen Partnerschaft mit russischen Investoren errichtete ein Beteiligungsunternehmen das Hotel um elf Millionen Euro, wobei die Gemeinde 3,5 Millionen Euro einbrachte. Die beiden Russen erhielten die Staatsbürgerschaft (Stichwort: "Part of the game") und St. Veit einen weiteren Flop. Die Gesellschaft wurde verkauft, doch an die Gemeinde floss nur eine Million wieder zurück. Verlust: 2,5 Millionen Euro, wie der Rechnungshofbericht zeigte.

St. Veit ist eine jener Gemeinden, die schon sehr früh, Anfang der 90er Jahre, Ausgliederungen tätigte: Kindergärten, schulische Nachmittagsbetreuung, Bestattung, Kultur und Tourismus, Gebäudereinigung und so weiter. Auslagerungen dienen zwar nicht bloß der Bilanzkosmetik, ein Nachteil ist es aber freilich nicht, dass Fremdfinanzierungen wie beim Blumenhotel den Maastricht-Haushalt nicht belasten.

Bei den Auslagerungen besonders fleißig war auch Hall in Tirol. Acht Betriebe, die zum Großteil im Eigentum der Stadtgemeinde stehen, erfüllen Aufgaben, für die die Gemeinde zuständig ist. Den Auftakt machten 1996 die Stadtwerke, die für Wasser und Energie zuständig sind, sowie eine Immobiliengesellschaft. Rund um die Jahrtausendwende folgten dann weitere Ausgliederungen.

Dabei ist Hall eigentlich mehr Vorort als Stadt. Hall liegt nur fünf Kilometer von Innsbruck entfernt. Mit der Buslinie S der Innsbrucker Verkehrsbetriebe ist man aus Hall in rund 20 Minuten im Zentrum der Landeshauptstadt. Hall erfreut sich lebhaften Zuzugs, im Prüfzeitraum des Rechnungshofs von 2008 bis 2011 wuchs die Stadtbevölkerung um knapp drei Prozent, im heurigen Jahr wurde aller Voraussicht nach die Schwelle von 13.000 Einwohnern überschritten.

Hall ist auch ein lebhafter Wirtschaftsstandort mit rund 8000 Arbeitsplätzen. Die Pendelbilanz ist mit 5300 Einpendlern und 2700 Auspendlern klar positiv. Bis auf ein Bauunternehmen mit etwa 1000 Mitarbeitern ist die Stadt auch nicht abhängig von Großbetrieben, die durch einen Weggang ein plötzliches Loch reißen könnten.

Diese Struktur ist ein Grund dafür, warum sich Halls Gemeindefinanzen grundsätzlich positiv entwickeln. Im Prüfungszeitraum des Rechnungshofs stiegen die Einnahmen um gut 17 Prozent, die Ausgaben dagegen nur um 10 Prozent. Der Schuldenstand der Gemeinde lag mit rund 16 Millionen Euro bei Einnahmen von rund 40 Millionen Euro auf einem erträglichen Niveau. Zumal das aufgenommene Geld wie etwa 2009 mit der Sanierung eines Seniorenwohnheims für sinnvolle Investitionen verwendet wurde.

Flexible Betriebe

Da Hall beim Auslagern besonders eifrig war, ist das aber nur die halbe Wahrheit. Die ausgelagerten Gesellschaften haben Verbindlichkeiten in der Höhe von 63 Millionen Euro, die Gemeinde hat Haftungen in ähnlicher Höhe. Damit übersteigt die Haftungssumme je Einwohner jene von vergleichbaren Gemeinden um das Fünffache. Für Eva Maria Posch (ÖVP), Bürgermeisterin von Hall, ist das aber kein allzu großes Problem. Denn wo investiert werde, gäbe es Schulden, sagt sie. "Wir lassen uns von den Stadtwerken Infrastruktureinrichtungen betreiben und haben uns Immobilien errichten lassen", erklärt Posch. So sei etwa auch ein Trinkwasserstollen errichtet worden.

Die Auslagerungen waren rund um die Jahrtausendwende kein Unikum von Hall. "Es war sehr empfehlenswert, das so zu machen. Das war ein allgemein üblicher Vorgang", sagt Posch. Gemeindeexperten geben ihr recht. Einerseits sind gemeindeeigene Betriebe in der Personalplanung flexibler und müssen nicht nach dem Gehaltsschema für Gemeindebedienstete bezahlen.

Andererseits gab es vor allem steuerliche Motive. Die Gemeinden konnten sich über ausgegliederte Betriebe die Vorsteuer bei Investitionen zurückholen. Mit dem Sparpaket 2012 schloss die Bundesregierung diese Lücke. Die zusätzliche Belastung der Gemeinden wird dadurch auf 100 Millionen Euro jährlich geschätzt. Der Vorteil ist also weg. Und Hall hat heute auch schon eine ausgegliederte Gesellschaft weniger als bei der Rechnungshof-Prüfung.