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Wirtschaftskammer ist nicht abgesandelt

Von Reinhard Göweil und Rosa Eder-Kornfeld

Politik

Wirtschaftskammern und Fachverbände verfügen jährlich über fast 850 Millionen - Wirtschaftsbund (ÖVP) gewinnt WKO-Wahl.


Wien. "Die Wirtschaftskammern haben gewählt, der Wirtschaftsbund (ÖVP) hat seine Spitzenposition dabei behauptet. Und finanziell präsentiert sich diese Kammer-Organisation ganz und gar nicht abgesandelt. Denn die jüngst bekannt gewordenen 650 Millionen Euro jährliches Budget sind gar nicht alles, wie sich nun herausstellte. Bei der parlamentarischen Anfrage an das Wirtschaftsministerium durch die Neos wurden nämlich die nach Branchen organisierten Fachverbände und Fachgruppen nicht abgefragt - und folglich auch nicht beantwortet. Diese Fachverbände verfügen noch einmal über ein jährliches Budget von fast 200 Millionen Euro, wie interne WKO-Berechnungen zeigten. Das Geld stammt aus einer Grundumlage, die zur Kammerumlage I und II dazukommt. Insgesamt kommen so also etwa 850 Millionen Euro jährlich zusammen.

Eigene Rechtspersönlichkeiten

"Die Fachverbände und Fachgruppen sind eigene Rechtspersönlichkeiten, wir können denen nichts vorschreiben. Dass sie bei der Anfragebeantwortung nicht erfasst wurden, ist daher völlig korrekt", sagte WKO-Sprecher Rupert Haberson. Die Sprecherin von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner verwies auf die Kammer. "Wir wissen das nicht."

Organisatorisch sind diese Fachverbände und -gruppen eng mit der Wirtschaftskammer verflochten. Sie sitzen in den Kammern, deren Mitarbeiter und Funktionäre sind mit wko.at-Adressen ausgestattet. Diese Fachverbände verfügen zudem über finanzielle Rücklagen in unbekannter Höhe, die nicht in den 685 Millionen der Kammern enthalten sind. Der größte Ausgabenbrocken mit 100 Millionen Euro ist die Außenhandelsorganisation.

Die Wahl in den Wirtschaftskammern hat am Freitag mit einem Sieg des Wirtschaftsbundes (ÖVP) geendet. Auch in Wien wurde die Absolute erfolgreich verteidigt.

Dort konnte der Wirtschaftsbund seine, wenn auch knappe, Mehrheit um 0,3 Prozentpunkte auf 50,61 Prozent ausbauen. Einen deutlichen Verlust von 29,7 auf 20,47 Prozent musste der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband (SWV) hinnehmen. Die erstmals angetretene Neos-Liste Unos kam auf 6,12 Prozent.

Höhere Wahlbeteiligung

Zulegen konnte auch die Grüne Wirtschaft, sie erreichte 12,87 Prozent (2010: 9,4 Prozent). Auch die Liste "FPÖ pro Mittelstand" konnte sich über Zugewinne freuen (5,32 Prozent; 2010: 2,7 Prozent). Die "Parteifreie Wahlgemeinschaft Fachliste-RFW" verlor dagegen deutlich und kam lediglich auf 1,26 Prozent (2010: 4,7 Prozent). Die Wahlbeteiligung bei der Wirtschaftskammerwahl in Wien stieg von 29,4 Prozent im Jahr 2010 auf 31,23 Prozent.

"Große Freude" herrschte beim Vorsitzenden des Wiener Wirtschaftsbundes, Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck, über das Abschneiden seiner Fraktion. "Den ein oder anderen Punkt, der uns schmerzt", gestand der Vorsitzende des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands, Fritz Strobl, ein. Landessprecher Hans Arsenovic von der Grünen Wirtschaft sprach von einem "sensationellen Ergebnis". "Wir haben sehr stark zugelegt, da herrscht große Freude", so Arsenovic. "Wir konnten sogar mehr erreichen als bei der letzten Landtagswahl.

"Als "wirkliche Sensation" bezeichnete Markus Ornig von den Unos das Abschneiden seiner Fraktion. Er sah die Unos mit dem Erreichen von 6,12 Prozent beim ersten Antritt als "Wahlsieger".

Zwei Mandate für Unos

Der ÖVP-Wirtschaftsbund wird im Wiener Wirtschaftsparlament mit 49 Sitzen vertreten sein. Der SWV kommt auf 23 Mandate, und die Grüne Wirtschaft erreicht sieben Mandate. Die Liste "FPÖ pro Mittelstand" kommt auf vier Mandate. Die Unos werden mit zwei Sitzen vertreten sein, ebenso der RFW.

Beim Wirtschaftsbund herrschte nicht überall Jubelstimmung. Als um 13 Uhr die Kärntner Wirtschaftskammer als Erste ihr Wahlergebnis lieferte, war die Welt noch in Ordnung. 64 Prozent der Stimmen gab es dort für den Wirtschaftsbund, nach 61,4 Prozent bei der Kammerwahl 2010. Dann der erste Dämpfer: In Oberösterreich verlor der Wirtschaftsbund 9,8 Prozentpunkte und landete bei 65,4 Prozent. Besonders starke Verluste gab es in der Sparte Information und Consulting, in der überdurchschnittlich viele EPUs vertreten sind.

Neue Listen erfolgreich

Es folgte Salzburg: ein Rückgang von 77,2 auf 68,6 Prozent (minus 8,6 Prozentpunkte). Erstmals angetreten ist in Salzburg die von der FPÖ unterstützte Freiheitliche Wirtschaft Salzburgs, die es auf Anhieb auf 7,6 Prozent der Stimmen und 52 Mandate schaffte. Die ebenfalls zum ersten Mal kandidierenden Unos schafften mit 1,9 Prozent und elf Mandaten auch den Einzug ins Kammerparlament.

Im Burgenland wiederum konnte die Absolute des Wirtschaftsbundes von 70,3 auf 71,3 Prozent der Stimmen noch weiter ausgebaut werden. Der Wirtschaftsbund Niederösterreich sank unter die Dreiviertelmehrheit, bleibt aber mit 72,87 Prozent der Stimmen (2010: 78,63 Prozent) klar die dominante Kraft.

Verluste wurden für die Hausmacht der Kammer auch in der Steiermark (von 76,0 auf 68,5 Prozent) der abgegebenen Stimmen und in Tirol (von 80,2 auf 77,24 Prozent) gemeldet. Die Wählergruppe "Vorarlberger Wirtschaft" verteidigte bei der Wirtschaftskammerwahl in Vorarlberg ihre unumstrittene Führungsposition mit 81,74 Prozent (2010: 88,2 Prozent) der Stimmen.

Das bundesweite Ergebnis der Wirtschaftskammerwahlen war bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch ausständig.