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"Ein Treffen der vergebenen Chancen"

Von Katharina Schmidt

Politik

Die SPÖ-Handschrift im Asylpapier gibt es nicht - Teile der Partei rebellieren.


Wien. Es gärt bei den Sozialdemokraten. Noch bis vor kurzem hatte es so ausgesehen, als würde die Achse der Willkommenskultur, die Parteichef Werner Faymann mit seiner Kollegin im Berliner Kanzleramt verband, notfalls auch die österreichische Koalition überdauern. Jetzt sieht es so aus, als würde die Asyldebatte vielleicht sogar Werner Faymann überdauern. Sauer genug sind jedenfalls viele der Genossen. Was ist dazwischen passiert?

Zuerst einmal kam Köln. Nach den Übergriffen in der Silvesternacht kippte die Stimmung, Angela Merkels Satz "wir schaffen das" verhallte im Nirgendwo. Binnen kürzester Zeit kündigte die deutsche Regierung eine Gesetzesänderung an, die die Ausweisung straffällig gewordener Asylwerber vereinfachen soll. Immer öfter stranden Asylwerber an der Grenze, weil der Nachbar sie nicht einlässt. Weitere Verschärfungen in Ton und Legistik werden folgen.

Und dann kam Bad Leonfelden. Während Faymann weiterhin auf den schwindenden Rückhalt Merkels und eine europäische Lösung hoffte, bastelte die Volkspartei ostentativ an einem Plan B in Sachen Asyl. In bewusst gewählter martialischer Sprache, die an jene auf FPÖ-Wahlplakaten erinnerte, erneuerten die Schwarzen ihren Wunsch nach Obergrenzen, strengeren Anerkennungsregeln (Asyl auf Zeit) und Streichungen bei den Sozialleistungen. Die SPÖ-Spitze hingegen blieb unklar in ihren Aussagen: Obergrenzen Nein, dafür eine Unterscheidung zwischen Wirtschafts- und Kriegsflüchtlingen, vielleicht auch die Aussetzung von Schengen, lautete der Tenor.

Und dann kam Wien. Das Ergebnis des Asylgipfels vom Mittwoch war ebenso absehbar wie für Teile der SPÖ eine herbe Enttäuschung. Die rote Handschrift sucht man vergeblich. Außer dass die ÖVP dem Koalitionspartner den Begriff "Richtwert" statt "Obergrenze" zugesteht.

Kein Wunder also, dass der Grant auf die Parteispitze in gewissen Teilen der SPÖ groß ist. Vor allem in Wien, wo die Willkommenskultur am größten war, machen die Sozialdemokraten daraus keinen Hehl. "Haltung kennt keine Obergrenzen", postete etwa Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely auf Facebook. Eine Obergrenze stehe dem Menschenrecht auf Asyl diametral entgegen, sagte sie nach dem Gipfel, den sie als "Treffen der vergebenen Chancen, die Herausforderungen besser zu lösen" bezeichnete. Und: Verschärfungen könnten nicht der Weg der SPÖ sein. "Über das Vehikel der Flüchtlingsdiskussion wird hier versucht schleichend auch die Sozialstandards für Österreicher zu senken." Wien werde "trotzdem auch weiterhin einen menschenwürdigen und verfassungskonformen Weg gehen", so Wehsely. Auch ihre Kollegin, Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger, machte deutlich, dass für sie Menschenrechte keine Obergrenzen kenne. Wer vor Krieg und Hunger flüchte, habe ein Recht auf Asyl.

Sektion 8 empört,Karl Schlögl erleichtert

Eva Maltschnig, Vorsitzende der immer kritischen Sektion 8, macht im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" ihrem Ärger Luft: Die Ergebnisse des Gipfels seien "unüberlegt, strategisch blöd und zynisch", die Idee von Asyl auf Zeit sei ein "Idiotenvorschlag". "Wie will man die Obergrenzen umsetzen? Vorbei ist dieses Gespräch sicher nicht, auch in der SPÖ nicht", sagt Maltschnig. Ähnlich unglücklich ist man im Parlamentsklub. Dieser sei nicht einmal darüber informiert worden, dass Kanzleramtsminister Josef Ostermayer und Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl in Sachen Asyl verhandeln, hieß es.

Apropos Niessl: Bei alldem darf man nicht übersehen, dass es auch eine breite Basis bei den Sozialdemokraten geben dürfte, die nun jubilieren. Und zwar nicht nur in Niessls rot-blauem Burgenland. So spricht der Purkersdorfer Bürgermeister, Ex-Innenminister Karl Schlögl, wohl für viele seiner Parteifreunde, wenn er sagt: "Obergrenzen sind die absolut richtige Entscheidung, schade, dass sie erst jetzt kommen." Und: "Es braucht Mut zur Grenze." Nur, wenn man jetzt ein Signal setze, dass Österreich nicht unbegrenzt Asylwerber aufnehmen kann, werde man es auch schaffen, die Betreuung für jene sicherzustellen, die schon im Land sind. Nur so werden laut Schlögl "soziale Spannungen" verhindert.

Der Grabenkampf in der SPÖ ist also noch lange nicht zu Ende, das Ergebnis des Asylgipfels hat ihn nur befeuert.