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Das lange Warten auf den Bescheid

Von Arian Faal

Politik
Wienwoche

Die Wienwoche 2014 widmet sich am Mittwoch Abend dem Verhältnis von Migration und Warten.


Wien. "Ich bin 2005 aus dem Iran nach Österreich gekommen und wollte meinen Studienabschluss nostrifizieren lassen und für drei Jahre eine Arbeit finden. Eigentlich war es nicht mein primäres Ziel, hier zu bleiben. Amerika, Kanada oder Australien standen auf meiner Prioritätenliste. Wien sollte als Zwischenstation dienen. Aber jetzt, neun Jahre später bin ich noch immer da, wie Sie sehen", erklärt der 35 jährige Perser Maziar D. im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Österreich ist zu seiner neuen Heimat geworden, auch wenn man sich "am Ende immer als Ausländer fühlt". Jedenfalls sei es immer ein Kampf gewesen, um weiter hier bleiben zu dürfen. "Man muss immer Arbeit haben. Ich habe zuerst immer einen Aufenthaltstitel von einem Jahr bekommen. Erst diesmal sind es fünf Jahre. Vielleicht bekomme ich irgendwann die Staatsbürgerschaft, wenn ich es schaffe", ergänzt er. Was ihn in seiner Zeit hier geprägt habe, sei das "ewige Warten auf irgendetwas". Wie Maziar geht es vielen Migranten. Viel Geduld und Zeit, manchmal auch die Bereitschaft, monate- oder jahrelang zu warten, müssen sie hier mitbringen, wenn sie ihre bürokratischen Wege erledigen wollen.

Missstände in der MA 35

Jedenfalls ist es ein brisantes Thema, dem sich die diesjährige Wien Woche 2014 widmet. In einem Sammelband von Nima Maleki und Sophie Uitz, der heute, Mittwoch, um 19 Uhr in der Wienbibliothek im Rathaus vorgestellt wird, nehmen die Autoren das Verhältnis von Migration und Warten und die Zustände rund um die Wartezeiten bei der Einwanderungsbehörde MA 35 genauer unter die Lupe. "Wir haben diese Broschüre nicht gemacht, um die österreichischen Einwanderungsbehörden zu attackieren, sondern um aufzuzeigen, dass die Realität von Migration oft ein jahrelanges Warten auf ein neues Leben ist", begründet Uitz ihre Intention für das Projekt. Dass damit aber manche angebliche Missstände der MA 35 aufgezeigt werden, wissen die beiden Autoren.

"In diesem Buch zeigen wir einen Spiegel des Alltagslebens von Migranten, die sich in Österreich niederlassen wollen", ergänzt Maleki. Der Band umfasst biografische und fiktive Kurzgeschichten von Betroffenen: Menschen, die zum Teil selbst nach Österreich migriert sind, sowie Interviews mit Personen, die aktuell den Einwanderungsprozess durchlaufen. In den Beiträgen geht es um gesetzliche und bürokratische und um gewollte und ungewollte Hürden, die überwunden werden müssen, wenn man zuwandern will.

Geschmückt werden die Erlebnisse mit Erfahrungen, die Menschen machen, die nach Wien migrieren. Sie erforschen die faktischen und gefühlten Seiten der Geduldsprobe Migration und beschreiben den Charakter der Stadt im Warten und Erwarten.

Ein Hotspot des Wartens ist bei jedem Versuch, sich in Wien oder anderswo in Österreich niederzulassen, die Einwanderungsbehörde. In Wien ist es die MA 35, an der kein Weg zum Aufenthaltstitel vorbeiführt.

Ein ganz besonderes Verhältnis zu den Warteräumen der MA 35 hat Gülay R. "Wer schon einmal dort war, kennt die Stimmung. Die Menschen wissen genau, dass sie mehrere Minuten oder Stunden miteinander verbringen werden. Jedes Mal sind es andere Mitstreiter, doch die kalte Atmosphäre prägt. Nervosität, Hektik und eine gewisse Angst, ob man eh den gewünschten Aufenthaltstitel bekommt, prägen die Stimmung", erklärt sie im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

"Ich habe hier für meine Kinder aus erster Ehe und für mich selbst die Staatsbürgerschaft beantragt. Es war ein Spießrutenlauf. Warten, warten und warten. Und wehe, du vergisst etwas, dann geht das Spiel von vorne los. Einmal habe ich meinen Meldezettel im Kopierer vergessen und musste am nächsten Tag drei Stunden warten, um ihn abzuholen", resümiert die aus der Türkei stammende Friseurin.

Am meisten stört Gülay das - wie sie es nennt - Rouletteprinzip bei den Anforderungen. "Je nach dem, bei wem du bist, hast du Glück oder Pech." Auch damit befasst sich die Broschüre sehr detailliert. Ein roter Faden, der sich durch fast alle Kurzgeschichten und Interviews zieht, ist die laut Autoren allgegenwärtige Willkür an Auflagen für die Zuwanderung. Abhängig davon, mit wem gesprochen werde, würden die Anforderungen für eine Aufenthaltsgenehmigung laut den Schilderungen variieren. "Wir haben dies beim Warten auf die Aufenthaltsgenehmigung selbst erlebt. In den Wartezimmern der Behörden sind wir zahlreichen Menschen begegnet, die mit eben dieser systematischen Willkür zu kämpfen hatten. Diese Erfahrung, sowie unzählige Berichte über die Praxis der Zuwanderung nach Österreich bestätigen, dass Fehlinformation, Unberechenbarkeit, Willkür und vor allem das schier endlose Warten nicht die Ausnahme darstellen, sondern Bestandteil des Systems sind", so die Autoren. Die erste Auflage der Broschüre in Höhe von 3000 Stück wurde übrigens bereits vor der MA 35, vor Meldeämtern und im AMS verteilt. Dabei hat einer der Migranten, der die Broschüre bekam, die Rückmeldung gegeben, dass ihre Betreuerin gemeint hätte, dass dies eine Schande sei. Die kritisierte MA 35 war für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar. Wie die "Wiener Zeitung" aber aus informierten Kreisen erfuhr, war die MA 35 derart verärgert über die Broschüre, weil sie "darin durch den Kakao gezogen würde". Außerdem wurde auf den Direktor der Wienbibliothek des Rathauses enormer Druck ausgeübt, die Veranstaltung nicht dort abzuhalten.

"Sind uns Problematik bewusst"

Aus dem Büro der zuständigen Stadträtin Sandra Frauenberger hieß es zu der Debatte, dass die MA 35 die größte Einwanderungsbehörde mit einem Kundenaufkommen von über einer Million pro Jahr sei. Es sei klar, dass bei so vielen Kunden immer wieder Konfliktpotenzial entstünde. "Wir sind uns der Problematik bewusst und gehen die Dinge nach und nach an. Mit dem Abteilungsleiterwechsel heuer wurden schon einige Hebel in Bewegung gesetzt", so Frauenberger.