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"Es ist keine Gesamtschule"

Von pech

Politik

Unterrichtsministerin Heinisch-Hosek will die Neue Mittelschule weiterführen und verbessern.


Wien. Ein ernüchterndes Ergebnis förderte der von der Regierung in Auftrag gegebene Evaluierungsbericht zur Neuen Mittelschule zutage: Das Leistungsniveau liegt nicht über jenem von Hauptschulen, teilweise sogar darunter. Es gebe auch keine höhere Bildungsgerechtigkeit. Einzig bei der Gewaltbereitschaft der Schüler sei ein Rückgang zu verzeichnen. So lässt sich der Bericht der Universität Salzburg unter Leitung des Erziehungswissenschafters Ferdinand Eder kurz zusammenfassen.

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) plädierte am Mittwoch in einer Aussendung für eine "Weiterführung und noch bessere Umsetzung" der Neuen Mittelschule. Diese sei "ein starkes und gutes Projekt". Die Evaluierung der Schulform habe "gezeigt, wo noch nachzubessern ist, doch die deutliche Verbesserung des Schulklimas und der Schulkultur zeigen den richtigen Weg".

Für die Ministerin hat die Evaluierung gezeigt, dass es bei der Umsetzung des pädagogischen Konzepts der NMS "große Unterschiede zwischen den Standorten" gegeben habe. "Je vollständiger das pädagogische Konzept der NMS umgesetzt wird, desto stärker fallen die Leistungssteigerungen aus." Schulklima und Lernkultur hätten sich durch die NMS-Einführung deutlich verbessert, das Problem der "sozialen Selektion von Schülerinnen und Schülern nach der vierten Schulstufe bleibt aber weiterhin bestehen". Damit bezieht sich die Ministerin darauf, dass neben der NMS auch noch die Hauptschule und die AHS-Unterstufe zur Wahl steht - es sich bei der NMS eben nicht um eine Gesamtschule handelt. Deshalb kommt es auch nicht zu einer späteren Selektion der Kinder und auch nicht zu einer besseren Durchmischung der Schülerpopulation in den Klassen.

Tatsächlich geht es jetzt darum, dass alle Hauptschulen bis zum Schuljahr 2018/19 in NMS umgewandelt sein sollen. Das Konzept der NMS wird dabei häufig nicht oder nur sehr unvollständig umgesetzt.

Unter den Kernelementen des NMS-Konzepts verstehen die Studien-Autoren allgemein die Öffnung des Unterrichts. Im Speziellen ist damit etwa die Umsetzung neuer Unterrichtsmethoden wie beispielsweise Projektunterricht, ein hohes Ausmaß an Selbstständigkeit der Schüler im Unterricht, das Vorhandensein von Wahlmöglichkeiten, die Umsetzung von individueller Förderung und das Bestehen einer Sozialkultur gemeint. In mehr als der Hälfte der untersuchten Schulklassen sind die Merkmale der NMS nur "durchschnittlich" oder kaum ausgeprägt, wie der Bericht zeigt.

Opposition hält NMS geschlossen für gescheitert

Bildungsexperten raten dazu, jetzt die NMS nicht zu stoppen und wieder ein neues Konzept zu entwickeln, sondern das ursprüngliche Konzept der NMS umzusetzen. Man müsse Schule auch einmal zur Ruhe kommen lassen, sagte etwa die Erziehungswissenschafterin Ilse Schrittesser.

In der Politik ist der Tenor sehr klar: Die Opposition sieht die NMS geschlossen als gescheitert an. Die ÖVP, die die Evaluation immer gefordert hatte, um die NMS zu Fall zu bringen, will die NMS nun nicht mehr stoppen, wie Wissenschaftsstaatssekretär Harald Mahrer sagte. Er will aber die Qualität erhöhen.

Für FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz ist "das Vorzeigeprojekt sozialistischer Bildungsreformwut mit Bomben und Granaten durchgefallen". Er hält die Bildungsministerin für rücktrittsreif.

Harald Walser, Bildungssprecher der Grünen, bezeichnete die NMS als Geldvernichtung. Nun brauche es einen nationalen Schulterschluss für eine Gesamtschule. Für Neos-Chef Matthias Strolz ist die NMS tot. Für das Ziel der mündigen Schule forderte er jetzt Schulautonomie ein.

Worin unterscheidet sich die Neue Mittelschule von einer Hauptschule?

Hauptunterschied sind die vom Bund finanzierten sechs Zusatzstunden für "pädagogische Fördermaßnahmen" in den Gegenständen Mathematik, Deutsch und Englisch. Diese können für die Besetzung dieser Fächer mit je zwei Lehrern (Teamteaching) eingesetzt werden oder für Individualisierung, differenzierten Unterricht, Begabungs- und Begabtenförderung, inklusive Pädagogik, Förderung in temporären Schülergruppen sowie Förder- und Leistungskurse. In der dritten und vierten Klasse wird in Deutsch, Mathe und Englisch im Zeugnis ausgewiesen, ob der Schüler sich nur Basiswissen ("grundlegende Allgemeinbildung") oder komplexeres Wissen ("vertiefte Allgemeinbildung") aneignen konnte - Basis die Übertrittsmöglichkeiten in weiterführende Schulen.

Ist die NMS eine Gesamtschule?

Nein, weil es parallel dazu auch noch die Hauptschule (bis zum Schuljahr 2018/19, dann sind alle Hauptschulen in NMS umgewandelt) und die AHS-Unterstufe gibt.

Warum ist die NMS teurer als Hauptschule und AHS-Unterstufe?

Laut Rechnungshof betrugen Lehrerpersonalkosten pro Schüler an den NMS 7200 Euro, an Hauptschulen 6600 und an AHS-Unterstufen 4700 Euro. Grund: In NMS gibt es im Vergleich zu Hauptschulen sechs Zusatzstunden und im Vergleich zu den AHS kleinere Klassen.

Müssen an der NMS auch AHS-Lehrer unterrichten?

Nein. In der Schulversuchs-Phase war zwar vorgesehen, dass Bundeslehrer (AHS oder BMHS) an den NMS unterrichten. Mit der Überführung ins Regelschulwesen 2013 entfiel dieses Kriterium.

Schaffen NMS-Absolventen höhere Bildungsabschlüsse als Hauptschüler?

Das kann man noch nicht sagen. Zwar erreichten mehr NMS-Absolventen die Berechtigung für den Besuch einer höheren Schule als zuvor die Hauptschüler an den jeweiligen Standorten. Da die ersten Schüler aber erst 2012 die NMS verließen, können sie noch keine Matura erworben haben.