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Stolz zusammenaddierte Diskutanten

Von Eva Zelechowski

Politik
Stolz auf Lipizzaner?
© stolzdrauf.at

Kann eine Low-Budget-Kampagne in zwei Wochen tatsächlich alle Österreicher erreichen?


"6,5 Millionen diskutieren über Stolz." Mit dieser Schlagzeile zur aktuellen, gut gemeinten Integrationskampagne #stolzdrauf überraschte zumindest die Gratis-Zeitung "Heute" am Freitag. Diskutieren wirklich 6,5 Millionen über Stolz? Wie kommen solche Erfolgsmeldungen eigentlich zustande?

Das Außenministerium klärte auf Anfrage der "Wiener Zeitung" auf: Seit dem Start der Kampagne vor zwei Wochen habe man über drei Kanäle für ein bisschen Mehr an Heimatgefühl in der Bevölkerung geworben: Im ORF liefen Fernsehspots, auf Facebook konnte man auf Werbebanner klicken und in heimischen Tageszeitungen Anzeigen lesen. Prominente und "Normalos" erzählten, worauf sie in Österreich stolz wären. Es gab positive Reaktionen (siehe Pro), aber auch Kritik und Shitstorms.

Wie wurden nun 6,5 Millionen erreicht - oder gar 6,5 Millionen zum Diskutieren bewegt? Die Zahlen kamen jedenfalls nicht durch eine professionelle Medienanalyse zustande, wie ein Anruf bei der "Media Analyse" ergab.

Simple Mathematik

Wie also kam die Zahl zustande? Durch Simplifizierung der "Heute"-Redaktion? Die Zeitung beruft sich auf Angaben des Außenministeriums, wonach "6,5 Millionen Menschen erreicht wurden".

Das Außenministerium erklärt das erreichte Millionenpublikum mathematisch: man kam durch eine Addition der Reichweiten von "Krone", ORF und Co. auf 6, 5 Millionen. Ein Inserat in der "Krone" kann theoretisch alleine schon von 2,6 Millionen Lesern gesehen werden. Aber Reichweite allein bedeutet noch keine Leser - oder gar diskutierende Leser.

Vielleicht ist die Reichweite sogar noch größer, aber das Außenministerium konnte am Freitag keine detaillierte Auskunft darüber geben, wie viele TV-Spots oder Anzeigen überhaupt geschaltet wurden.

Wie realistisch ist die Behauptung, dass 6,5 Millionen über #stolzdrauf debattieren? Damit der Großteil der österreichischen Bevölkerung über eine Kampagne spricht, müsste schon sehr viel Geld hineinfließen.
Außerdem müsste man das Leserpotenzial müsste man auch noch weiter differenzieren: Wie sieht es mit Übernschneidungen aus, wenn ich ORF schaue und gleichzeitig "Krone"-Abonnent bin?

"Wir haben Herrn Gabalier gewählt, da er mit 470.000 Facebook-Fans eine Masse erreicht", sagte das Außenministerium zur "Wiener Zeitung". Doch funktioniert das auch? Wenn man Admin-Zugriffsrechte zu einer Facebook-Fanpage (in diesem Fall von Andreas Gabalier) hat, lässt sich analysieren, wie viele Social-Media-Nutzer und Nutzerinnen über ein bestimmtes Thema sprechen.

Man könne jedenfalls aber nicht davon ausgehen, dass diese knappe halbe Million Facebook-Fans auf den Link der Kampagne klicken und sich sodann aufgeschlossen informieren. Da Facebook algorithmisch vorgeht, werden je nach Trends in die Timeline der User gespült - unabhängig davon, ob sie die Seite geliked haben oder nicht. Theoretisch können zwischen 20.000 und fünf Millionen Nutzer erreicht werden. 

Abgeflaut und vervierfacht

Schon in der ersten Woche der PR-Kampagne gab das Büro von Außenminister Kurz bekannt, dass die Botschaft bei 1,5 Millionen Menschen angekommen sei. Auch die meisten Facebook-Interaktionen mit Shares und Likes gab es demnach in der ersten Woche. 50.000 Personen luden sich bisher die #stolzdrauf-App herunter - die meisten ebenfalls in der ersten Woche. "Danach flaute es ab", hieß es aus dem Außenministerium.

Wenn die Leser vor allem in der ersten Woche rege Anteilnahme zeigten, dann wäre eine nochmalige Vervierfachung der Reichweite auf 6,5 Millionen diskutierende Leser in der zweiten Woche in der Tat bemerkenswert.

"Heute"-Bericht