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"Unterrichtsministerium ohne Plan"

Von Bettina Figl und Brigitte Pechar

Politik

Keine Umsetzungsstrategie, schlecht vorbereitete Sitzungen - so beschreibt die ÖVP die Arbeit des Unterrichtsministeriums für die Bildungsreformgruppe. Häupl folgt Niessl in dieser Gruppe, die ÖVP sucht noch Ersatz für Pröll.


Wien. Trotz des überraschenden Ausstiegs der beiden Landeshauptmänner Hans Niessl (SPÖ) und Erwin Pröll (ÖVP) soll bis Ende des Jahres die Bildungsreform stehen. Das betonten Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (beide SPÖ) am Donnerstag. Mit dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) wird "ein extrem engagierter Mensch" Niessls Platz übernehmen, kündigte Ostermayer an. Dieser war zuletzt nicht durch Sensibilität beim Bildungsthema aufgefallen: "Wenn ich 22 Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig" war sein Kommentar zur diskutierten Erhöhung der Wochenarbeitszeit der Lehrer um zwei Stunden gewesen.

Die ÖVP ist verärgert

In der ÖVP ist derzeit noch völlig unklar, wer Pröll in der Reformgruppe nachfolgen soll. Jedenfalls nicht Landeshauptmann Josef Pühringer, der mit 1. Juli den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz übernommen hat. Der hat im September eine Landtagswahl zu schlagen und kann sich nicht noch zusätzlich mit Aufgaben belasten. Die Bestimmung der Pröll-Nachfolge sei Sache der Bundespartei, die Landeshauptleutekonferenz habe damit nichts zu tun, ließ Pühringer wissen. Heinisch-Hosek und Ostermayer gehen davon aus, dass wieder ein Vertreter der Länder in die zu jeweils gleichen Teilen aus Regierungs- und Ländervertretern besetzte Gruppe nachrücken wird.

Was aber hat die beiden Landeshauptleute zu dem Ausstieg bewegt? In der ÖVP herrscht Verärgerung darüber, wie die Bildungsreform im Unterrichtsministerium aufbereitet wird. Es gebe keinen Projektplan mit einer Umsetzungsstrategie. Die Sitzungen der politischen Arbeitsgruppe seien schlecht vorbereitet, heißt es. Das und der schon zuvor geplatzte Asylgipfel haben Pröll sehr wahrscheinlich das Gefühl gegeben, dass er in Wien nur Zeit verliere. Pühringers Erklärung lautet, Niessl und Pröll seien nicht aus der Reformgruppe ausgeschieden, weil sie gegen eine Reform des Bildungssystems seien. Sie hätten lediglich nicht an eine Bildungsreform unter Heinisch-Hosek geglaubt.

Heinisch-Hosek wiederum vermutet, dass die viel diskutierte Zuständigkeit für die Lehrer hinter dem Ausstieg steckt - schließlich hatten Niessl und Pröll immer wieder darauf gepocht, dass die Lehreragenden Ländersache werden sollen. Für Schüler und Eltern sei es aber uninteressant, warum die Landeshauptleute aus der Reformgruppe ausgestiegen sind. Die Frage der "Verländerung" steht für die Bildungsministerin angesichts wichtiger Fragen wie der Ganztagsschule oder Schulautonomie am Ende des Prozesses. Mit Blick auf die Reform spiele diese Frage eine nachgeordnete Frage, sagte auch Ostermayer - wenn auch eine mit gewissem "Matchcharakter".

Pröll selbst hatte seinen Austritt damit erklärt, dass er keine ernsthaften Bemühungen, diese Reform wie geplant durchzuführen, erkennen konnte. Alle anderen Ländervertreter blieben bislang Teil der Arbeitsgruppe, wobei Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) Verständnis für den Ausstieg seiner Kollegen zeigte. Auch der rote Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser schloss einen Austritt aus. Der Wiener Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ) - er wird Häupls Stellvertreter werden - geht davon aus, "dass die Bildungsreform jetzt mit neuem Elan angegangen wird". Anders sehen das die Oppositionsparteien: Häupls Einstieg ist für FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz "ein äußerst fatales Signal". An der Uneinigkeit hinsichtlich Strukturfragen wird sich auch nichts ändern, wenn man nur die Köpfe austauscht", glaubt Matthias Strolz, Chef und Bildungssprecher der Neos. "Inhaltlich kein Verlust" stellt das Ausscheiden Prölls und Niessls für den grünen Bildungssprecher Harald Walser dar. "Beide haben ausschließlich ihre persönliche Macht im Auge und bedienen ihre eigene Selbstherrlichkeit."

Die Lehrergewerkschaft weint den beiden Landeshauptmännern auch nicht nach: Er sei "überrascht, aber nicht besonders beeindruckt", sagte Paul Kimberger, Chef der Arge Lehrer der GÖD. "Es gibt wesentliche Themen, bei denen wir etwas weiterbringen müssen, und ich denke, das wird uns auch ohne diese beiden Herren gelingen."

Verwunderung über Zeitpunkt

Die Ziele, den Schulstandorten mehr Autonomie zu verleihen und die Ganztagsschulen auszubauen, stünden innerhalb der Regierung "außer Streit". In vielen Punkten hätte die Expertengruppe schon Einigkeit erzielt. Daher sei sie über den Zeitpunkt des Ausstiegs Niessls und Prölls verwundert, sagte die Ministerin. Bisher hat sich die Arbeitsgruppe der Regierung zweimal getroffen, am 17. November sollen erste Ergebnisse vorliegen. Die Deadline bis Jahresende mutet angesichts der jüngsten Ereignisse zwar unrealistisch an, der Termin soll aus Sicht der SPÖ jedoch halten.