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Rechtsanwälte gegen Anlassgesetzgebung in Asylpolitik

Von Petra Tempfer

Politik

13 Novellen im Asyl- und Fremdenrecht innerhalb von nur zehn Jahren: Österreichs Rechtsanwälte legten Mängelbericht vor.


Wien. Nur ein Monat lang wurde das aktuelle Fremdenrechtsänderungsgesetz von 2015 begutachtet, bevor es in Kraft trat. Beim umfangreichen Steuerreformgesetz 2015/16 waren es lediglich zwei Wochen, bei der Urheberrechtsnovelle zehn Tage. Und das, obwohl die Mindestfrist für Begutachtungen bei sechs Wochen liegt. Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (Örak), warnte am Donnerstag vor vorschneller Anlassgesetzgebung. Vor "Speedkillern wie im Straßenverkehr", wie er sagte.

Vor allem beim Asyl- und Fremdenrecht drängt Wolff in Hinblick auf die derzeitige Flüchtlingssituation auf besser überlegte Handlungen. Die Zahlen sprechen für sich: Innerhalb von zehn Jahren wurde das Asyl- und Fremdenrecht 13 Mal novelliert.

"Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Politik versucht, Gesetze vorbeizuschummeln", sagte Wolff bei der alljährlichen Präsentation des Wahrnehmungsberichts der Anwälte. Der Örak-Präsident fordert "die Abgeordneten des Nationalrates und den Bundespräsidenten auf, Gesetze nicht zu beschließen, wenn gewisse Fristen nicht eingehalten werden".

Es brauche Mindeststandards für das Begutachtungsverfahren, sogenannte "Good-Governance-Rules", die die Einhaltung dieser Fristen regeln. Ein transparentes Gesetzgebungsverfahren setze das voraus, sagte Wolff. Auch nachvollziehbare Folgenabschätzungen sollten vorgelegt werden.

"Fieberkurve des Rechtsstaates"

Als weiteren Indikator, dass Aufholbedarf bei der Qualität der Gesetzgebung besteht, wertet Wolff die "Fieberkurve des Rechtsstaates": eine Befragung unter rund 150 Anwälten zu 30 Indikatoren, auf dessen Basis Stärken und Schwächen des heimischen Rechtsstaates erhoben wurden. Die Ergebnisse wurden gemeinsam mit dem Wahrnehmungsbericht am Donnerstag präsentiert. Im Zuge dieser Befragung schnitt der Punkt "Qualität der Gesetzgebung" nämlich am schlechtesten ab. Nur wenige Prozent hielten diese für sehr gut, etwa ein Viertel für gut, der Rest für schlecht oder sehr schlecht.

Auch bei den Punkten "Strafgerichtsbarkeit" und "Rechtssicherheit juristischer Personen" orteten die Anwälte Mängel. Die Bereiche "Qualität und Stabilität staatlicher Strukturen" und der geringe Einfluss von Korruption stachen indes positiv hervor. Im Zuge dieser "Fieberkurve" wurde die Situation in Österreich auch mit jener in Deutschland und Slowenien verglichen. Österreich landete in der Mitte. Von 100 zu erreichenden Punkten kam Deutschland auf 72, Österreich auf 57 und Slowenien auf 31.

Im Örak-Wahrnehmungsbericht, der bereits zum 42. Mal vorgelegt wurde, bekritteln die Anwälte auch den steigenden Hang zum Überwachungsstaat - zum Beispiel mittels "Bundestrojaner". Wolff erhebt "größte Bedenken, dass sich der Staat als Spion betätigt, wenn er Skype und WhatsApp überwacht" und fordert rechtliche Verschwiegenheit.

Amtsstunden gelten sogar im elektronischen Rechtsverkehr

Unglücklich sind die Rechtsanwälte laut Bericht auch mit der vom Justizministerium angepeilten Verlängerung der großen Kronzeugenregelung. Diese kommt derzeit bei Verbrechen mit einer Strafdrohung von mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe zur Anwendung (ausgeschlossen ist sie bei Sexualdelikten und Taten mit Todesfolge) zum Einsatz. Sie besagt, dass jemand, der mit den Behörden kooperiert und zur Aufklärung beiträgt, einer Anklage entgehen kann.

Die Justiz erhofft sich mit dieser 2010 eingeführten Regelung einen effizienteren Kampf gegen Korruptions- und Wirtschaftskriminalität. In der Praxis wurde diese Möglichkeit nur sehr selten in Anspruch genommen. Sie läuft mit Ende des Jahres aus, das Justizministerium will sie dennoch weiterführen -die Rechtsanwälte wollen das nicht. "Ich halte es für bedenklich, dass Kronzeugen frei von einer strafrechtlichen Verfolgung sind", so Wolff.

In ihrer Berufspraxis orten die Rechtsanwälte auch immer wieder Probleme mit der Akteneinsicht. So gibt es bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten Aktenkopien nur gegen Vorauskasse - es sei denn, man ist niederösterreichischer Anwalt.

Ebenfalls mit "Entsetzen" habe man die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs mitverfolgt, dass sogar im elektronischen Rechtsverkehr die Amtsstunden - beim Bundesverwaltungsgericht von 8 bis 15 Uhr - einzuhalten sind.