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Kein Interesse am Wissen der Flüchtlinge

Von Jan Michael Marchart

Politik

Valide Erhebungen über die Berufsausbildung von Asylberechtigten gibt es in Österreich nicht.


Wien. Weder für das Innenministerium noch für das Flüchtlingshochkommissariat UNHCR ist ein Ende der Krise in Syrien, dem Irak oder Afghanistan absehbar. Die meisten Menschen, die von dort nach Österreich geflohen sind, werden daher bleiben. Über die konkreten beruflichen Tätigkeiten und Ausbildungen der Migranten fehlen valide Daten.

Für Österreich erwartet das Innenministerium heuer 80.000 Schutzsuchende. Fast 400 sind es am Tag. Die Zahl der Syrer steigt dabei am stärksten. Alleine im Juni kamen 2400 Personen aus dem Kriegsgebiet. Rund 90 Prozent bekommen einen positiven Asylstatus. 11.000 Syrer waren Anfang des Jahres in Österreich, was eine Verdreifachung innerhalb eines Jahres ist. Etwa doppelt so viele könnten es bis Jahresende sein. Die Zahl der Afghanen verdoppelte sich seit dem Jahr 2012 auf 17.000. Aus dem Irak kommen mittlerweile monatlich mehr als 1000 Menschen nach Österreich und stellen einen Asylantrag.

Daten werden nicht verwertet

Das Innenministerium begleitet den Flüchtling bis zum Ende des Asylverfahrens, nimmt die Daten über Beruf und Ausbildung zwar auf, verwertet sie aber nicht statistisch, wie Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck der "Wiener Zeitung" bestätigte. Dafür sei die Integrationsabteilung des Außenministeriums zuständig, die für eine Stellungnahme nicht erreichbar war. Etienne Berchtold, Sprecher von Außenminister Sebastian Kurz, konnte eine statistische Auswertung nicht bestätigen. Wie viele Köche, Lehrer oder Ärzte unter den Flüchtlingen sind, bleibt unklar.

Asylwerber mit eindeutigem Kriegshintergrund bekommen nach rund vier Monaten Asyl. Die meisten melden sich danach beim AMS und beziehen Mindestsicherung. Flüchtlinge machen aktuell rund 14 Prozent der Mindestsicherungsbezieher aus. Valide Zahlen gibt es derzeit nur über den Bildungsgrad der Migranten. Drei Viertel der Syrer und mehr als 90 Prozent der Afghanen, die beim AMS gemeldet sind, haben nur einen Pflichtschulabschluss. Das hat aber auch damit zu tun, dass Ausbildungen aus Syrien in Österreich zum Teil nicht anerkannt werden. Oder die Flüchtlinge keine Papiere bei sich tragen.

Beim AMS wird die Biografie der Migranten dann "genau nachrecherchiert", erklärte Sprecherin Beate Sprenger. Vorkenntnisse über Ausbildung und Beruf werden von den Ministerien nicht weitergeleitet. An einer Aufteilung in Berufsgruppen werde gearbeitet, sagte Sprenger.

Kurse für bessere Integration

Derzeit sind in Wien 12.100 Asylberechtigte als arbeitssuchend vorgemerkt. Das AMS Wien startet daher mit Ende August ein Pilotprojekt, um Flüchtlinge besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren. In Kursen sollen vorhandene berufliche Qualifikationen der Asylberechtigten abgeklärt werden. Rund 1000 Kursplätze soll es geben. Die Hälfte davon ist für Frauen reserviert. Konkret sieht das Projekt einen fünfwöchigen Gruppenkurs mit jeweils zehn Wochenstunden sowie Einzelcoachings vor. Derzeit sind die Angebote in den vier Sprachen Arabisch, Farsi, Russisch und Französisch vorgesehen.

Zusätzlich gebe es Projekte, die eine Lernunterstützung in der Muttersprache anbieten, um etwa einen Basis-Computerführerschein zu erwerben. Dieser wird in acht Sprachen angeboten. Wichtig sind auch Deutschkurse. Die hatte das AMS zuletzt aufgestockt. Insgesamt flossen vier Millionen Euro in die Sprachkurse.

Am Donnerstag wurden indes 93 Flüchtlinge aus Syrien, Pakistan, Afghanistan und Bangladesch am Wiener Westbahnhof von der Polizei aufgegriffen. Unter ihnen waren auch zahlreiche Familien mit Kleinkindern. Ein Teil der Flüchtlinge wollte weiter nach Deutschland. Der Zug kam aus Ungarn. Erst nach mehreren Stunden Überzeugungsarbeit der Polizei verließen sie den Bahnhof. Bis zu 150 Flüchtlinge werden laut Polizeisprecher Roman Hahslinger jeden Tag nur in Wien aufgegriffen. Auch auf der Ostautobahn (A4) in Niederösterreich wurden am Donnerstag etwa 100 Flüchtlinge ausgesetzt. Von einem vermeintlichen Schlepper fehlt laut Polizei jede Spur.

Debatte um Container-Preise

Das Parlament beschäftigt derweil der Kaufpreis für die vom Innenministerium bestellten 700 Wohncontainer für Asylwerber. Nachdem Ö1 über Beschwerden von Mitbewerbern über angeblich überhöhte Preise berichtet hatte, kündigten die Grünen eine parlamentarische Anfrage an. Das Ministerium betonte, der Preis von 12 Millionen Euro gelte nicht für 700, sondern für insgesamt 1200 Container. Im Kaufpreis enthalten seien dabei auch schon Arbeiten wie die Aufstellung sowie die Sockellegung.

Die Wiener SPÖ wies am Donnerstag einmal mehr darauf hin, dass es kein Asylproblem in der Hauptstadt gebe. 10.000 Flüchtlinge seien in Betreuung, rund 80 Prozent in Privatquartieren.