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Zwei Rücktritte im nationalen Lager

Von Brigitte Pechar

Politik

Andreas Mölzer (FPÖ) und Ulrike Haider-Querica (BZÖ) kandidieren nicht mehr bei EU-Wahl.


Wien. Trubel im nationalen Lager im Vorfeld der EU-Wahl: nachdem Andreas Mölzer Dienstagfrüh seinen Rückzug als Spitzenkandidat der FPÖ bei der EU-Wahl bekannt gegeben hatte, wurde am Dienstagabend der nächste Rückzug verlautbart: Ulrike Haider-Quercia, Tochter des verstorbenen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider, legt ihre Kandidatur für das BZÖ zurück. Und auch das Team Stronach tritt nicht an, wie Klubobfrau Kathrin Nachbaur in einem Interview mit dem Standard bekannt gab.

Im Kräftemessen zwischen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Andreas Mölzer hatte sich der Parteichef durchgesetzt: Mölzer wird nicht mehr auf der Kandidatenliste der FPÖ zur EU-Wahl am 25. Mai aufscheinen.

Mölzer - bisher intellektuelles Aushängeschild der FPÖ vom rechten Rand - wollte sich das Heft des Handelns aber nicht komplett aus der Hand nehmen lassen. Nach seinem Gespräch mit Strache am Montag verkündete er am Dienstag in der Früh seinen Rückzug als Spitzenkandidat. Zu diesem Zeitpunkt war aber noch unsicher, ob er nicht doch an wählbarer Stelle auf der FPÖ-Liste aufscheinen würde.

Kurz darauf spricht Generalsekretär Herbert Kickl Klartext: "Der heutige Rückzug von Andreas Mölzer von seiner Kandidatur zur EU-Wahl ist das logische Ergebnis des gestrigen eineinhalbstündigen Gesprächs zwischen ihm und FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache." Mölzers "überspitzt formulierte Aussagen" hätten bedauernswerterweise in der Öffentlichkeit einen anderen Eindruck entstehen lassen. "Wir werten daher diesen persönlichen Schritt Andreas Mölzers als Ausdruck seiner politischen Verantwortung, auch gegenüber seiner Gesinnungsgemeinschaft, und zollen ihm dafür Respekt." Zu Mittag verkündete dann auch ein Sprecher Mölzers dessen gänzlichen Verzicht auf eine Kandidatur, wegen, so Mölzer, des "offensichtlichen Vertrauensverlusts in meiner Partei". "Um der freiheitlichen Gesinnungsgemeinschaft, für die ich jahrzehntelang als Publizist, Zeitungsmacher und Abgeordneter gekämpft habe, keinen Schaden zuzufügen, setze ich von mir aus diesen Schritt. Dies in der Gewissheit, nichts Unredliches getan zu haben, außer der politisch nicht korrekten Formulierung nonkonformistischer Meinungen."

Tatsächlich häuften sich in den letzten Tagen die Wortmeldungen von FPÖ-Funktionären, die auf spürbare Distanz zu den Aussagen und Ansichten des EU-Mandatars gingen. Mölzer selbst hat für heute, Mittwoch, eine Stellungsnahme angekündigt.

Vilimsky neue Nummer einsauf der FPÖ-Liste

Ebenfalls heute wird sich auch der FPÖ-Vorstand noch einmal dieses Themas annehmen. Fix ist, dass Harald Vilimsky jetzt die tatsächliche Nummer eins sein wird. Bisher war das formell Mölzer, obwohl die beiden als "Doppelspitze" präsentiert wurden. Der Rückzug Mölzers könnte sich auch positiv auf das Vorhaben auswirken, nach der EU-Wahl gemeinsam mit anderen Rechtsaußen-Parteien eine Fraktion im EU-Parlament zu bilden. Nach Mölzers Bezeichnung der EU als "Negerkonglomerat" stand dahinter wieder ein Fragezeichen.

Was bedeutet nun der Rückzug für die FPÖ - und was sind die Folgen für Mölzer selbst? Immerhin hat der Vertreter des nationalen, streng rechten Flügels der FPÖ nicht zum ersten Mal den Bruch mit einem Parteichef gewagt. 2002 war Mölzer eine treibende Kraft hinter dem sogenannten Knittelfelder Aufstand der Parteibasis gegen die Politiker der damaligen blauen Regierungsmannschaft um Parteichefin und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer. Die Rebellen setzten sich zwar durch, doch bei den anschließenden Neuwahlen stolperte die FPÖ in eine katastrophale Wahlniederlage.

Auch gut zwei Jahre später mobilisierte Mölzer intern gegen die Regierungsarbeit der FPÖ in der Neuauflage der schwarz-blauen Koalition und half wesentlich mit, den damaligen jugendlichen Wiener FP-Obmann mit Namen Heinz-Christian Strache zum innerparteilichen Herausforderer Jörg Haiders aufzubauen. Im April 2005, als sich Haider seiner eigenen Parteibasis längst nicht mehr sicher sein konnte, spaltete er sich mit der gesamten Regierungsmannschaft und dem meisten Geld von der FPÖ ab und gründete das BZÖ. Der Aufstieg Straches ist also wesentlich mit dem Namen Mölzer und der Rückendeckung durch das deutschnationale Lager verbunden. Und jetzt also der Bruch.

Strache und seine Berater wissen, dass der ideologisierte harte Kern der FPÖ ein Klotz am Bein der Partei ist, wenn es darum geht, das Wählerstimmenpotenzial auszuschöpfen. Aus diesem Grund etwa hat er auch die einstige Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz als niederösterreichische Landesparteichefin demontiert, heute sitzt sie wieder im Nationalrat.

Mit der Abgrenzung zu diesen Kreisen verfolgt Strache bewusst eine Strategie: Er will und muss die Partei regierungsfähig machen. Mit Personen in seiner Umgebung, die das Wort "Umvolkung" auf den Lippen führen und auch sonst keine Animositäten zum Dritten Reich zeigen, wird es für ihn unmöglich, jemals als Regierungspartner auch nur angedacht zu werden. Hier geht es nicht um die EU-Wahl am 25. Mai, sondern um die Landtagswahlen im kommenden Jahr, besonders jene in Wien, und um die Positionierung für die Nationalratswahl 2018. Dann ist Strache 49 Jahre alt und wird sich endgültig als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf werfen.

Was wird jetzt ausAndreas Mölzer?

Das Risiko, durch diese Abgrenzung, auch Wähler zu verlieren, ist für Strache überschaubar. Das Stimmenpotenzial von Mölzer, Rosenkranz und Co wird auf zwei bis fünf Prozent geschätzt; im Gegenzug könnten sich neue Türen öffnen - warum nicht auch solche für neue Geldquellen, etwa seitens der Wirtschaft, wie es Haider in den 90er Jahren gelang.

Was aber wird nun aus Andreas Mölzer? Und was wird aus seiner Wochenzeitung "Zur Zeit", für die er als Herausgeber und einer seiner Söhne als Chefredakteur fungiert? Mit dem Rückzug verliert der Mandatar schließlich einen gut bezahlten Job. Wird in "Zur Zeit" künftig gegen Strache angeschrieben, wie einst gegen Haider? Oder gab es gar einen Deal zwischen Strache und Mölzer wie weiland zwischen Haider und Walter Meischberger, dem einst der Verzicht auf sein Mandat mit einer Millionensumme (in Schilling) fürstlich abgegolten wurde? Letzteres zumindest schließt Volksanwalt Peter Fichtenbauer, früher FPÖ-Justizsprecher, aus: "Die Haider-FPÖ und die Strache-FPÖ haben nichts miteinander zu tun. Da gibt es kein Kontinuum."

Und dann gibt es ja noch eine Möglichkeit. Mölzer kann als Eu-Mandatar mit einer eigenen Liste bei der Wahl im Mai antreten. Bei der EU-Wahl 2009 waren 142.253 Stimmen beziehungsweise 4,97 Prozent für eines der 17 Mandate nötig. Mölzer selbst hat damals als Spitzenkandidat 14.357 Vorzugsstimmen erhalten.