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Ökonomen beklagen beratungsresistente Politik

Von Simon Rosner

Politik

Diskussion an der WU Wien über den Spagat zwischen Forschung und Beratung und die Rolle der Medien in der Wirtschaftspolitik.


Wien. Zum Beispiel Ceta. Ja oder nein? Am Ende gibt es für die Politik nur diese zwei Optionen. Die Entscheidung dafür oder dagegen sollte dabei evidenzgestützt sein und argumentiert werden, das verlangt eine aufgeklärte Gesellschaft. Es ist ein Grund, und Ceta ist ein ganz aktueller, warum die Politik wirtschaftspolitische Beratung benötigt. Nur vom wem?

Die Wirtschaftsuniversität Wien hat versucht, das Spannungsverhältnis der Forschungsinstitutionen zwischen "akademischer Exzellenz und politischer Relevanz", wie die Veranstaltung am Mittwochabend betitelt wurde, auszuloten. Geladen war dabei einer, der in Deutschland über Jahrzehnte diesen Spagat absolviert hatte: Klaus Zimmermann, lange Professor an der Uni München, nun in Berlin, und bis vor kurzem Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.

Wissenschafter, sagte Zimmermann, hätten einen gesellschaftlichen Auftrag. Das bedeutet also, die eigene Expertise in politische Entscheidungsprozesse einzubringen. Verbreitet sei allerdings die Sichtweise, dass wer gut forscht, nicht die Zeit für Beratung aufbringen könne, und, umkehrt, die angewandte Praxis nichts mit Forschung zu tun habe.

Der Faktor Zeit ist ein Problem, auf das Margit Schratzenstaller vom Wifo hinwies: "Freiräume für reine Forschung müssen erkämpft werden." Auf der anderen Seite sind Universitäten in die wirtschaftspolitische Debatte kaum eingebunden. "Die Unis helfen auch nicht, zu kommunizieren", so Zimmermann.

Das Wifo versucht diesen Spagat zwischen "akademischer Exzellenz und politischer Relevanz" durch Kooperationen mit der WU. "Man muss aber auch eine Brücke zu den Medien schlagen", sagt Schratzenstaller. Dies auch deshalb, da sich die Politik zunehmend als in dieser Hinsicht beratungsresistent erweist. Da waren sich fast alle einig. Zimmermann warf den Begriff "Policy-based evidence making" in die Diskussion, also eine quasi von der Politik bestellte Beweiswürdigung ihrer Absichten. Das ist jedoch der umgekehrte Weg. "Evidenz stört", sagte Zimmermann.

Der neue IHS-Chef, Martin Kocher, berichtete, dass vor allem in skandinavischen Ländern die Akzeptanz wissenschaftlicher Erkenntnisse von politischer Seite größer sei als im deutschsprachigen Raum. In Deutschland gebe es Besserung, so Zimmermann: "Die Politik sollte sich auch von den Besten beraten lassen." Kanzlerin Angela Merkel hat etwa den renommierten Ökonomen Lars-Hendrik Röller ins Bundeskanzleramt geholt, in Österreich ist eher eine gegenteilige Tendenz zu beobachten. Wobei auch die mediale Entwicklung mitspiele, befanden die Ökonomen. "Eine ausdifferenzierte Meinung ist nicht mehr von Interesse, und das verunmöglicht eine sachliche Debatte", sagte Schratzenstaller.

Doch gerade wenn Wirtschaftspolitik in geringer werdendem Ausmaß auf ökonomischer Expertise fußt, bestehe die Notwendigkeit die Medien einzubinden, sagt Schratzenstaller. "Medien können Druck auf die Politik erzeugen". Freilich: nur, wenn diese auch an einer Versachlichung interessiert sind. Zum Beispiel Ceta?