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Kontroverse um Kurz-Vorstoß zu EU-Ausländern

Von Simon Rosner

Politik

Wie Österreich bereits jetzt für EU-Ausländer den Zugang zu Sozialleistungen einschränkt.


Wien. Seit dem Auftritt von Sebastian Kurz in der ORF-Pressestunde hat die Koalition ein Streitthema mehr. Der Außenminister forderte eine Wartefrist von fünf Jahren für Sozialleistungen für EU-Ausländer. De facto, so Kurz, hätten diese ab Tag eins darauf Anspruch.

Der "De facto"-Zusatz macht die Aussage dehnbar - und das ist auch die Forderung selbst. Denn auch das kostenlose Schulbuch ist eine Sozialleistung, auf die auch tatsächlich ab Tag eins Anspruch bestünde. Das dürfte Kurz eher nicht gemeint haben, eine Nachfrage in seinem Büro blieb aber unbeantwortet. Im ORF erwähnte Kurz aber die Mindestsicherung. "Die Freiheit, überall arbeiten zu dürfen, darf nicht mit der Freiheit verwechselt werden, sich das beste Sozialsystem auszusuchen", sagte Kurz.

Beschränkung in Kraft

Genau deshalb hat allerdings Österreich schon vor Jahren entsprechende Regelungen getroffen, die den Zugang zu Sozialleistungen für EU-Bürger einschränken. Es ist beispielsweise nicht möglich, sich in Österreich niederzulassen und "ab Tag eins" Mindestsicherung zu beantragen. Anspruch haben nur Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland oder Unionsbürger, die mehr als fünf Jahre in Österreich gewohnt haben.

Beide Voraussetzungen interferieren auch mit dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz. Das ist wichtig. EU-Ausländer sind nämlich nur dann länger als drei Monate in Österreich aufenthaltsberechtigt, wenn sie hier arbeiten (oder studieren) sowie "für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen".

Daraus ergibt sich, dass sich Deutsche oder Slowaken gar nicht in Österreich registrieren können, wenn sie keinen Job haben. Und sie können grundsätzlich keine Sozialleistungen beantragen, wenn sie sich nicht rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Was aber passiert mit jenen, die hier arbeiten, den Job aber verlieren? Wer in den letzten zwei Jahren mehr als 52 Wochen gearbeitet hat, kann Arbeitslosengeld beziehen, wobei Dienstzeiten aus anderen EU-Staaten mitgerechnet werden. Daran will auch Kurz nicht schrauben, da es sich beim Arbeitslosengeld um eine Versicherungsleistung handle.

Wer arbeitslos wird und aktiv Arbeit sucht, verliert auch nicht gleich den Aufenthaltstitel. Das ist im Gesetz explizit festgehalten. Nicht jedoch, was passiert, wenn durch den Einkommensverlust keine "ausreichenden Existenzmittel" mehr zur Verfügung stehen. Hier stellt sich aber ohnehin die Frage der Exekutierbarkeit, da im Gegensatz zu Ausländern aus Drittstaaten, EU-Bürger ihren Aufenthalt nicht jährlich verlängern müssen.

Daten des AMS deuten daraufhin, dass längere Arbeitslosigkeit EU-Ausländer wieder auswandern lässt. So bezogen 2015 weniger Österreicher Arbeitslosengeld als dessen Folgeleistung, die Notstandshilfe. Bei EU-Bürgern war es umgekehrt. Die Zahl der EU-Notstandshilfe-Bezieher stieg jedoch seit 2010 von 4760 auf 12.766.

Wie ein Sprecher von Kurz am Montag der APA erklärte, sei eine grundsätzliche Fünf-Jahres-Frist europarechtlich derzeit gar nicht zulässig, Kurz wolle sich aber auf EU-Ebene dafür einsetzen.