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Der heiße Stein und der Tropfen

Von Simon Rosner

Politik

Das Flüchtlingslager in Traiskirchen platze wieder aus allen Nähten, sagt Bürgermeister Babler.


Traiskirchen. Seit 30. April ist Andreas Babler (SPÖ) Bürgermeister von Traiskirchen, als er das Amt von seinem Parteikollegen Fritz Knotzer übernahm. Beinahe 30 Jahre war dieser der niederösterreichischen Stadtgemeinde vorgestanden. Dann dauerte es zehn Tage, bis sich Babler mit dem in Traiskirchen scheinbar alles beherrschenden Thema an die Öffentlichkeit wandte: dem Flüchtlingslager.

Eine "menschliche Schande" und ein "Armutszeugnis für die Republik" sei die Unterbringung der Asylwerber, beschwerte sich Babler in einer Pressemeldung. Das Lager, das Babler als Massenlager bezeichnete, platze aus allen Nähten, die Bundesländer würden auf die Vereinbarung mit dem Innenministerium zur Aufteilung der Asylwerber "pfeifen".

Stau in der Behörde

Seither ist das Thema Traiskirchen wieder ein vieldiskutiertes, und Babler trägt mit seinen gelegentlichen Aussendungen auch einiges dazu bei. Zumal sich die Situation im Flüchtlingslager im Süden Wiens seit Mai nicht geändert hat. Mittlerweile sind dort sogar 1300 Asylwerber untergebracht, maximal 480 sollten es laut der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern (15a-Vereinbarung) sein.

Sieht man sich die aktuellen Asylstatistiken an, unterscheiden sich diese kaum von jenen des Vorjahres. Es gibt, wie auch das Innenministerium bestätigt, eine stabile Entwicklung bei den Asylzahlen. Wie kann es also dazu kommen, dass sich trotzdem Traiskirchen immer weiter füllt?

Dafür gibt es grundsätzliche sowie aktuelle Erklärungsansätze. Mit 1. Jänner dieses Jahres wurde der Instanzenzug im heimischen Asylwesen wieder einmal geändert, nun ist das Bundesamt für Asyl als erste Instanz sowie das neu geschaffene Bundesverwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof als zweite und dritte Instanz für die Entscheide zuständig. Die Umstrukturierung bedingt derzeit einen Bearbeitungsstau mit der Folge längerer Verfahren. Deshalb verbleiben die Asylwerber derzeit auch länger in der Grundversorgung, weshalb in den Länderquartieren weniger Plätze frei werden und somit der Belag in Traiskirchen zunimmt.

Dazu kommt, als weiterer aktueller Grund, dass einige Quartiere geschlossen wurden, da diese gewissen Mindeststandards nicht entsprachen. Zwar scheiterte ein gemeinsamer Beschluss aller Bundesländer für derartige Mindeststandards, weshalb sich einige Länder eine solche Selbstverpflichtung auferlegten.

Debatte um Mindeststandards

Qualitätsvoller Ersatz ist jedoch nicht einfach zu finden. Tirol hat eben erst ein abgelegenes Quartier dem Bund übergeben, wo künftig nur noch kurzfristig Asylwerber untergebracht werden sollen. Ein neues Quartier für eine längerfristige Unterbringung gibt es vorerst noch nicht. Dennoch will Tirol bis Ende Juli die Quote mit 100 weiteren Plätzen in bestehenden Einrichtungen erfüllen.

Allerdings kann es auch sein, dass diese 100 Plätze im Juli nicht zur Quotenerfüllung reichen werden. Das ist dann einer der grundsätzlichen Gründe für die Situation in Traiskirchen. Wie viele Flüchtlinge die Länder aufzunehmen haben, hängt mit der Gesamtzahl der Asylwerber zusammen, und diese unterliegt großen Schwankungen. 2011 stellten 11.000 Personen einen Asylantrag, 2002 waren es mehr als 39.000, im Vorjahr 17.500. Planen lässt sich das naturgemäß nicht.

Babler will deshalb das gesamte System ändern, auch weil das Problem der Quoten-Nichterfüllung ein ständig wiederkehrendes ist. "Ich habe kein Vertrauen mehr in die Zusagen, die Versorgung der Flüchtlinge ist eine der ureigensten Aufgaben des Innenministeriums", sagt Babler.

Gesetzliche Aufteilung?

Er will keine 15a-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern, sondern eine gesetzliche Aufteilung. Gegenwärtig kann Innenministerin Johanna Mikl-Leitner auch nicht viel mehr tun, als Gespräche zu suchen oder Gipfel einzuberufen. Ein solcher Gipfel hatte vor zwei Jahren in einer ähnlichen Situation zur jetzigen 88-Prozent-Quote geführt und den Maximalbelag von 480 Personen in Traiskirchen festgelegt. Tatsächlich fasst das Flüchtlingsheim dort leicht drei bis viermal so viele Personen.

Ob es sinn- und qualitätsvoll ist, so viele Menschen in Traiskirchen unterzubringen, ist eine andere Frage, Babler will kleinere Einheiten. Nur dann könne man die Asylwerber entsprechend betreuen, ihnen Beschäftigung und Bildung bieten, "und dann gibt’s auch keine Probleme, das sage ich allen Bürgermeistern". Asylquartiere in der eigenen Gemeinde will dennoch so gut wie niemand, weshalb Babler auch nicht mehr die Länder, sondern einer Kommission des Innenministeriums die Quartiersuche überantworten will. Das sei objektiver, sagt Babler. Und überhaupt: Es seien nur etwa 23.000 Flüchtlinge bei insgesamt 8,5 Millionen Einwohnern in Österreich. "Bei so wenig Flüchtlingen so ein Drama zu machen, ist einer entwickelten Demokratie nicht würdig."