
Wien. Ein Mann humpelt mit einem künstlichen Ausgang tagelang umher. Der Verband müsste längst gewechselt und der Schlauch möglicherweise entfernt werden. Papiere aus dem Spital hat er keine mehr. Er weiß nicht, was mit ihm passiert. Eine im fünften Monat schwangere Frau schläft draußen auf dem Boden. Wie auch 1500 weitere Menschen. Die sanitären Anlagen reichen längst nicht mehr für alle aus und sind daher ständig in Betrieb. "Es riecht fürchterlich."
Diese "unerträglichen" Eindrücke gewann der Rechtsanwalt Franjo Schruiff im Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen, das er als Kommissionsleiter der Volksanwaltschaft am 15. Juli inspizierte. Am Mittwoch präsentierte er sie vor Journalisten. Damals habe man 3828 Menschen dort vorgefunden (zuletzt waren es rund 4500), davon 1588 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Von diesen hatte die Hälfte kein Bett. Die Fälle passieren "mit Wissen der Behörden", sagte Volksanwalt Günther Kräuter (SPÖ).
"In meinen Augen
sind das Helden"
Erst nach Interventionen eines achtköpfigen Teams wurde der erwähnte Mann mit dem künstlichen Ausgang untersucht. Auch die schwangere Frau kam erst auf Drängen der Volksanwaltschaft ins Spital. Die große Hürde sei die Anmeldung zur Behandlung. "Wer nicht Deutsch oder Englisch kann, schafft es nicht zu dem engagierten und vielsprachigen medizinischen Team", erklärte der Arzt Siroos Mirzaei. An sich sei das Team für 4500 Menschen aber viel zu klein.
Mirzaei erzählte zudem von einer Frau, die in Traiskirchen zwei Wochen lang vergeblich ihren Mann suchte. Dieser wurde aufgrund von Tuberkulose richtigerweise ins Spital gebracht. Die Frau wurde aber wegen der Sprachbarriere erst darüber informiert, als der Arzt selbst als Übersetzer fungierte. Mirazei kritisierte auch die fehlende psychische Behandlung in Traiskirchen, die zwei derzeit Personen verrichten. Zu große Ressourcen würden in die Untersuchung zur Altersfeststellung gesteckt.
Die Volksanwaltschaft will nun das Ärzteteam mit Hilfe von Ärzte-Vereinen in Traiskirchen verstärken. Sie fordert zudem einen Aktionsplan für minderjährige Asylwerber von der Regierung .
Denn die Situation für die zahlreichen unbegleiteten Flüchtlinge sei besonders schwierig. Laut Schätzungen der Volksanwaltschaft befinden sich 3000 in Österreich. Die Hälfte davon im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen. Unbegleitete Kinder und Jugendliche "sind immer die Letzten", sagte Rechtsanwalt Schruiff.