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Innovationsstandort der Mittelklasse

Von Eva Stanzl

Politik

Im Bereich Innovation droht Österreich ein Stillstand im Mittelfeld, kritisiert Wifo vor den Alpbacher Technologiegesprächen.


Wien. Wie leistungsfähig ist der Forschungs- und Innovationsstandort Österreich? Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), sieht Erfolg und Stagnation zugleich: "Österreich ist ein Erfolgsmodell aufgrund von raschem Wachstum und einer aktiven Leistungsbilanz. Aber wir stehen an einer Weggabelung mit der Gefahr des Stillstands", sagte er am Montag bei der Präsentation der Wifo-Studie zum Thema Österreich als Technologiegeber im Vorfeld der Alpbacher Technologiegespräche. "Im EU-Innovationsranking sind wir von Platz sechs auf Platz zehn abgefallen. Somit bleiben wir gut im Mittelfeld, aber von den führenden Ländern Finnland, Schweden oder der Schweiz weit entfernt", sagte Aiginger.

Österreich wollte bis 2020 eine Forschungsquote von 3,76 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Derzeit liegt das Land aber bei 2,9 Prozent. Mit gegenwärtigen Budgets ist das Forschungsziel laut Experten nicht erreichbar. Forschungsrat-Chef Hannes Androsch beziffert den zusätzlichen Finanzierungsbedarf für Grundlagen- und angewandte Forschung mit 400 Millionen Euro. Auch Heinrich Schmidinger, Chef der Universitätenkonferenz, pocht auf mehr Mittel. "Sollte das Budget der Universitäten in der dreijährigen Periode ab 2016 nicht signifikant aufgestockt werden, werden die großen Sprünge ausbleiben", betonte er mit Verweis auf den Konnex von Rahmenbedingungen und internationaler Positionierung. Die Regierung habe es in der Hand, eine Abwärtsspirale als Folge eines drohenden Sparkurses zu verhindern und die Unis, die Wertschöpfung erzeugen, finanziell ausreichend auszustatten.

Im Shanghai Uni-Ranking sind statt wie im Vorjahr sieben nur noch sechs heimische Hochschulen in der Rangliste der 500 besten Unis vertreten. Die Uni Wien blieb auf den Plätzen 151-200 (ab Platz 101 wird in 50er-Schritten gereiht), die Uni Innsbruck und die Medizin-Uni Wien auf den Rängen von 201-300. Auf den ersten 18 Plätzen finden sich mit Ausnahme der britischen Hochschulen Cambridge (fünf) und Oxford (neun) ausschließlich US-Universitäten.

Weltmarktführer bei Autobau und Metallwaren

Auch bei Anwendungen und in der Produktentwicklung müsse Österreich sich verbessern, hob Aiginger hervor. Zwar würden immerhin zwei Drittel der Forschungs- und Technologieförderungen des Verkehrs- und Technologieministeriums (BmVit) in die Stärken des Standorts fließen: Österreich sei Weltmarktführer und Technologietreiber im Bereich Maschinenbau, Fahrzeugbau, Metallwaren, innovative Werkstoffe und Umwelttechnologie. Es bestehe aber das Potenzial für mehr. Aiginger zufolge könnte Österreichs Wettbewerbsfähigkeit durch einen Ausbau seiner Stärken verbessert werden - forschungs- und technologieintensive Bereiche sollten in dynamische Märkte geführt werden. Ziel sei eine "Spezialisierung ohne Über-Spezialisierung".

Reichen bestehende Fördermittel dafür aus? Verkehrs- und Technologieministerin Doris Bures betonte bei der gemeinsamen Pressekonferenz, es sei Kunst und Aufgabe in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, dort zu investieren, wo man Forschung und Standort stärke und die Arbeitslosigkeit bekämpfe. In anderen Bereichen müsse man ganz offen überlegen, "mit welchen Auswirkungen man Einsparungspotenziale vornehmen kann". Bei Forschung und Innovation halte sie allerdings nichts von einer "Loch auf, Loch zu"-Politik, sondern sehe eher Einsparungspotenzial bei Räumlichkeiten.

Insgesamt stehen dem BmVIT 500 Millionen Euro für Technologie und Innovation zur Verfügung. Davon will es 2014 und 2015 mehr als 250 Millionen Euro an Förderungen für seinen Schwerpunkt "Industrie 4.0" zur Verfügung stellen. Es gebe einen engen Zusammenhang zwischen "Industrie 4.0" und der Breitbandmilliarde, betonte Bures. Diese müsse bei Forderungen nach mehr Mitteln für die Forschungsförderung berücksichtigt werden.

"Industrie 4.0", das Thema des Auftaktpanels der Alpbacher Technologiegespräche am Donnerstag, gilt in Fachkreisen als neue Industrierevolution. Der Begriff steht für die Verschmelzung von Produktions- und Kommunikationstechnologien. In einer Fabrik der Zukunft könnten sich Maschinen selbst steuern und Roboter sie warten. Änderungswünsche von Kunden könnten bis zum letzten Moment über Internet vorgenommen, Kleinauflagen kostengünstig erzeugt werden. Österreich müsse Sorge tragen, bei den Entwicklungen "von Anfang an vorne dabei zu sein", betonte Bures.

Verkehrsministerium und Technische Universität Wien gründen daher die erste österreichische "Pilotfabrik" für die "Industrie 4.0". Dieses realitätsnahe Modell einer Fabrik soll die Industrie bei den neuen Entwicklungen unterstützen. "Es ist ähnlich einer Operation am offenen Herzen in der Medizin", sagte TU-Rektorin Sabine Seidler: "Neue Produktionstechniken, Prototypen und die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine werden hier in der Praxis gemeinsam mit technologieintensiven Unternehmen erprobt." Die Pilotfabrik soll Anfang 2015 den Betrieb aufnehmen. Ab 2016 sollen weitere drei bis fünf Pilotfabriken ausgeschrieben werden.

Zu Personalrochaden "vielleicht Pressekonferenz"

Auf die "unweigerliche Frage", ob sie Nationalratspräsidentin werde, verwies die scheidende Verkehrsministerin Bures auf den SPÖ-Parteitag am 25. August: "Eine demokratisch legitimierte Gruppe wird in Gremien die Entscheidung treffen. Ich bin der Auffassung, dass es einer einzelnen Person nicht zusteht, solchen Entscheidungen vorzugreifen und diese zu kommentieren. Ich ersuche Sie daher, sich noch eine Woche zu gedulden. Vielleicht mache ich kommenden Montag eine Pressekonferenz", sagte die künftige Nachfolgerin der verstorbenen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Gesundheitsminister Alois Stöger soll ihr als Verkehrsminister nachfolgen und mit Sabine Oberhauser eine Ärztin dem Gesundheitsressort vorstehen. Die Personalrochade ist umstritten. Mitbeweber reagierten am Montag zurückhaltend. Dem schwarzen Klubobmann Reinhold Lopatka war über seinen Sprecher zu entlocken, dass er Doris Bures als "Kämpferin in der Sache" kenne. Für Grünen-Chefin Eva Glawischnig müsste Doris Bures für die Aufgabe als Nationalratspräsidentin einen "Rollenwechsel" vollziehen. Als Ministerin habe Bures wenig parlamentsfreundlich oder kooperativ agiert, etwa im Hinblick auf die Beantwortung parlamentarischer Anfragen. Das müsse sie ändern.