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Das Geld der Saudis

Von Clemens Neuhold und Arian Faal

Politik

Die Regierung will den Einfluss Saudi-Arabiens auf Islam-Vereine beschränken. Das Wiener "Zentrum für Dialog" bleibt davon unberührt.


Wien. Der Neuentwurf des Islamgesetzes sieht ein Finanzierungsverbot von Islam-Vereinen durch ausländische Gelder vor. Integrationsminister Sebastian Kurz will dadurch den ausländischen Einfluss schwächen und den österreichischen Islam stärken.

In der Praxis geht es um die Türkei und Saudi-Arabien. In der Türkei verwischt Präsident Recep Erdogan die Grenzen zwischen Politik und Religion zunehmend. Der finanzielle Einfluss der Türkei auf 65 Moscheevereine in Österreich schafft somit auch eine politische Einflusssphäre - und Unbehagen bei der österreichischen Regierung. Bei Saudi-Arabien gehen die Bedenken tiefer. "Saudische Gelder fließen in salafistische Strukturen in Europa. Obwohl nicht nachvollziehbar ist, ob das Geld von staatlicher Seite stammt oder von einflussreichen Einzelpersonen", sagt der Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt Politik und Islam, Thomas Schmidinger.

Salafisten (in Saudi-Arabien: Wahhabiten) huldigen der Urform des Islam und ihren Scharia-Gesetzen. Es gibt eine puristische, nicht gewaltbereite Strömung, die bis in Wiener Kindergärten reichen soll. Und es gibt eine dschihadistische Strömung. Letztere gilt als Nährboden für islamistischen Terrorismus, wie ihn etwa der "Islamische Staat" (IS) in Syrien derzeit täglich vorführt.

Völlig unbehelligt von der Finanz-Debatte scheint das König-Abdullah-Zentrum für Dialog (KAICIID) in Wien. Von Saudi-Arabien, Spanien, Österreich und dem Vatikan 2012 gegründet, soll es der Verständigung der Religionen dienen. Der Verfassungsrechtler Theo Öhlinger hat in seiner Kritik am Islamgesetz die Frage aufgeworfen, warum die Finanzierungsvorschriften für Vereine nur für Moscheen, nicht aber für das KAICIID gelten. Der Staat Saudi-Arabien ist mit 15 Millionen Euro Hauptsponsor.

Das Zentrum sagt, es sei keine religiöse Vereinigung, sondern eine internationale Organisation wie EU oder UNO. Doch wie steht es um die politische und moralische Legitimation?

Kritiker wie die Grünen sehen das Zentrum von Anfang an als Feigenblatt der Saudis für religiöse Intoleranz daheim (etwa Verbot des Christentums, von Bibeln, von Frauen am Steuer, Haft und Peitschenhiebe für Schwule).

"Weitgehend inaktiv"

Umso aktiver tritt das Dialogzentrum in Wien islamistischen Extremismus entgegen - könnte man meinen. Schmidinger bezeichnet es als "weitgehend inaktiv": "Die tun im Moment fast gar nichts."

Der "Islamische Staat" in Nordsyrien und dem Nordirak wurde im Juni ausgerufen; am 22. August kündigte Vize-Generalsekretärin Claudia Bandion-Ortner an, eine "internationale Front gegen IS" aufstellen (Bandion-Ortner war ÖVP-Justizministerin, die ÖVP hat das KAICIID im Parlament mitbeschlossen). Am 21. August hatte der Grüne Bundesrat Efgani Dönmez die fehlende Distanzierung zum IS angeprangert.

Am 25. September erklärte Außenminister Kurz am Rande der UN-Generalversammlung, "das Wiener Dialogzentrum soll eine gemeinsame Erklärung aller dort vertretenden Weltreligionen herausgeben, mit der die Verbrechen der IS-Terroristen scharf verurteilt und die Ablehnung dieser Barbarei als gemeinsame Aufgabe aller Religionen herausgestrichen wird". Ein entsprechendes Statement folgte auch prompt auf der Homepage.

"Darf kein Feigenblatt sein"

Nun sagt Bandion-Ortner zur "Wiener Zeitung": "Wir veranstalten demnächst eine Konferenz, um herauszufinden, wie man in der Region einen gemeinsamen Sinn für soziale Verantwortung, Bürgerrechte und Bürgerpflichten stärken kann." Eine gewagte Themenwahl für ein Kriegsgebiet mit Völkermordkomponente.

Auf die Frage, wie sich der IS so ausbreiten konnte, meint sie: "Wir sind ein Dialogzentrum und diese Analyse fällt nicht in unsere Expertise." Gefragt danach, welchen Plan der Geldgeber Saudi-Arabien verfolge, meint sie: "Das weiß ich nicht." Und warum sich das Abdullah-Zentrum nicht auch um die Menschenrechte in den arabischen Golfstaaten kümmert? "Das sollten Sie die Regierungsautoritäten in den Golfstaaten fragen. Wir sind ein Dialogzentrum. Unser Job ist, die Menschen zu einem Dialog zu bewegen."

Parteikollege Kurz sieht diese Fragen nicht derart getrennt voneinander: "Das Wiener Zentrum soll kein Feigenblatt sein. Der Erfolg des Zentrums misst sich letztlich daran, inwieweit der gegenseitige Respekt der Religionen auch in die Tat umgesetzt wird. Die freie Ausübung der Religion ist in Saudi-Arabien bis dato rechtlich nicht realisiert", sagte er in seiner Adresse an das KAICIID.

Der Eindruck, das Zentrum tue nichts, sei falsch, sagt Bandion-Ortner. Kurz sei Anfang September über die geplante Konferenz informiert worden. Mitte August habe man die Suche nach Dialog-Partnern der UNO mitgeteilt. Wann die Konferenz für mehr Bürgerrechte im Nahen Osten folgt, bleibt offen. An saudischem Geld für Wien wird es jedenfalls nicht Mangeln. Das hat übrigens Tradition. Die einzig große Moschee Österreichs, das Islamische Zentrum (IZ) in Wien Floridsdorf, wurde in den 70er Jahren von den Saudis errichtet.