Zum Hauptinhalt springen

Grenzen dicht

Von Marina Delcheva

Politik

ÖVP fordert Halbierung der Obergrenze auf 17.000 Flüchtlinge im heurigen Jahr. Härtere Gangart beim Thema Asyl.


Pöllauberg. Nicht mehr als 17.000. Geht es nach der ÖVP, sollen in diesem Jahr nur so viele Flüchtlinge in Österreich ein Asylverfahren aufnehmen dürfen. Das kündigte ÖVP-Obmann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bei der ÖVP-Klubklausur im steirischen Pöllauberg am Mittwoch an. "Das ist eine harsche, aber notwendige Ansage", verteidigte Mitterlehner die Forderung.

Die Frage der nationalen Sicherheit, Probleme bei der Integration und bei Abschiebungen sowie die wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung machten dies nötig. Im Detail durchdacht und problemlos durchführbar ist die Halbierung der Obergrenze noch nicht. Diese sei vielmehr eine "Metapher" und ein "Symbol dafür, dass wir ein Zuviel an Integrationsmängeln und eine zu hohe gesellschaftliche Belastung haben", erklärte der Vizekanzler.

Die Ankündigung darf vor allem als Signal nach außen, also in Richtung Koalitionspartner, anderer EU-Mitgliedsstaaten und Flüchtlingen, die sich auf den Weg machen wollen, verstanden werden. Für den aus der SPD ausgetretenen ehemaligen deutschen Arbeitsminister Wolfgang Clement geht die Diskussion um eine Asyl-Obergrenze gar am Flüchtlingsproblem vorbei. Diese diene lediglich Unterhaltungszwecken, meinte er in seiner Rede bei der ÖVP-Klubklausur.

Im Vorjahr hatte sich die Regierung auf eine Obergrenze von 37.500 zum Asylverfahren zugelassene Flüchtlinge geeinigt. Für heuer war der Grenzwert auf 35.000 festgelegt worden. Jetzt sollen nur halb so viele kommen dürfen. In letzter Konsequenz heißt das "Grenzen zu" und "Zwischenlager", so Mitterlehner. Innenminister Wolfgang Sobotka will die Obergrenze auch gesetzlich festschreiben und Transitzonen oder Zwischenlager in Kasernen einrichten. Vor allem Ersteres ist aber verfassungsrechtlich höchst umstritten.

Grenze bald erreicht

Derzeit kommen laut Innenministerium im Schnitt 400 Menschen pro Woche nach Österreich. Außerdem werden rund 14.000 sogenannte Dublin-Fälle aus dem Vorjahr mitgenommen. Das sind Asylfälle, die eigentlich einem anderen EU-Land zugerechnet werden, die meisten Ungarn. Budapest weigert sich aber beharrlich, Flüchtlinge zurückzunehmen, also haben die Schutzsuchenden nach sechs Monaten im Land ein Recht auf ein Verfahren hier. Hinzu kommen jene Fälle, die noch nicht bearbeitet sind und in die diesjährige Statistik fallen. Weil das alles in die Obergrenze einfließt, könnte sie schon in wenigen Wochen erreicht werden. Dann sollen die Grenzbeamten Flüchtlinge abweisen. Nach jetzigem Stand darf Österreich nur noch bis März seine Grenzen kontrollieren. Eine Verlängerung gilt als wahrscheinlich, aber es gibt noch kein grünes Licht von der EU-Kommission.

Abgesprochen war die Halbierung mit dem Koalitionspartner nicht. SPÖ und ÖVP verhandeln ja bis Ende des Monats ein neues Regierungsprogramm. "Das Zusammenleben in Österreich muss funktionieren. Dazu bedarf es aber konkreter Maßnahmen, es braucht keine Zahlenspielereien, die nur Schlagzeilen produzieren sollen", kommentierte SPÖ-Geschäftsführer Georg Niedermühlbichler die Forderung. Empörung oder ein klares Nein gibt es aber nicht. Zwar ist im Programmpapier der SPÖ, dem "Plan A", keine Rede von einer neuen Obergrenze, aber sehr wohl davon, dass die "Zuwanderung auf ein bewältigbares Maß" reduziert wird.

Nachgeschärft werden soll auch beim Thema Sicherheit. Sobotka fordert eine Fußfessel für "Gefährder", also als radikal eingestufte IS-Rückkehrer. Justizminister Wolfgang Brandstetter soll die Forderungen nun rechtlich prüfen. Im Gespräch sind auch strengere Schubhaftbestimmungen.

Weiter für Kopftuchverbot

Der Ton in Richtung Flüchtlinge wird jedenfalls rauer. ÖVP-Generalsekretär Werner Amon forderte "null Toleranz für alle kriminellen Vorfälle in Zusammenhang mit Asylwerbern". Mit der schärferen Wortwahl versucht die ÖVP auch, Wähler aus dem blauen Lager zurückzuholen. Und mit noch einer Forderung will man in die Verhandlungen gehen: ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst soll ins neue Integrationsgesetz festgeschrieben werden. Der Vorstoß von Integrationsminister Sebastian Kurz stieß vor allem bei Muslimen auf Widerstand.

Im neuen Regierungsprogramm sollen die Themen Wirtschaft und Arbeitsmarkt im Vordergrund stehen. Hier scheinen sich die tiefen Gräben zwischen den Koalitionspartnern ein Stück weit zu schließen. Die ÖVP fordert schon länger eine Flexibilisierung der Höchstarbeitszeit. Nun kommen vonseiten der SPÖ Zugeständnisse. Man könne sich eine Flexibilisierung vorstellen, wenn sie nicht nur den Arbeitgebern zugutekäme. Auch die Abschaffung der kalten Progression und die Entrümpelung des Arbeitnehmerschutzrechts sollen in den kommenden Monaten angegangen werden. Und auch bei den Sozialversicherungen wird es wohl deutliche Umwälzungen geben.

Senkung der Abgabenquote

Als langfristiges Ziel nannte Mitterlehner eine Senkung der Abgabenquote auf unter 40 Prozent. Außerdem soll es eine "Mobilitätsprämie" geben und die Zumutbarkeitskriterien für Pendler sollen angehoben werden.

Von vorzeitigen Neuwahlen oder einer Obmanndebatte will man jedenfalls nicht sprechen. Mitterlehner, Amon und Klubchef Reinhold Lopatka, der zuletzt mit einer Wahlempfehlung für den unterlegenen freiheitlichen Norbert Hofer den Unmut des Parteiobmanns auf sich gezogen hatte, gaben sich betont einig.