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Rarität 'Hitzefrei' am Bau

Von Eva Zelechowski

Politik
Seit 2013 gilt die gesetzliche Regelung, dass bei mehr als 35 Grad Celsius das Arbeiten auf Baustellen eingestellt werden kann.

Seit 2013 gilt für Bauarbeiter ab 35 Grad Celsius gesetzlich die ‚Hitzefrei‘-Regelung – sofern der Arbeitgeber zustimmt.


Zwei Tage brütender Sommerhitze. Zwei tote Bauarbeiter in Österreich. Am Montag starb ein 56-jähriger Zimmerer auf einer Baustelle im steirischen Seiersberg, zuvor soll er über Kreislaufprobleme und Übelkeit geklagt haben. Am Tag drauf brach ein Bauarbeiter in Graz tot zusammen. Dass tatsächlich die Hitze die Todesursache war, ist nicht offiziell bestätigt. Noch stehen die Obduktionsergebnisse aus. Aber beide Männer kollabierten beim Arbeiten unter extremer Hitze im Freien.

Seit 2013 gilt die gesetzliche Regelung, dass bei mehr als 35 Grad Celsius das Arbeiten auf Baustellen eingestellt werden kann. Die Voraussetzung: der Arbeitgeber muss ‚Hitzefrei‘ geben. Für die hitzefreien Stunden erhalten die Arbeitnehmer eine Entschädigung von 60 Prozent, die aus dem Schlechtwetterfonds des BUAK (Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse) finanziert wird. "Viele Unternehmen halten sich daran", heißt es von der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH). Aber nicht alle.

"Der Chef muss das OK geben, aber kein Chef tut das"

In Wien ergab eine Anfrage an zwei Baustellen am Dienstag skeptische Reaktionen: Kein Unternehmen halte sich daran, denn "der Chef muss das OK geben und kein Chef tut das", antwortet ein schweißüberströmter Bauarbeiter am Wiener Gürtel, der mit seinen Kollegen um 16 Uhr in der brütenden Sonne mit dem Bagger den alten Asphalt aushebt. Denn nicht jede Baustelle befindet sich nachmittags im Schatten, in der Sonne steigen die Temperaturen auch schon auf mehr als 40 Grad. Bei anstrengender körperlicher Arbeit steigt das Risiko, dass der Organismus kollabiert.

Bei einer anderen – schattigeren – Baustelle in der Josefstadt, deren Arbeitgeber die Stadt Wien ist, ist ‚hitzefrei‘ ebenfalls ein Fremdwort. "Wir bekommen gratis Wasserflaschen zur Verfügung gestellt", lacht der Bauarbeiter. Im Büro von Stadträtin Maria Vassilakou verweist man auf die Verantwortung der Bauunternehmen: "Im Bereich Straßenbau ist es so, dass wir Firmen beauftragen, die ihrerseits verpflichtet sind, die gesetzlichen Regelungen im Sinne des Arbeitnehmerschutzes einzuhalten", sagt Pressesprecher Patrick Wolf. Als gesetzliche Kontrollinstanz fungiere das Arbeitsinspektorat.

Die Regelung ‚Hitzefrei‘ generell verpflichtend einzuführen, sei sicherlich schwer umzusetzen. "Dass Arbeiten wie Asphaltieren oder Betonieren fertiggestellt werden müssen, ist verständlich", sagt Thomas Trabi von der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) zur "Wiener Zeitung". Kein Verständnis zeigt er  für Entlassungsdrohungen, die ihm schon mehrmals von Bauarbeitern gemeldet wurden, wenn sie ihre Arbeit niederlegen wollten.

Nur 4,4 Hitze-Tage pro Jahr

Dass Baufirmen sich dermaßen gegen die Hitzefrei-Regelung wehren, ist im Grunde nicht nachvollziehbar. Handelt es sich doch nur um wenige Tage im Jahr. Im langjährigen Jahresdurchschnitt gebe es bundesweit 4,4 Arbeitstage mit über 35 Grad Hitze, fasst Trabi zusammen. Verhältnismäßig hoch sei dagegen das gesundheitliche Risiko für Bauarbeiter, die ohnehin bei extremer Hitze nicht die volle Arbeitsleistung erbringen könnten. Doch angesichts des Drucks, unter dem Bauunternehmen und Städteplaner für die Einhaltung ihrer Vorhaben und Projekte stehen, machen sogar diese wenigen Tage anscheinend das Kraut fett.

Also appelliert die GBH an die Arbeitgeber, ihre soziale und menschliche Verantwortung zu übernehmen. Etwa mit längeren Mittagspausen, einem Feierabend ab 14 Uhr und/oder die Mitarbeiter mit ausreichend Trinkwasser zu versorgen. Auch an die Arbeiter selbst appelliere man, gerade an  heißen Tagen mehr zu trinken, im T-Shirt zu arbeiten und besonders auf UV-Kleidung zu achten. "Wir werden unsere Kampagne verstärken und Tipps und Infomaterial an Arbeitnehmer schicken, wie man sich auch vor den Spätfolgen der UV-Bestrahlung schützen kann." Auch Arbeitgeber sollen erneut auf die Gefahren aufmerksam gemacht werden.

Seit 2013 gibt es erstmals statistische Erhebungen: 2014 gab es keinen Hitzesommer. Im Hitzesommer 2013 zählte die GBH unter 680 Firmen 24.307 hitzefreie Stunden für 8.571 Arbeiter. "Man merkt sofort, welche Firmen einen Betriebsrat haben, die auf die Arbeitsbedingungen schauen", sagt Trabi.

Anspruch auf ‚Hitzefrei‘ haben folgende Wirtschaftsklassen: Hoch- und Tiefbau, Schachtbau, Eisenbieger, Straßenbau, Güterwegebau, Brückenbau (ohne Stahlbau), Bahn- und Oberbau, Erdbau, Gewässerbau, Wildbach- und Lawinenverbauung, Feuerungstechnische Baubetriebe, Abbruchbetriebe, Holzbau, Gipser, Dachdecker, Pflasterer, Gerüstaufbau und Gerüstverleih.