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"Ich werde kämpfen"

Von Werner Reisinger und Sarah Yolanda Koss

Politik

SPÖ-Bundesparteirat segnet das Wahlprogramm und die Bundesliste ab. Bundeskanzler Kern ruft Patreifreunde auf: "Werdet ihr mit mir rennen?"


Wien. Ob es nun an der Hitze lag oder an einer echten Zuversicht: Die mehr als 300 Delegierten zuzüglich hunderter Gäste mit "Team Kern"-Buttons legten am Donnerstagnachmittag im Wiener Messezentrum eine demonstrative Gelassenheit an den Tag. Daran konnte auch eine Aktion der Sozialistischen Jugend und des Verbands Sozialistischer StudentInnen vor dem Haupteingang nichts ändern. Sie wollten SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern den Wahlslogan des britischen Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn ("For the many, not the few"; "Für die Mehrheit, nicht für einige Wenige") mit auf den Weg geben - und Kern darauf hinweisen, dass der altlinke Politiker mit seinem Linkskurs bei den letzten Unterhauswahlen einen beachtlichen Stimmenzuwachs für Labour eingefahren hatte.

Wiener Spitzen gegen Kurz

"Wir gehen es heute ein wenig gemütlicher an", sagte der Wiener Bürgermeister Michael Häupl in seiner Eröffnungsrede. Häupl widmete sich ausführlich dem SPÖ-Hauptkonkurrenten Sebastian Kurz. Er habe gehört, Kurz werde erst am 28. September das Wahlprogramm der "neuen ÖVP" vorstellen. "Ich bin dafür, dass das Walprogramm der ÖVP am 16. Oktober vorgestellt wird. Das ist früh genug", so Häupl in gewohnt launiger Manier. Kurz danach der Einzug von Christian Kern, vorab noch ein perfekt inszeniertes Video, in dem der SPÖ-Chef von seiner Kindheit in einfachen Verhältnissen spricht und die Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik und des Sozialstaats pries. Die rot-weiß-roten Fahnen, die die Delegierten auf ihren Plätzen vorfanden, blieben dabei bis auf wenige Ausnahmen unbenutzt.

Auch Christian Kern ließ in seiner Ansprache an die Delegierten kaum Seitenhiebe auf Sebastian Kurz aus. "Ja, die haben mehr Geld als wir, und ja, die haben auch einige Medien hinter sich", sagte Kern. Es würde nicht leicht werden, Kanzler zu bleiben. Er setze auf die Stärke der Partei, so Kern, der an den 1. Mai erinnerte, an dem er sich am Rathausplatz "wie ein Tropfen in einem Ozean" gefühlt habe. "Ich bin der vollen Überzeugung, dass es ein Vorteil ist, keine Liste oder Bewegung zu sein", sagte der SPÖ-Chef in Anspielung an die Konjunktur, die "Bewegungen" quer durch die politische Landschaft aktuell erfahren. Dabei sei die SPÖ die "älteste Bewegung" in Österreich, hatte Kern noch vor wenigen Tagen festgestellt. Umfragen glaube er jedenfalls noch weniger als Horoskopen, versicherte der Kanzler. Das Land brauche Veränderung, aber mit "Verantwortung", dafür werde er kämpfen.

Inhaltlich setzte Kern in seiner Rede klar auf klassische soziale Themen, die er mit den Bereichen Wirtschaft und Unternehmen verknüpfte. Mindestlohn, Beschäftigung und Sozialstaat dominierten die halbstündige Rede - das Thema Asyl und Migration sprach der Kanzler nicht an. Natürlich, auch er sei der Meinung, dass sich "unsere Kinder sicher fühlen müssen, am Weg zur Schule", so Kern: "Wer hat denn damals die Polizisten abgebaut? Wer hat dafür gesorgt, dass in der Nacht in einem Bezirk nur eine einzige Streife unterwegs ist?" Nun sei es an der SPÖ, wieder mehr Polizisten einzustellen. Was ja im Wahlprogramm versprochen wird.

(K)Ein Kreuzerl bei Türkis

Besonders emotional wurde Kern beim Thema Pensionen: "Man wirft uns vor, wir würden die Pensionisten schützen. Wir sagen: Ja, wir schützen die Pensionisten!" Einen Buschauffeur könne man nicht guten Gewissens bis 70 arbeiten lassen. Von den Delegierten, viele von ihnen älteren Semesters, gab es dafür dankbaren Applaus.

Jedenfalls werde man im Wahlkampf "nichts versprechen, was wir nicht einhalten können", versicherte der SPÖ-Chef. Wem ein "Millionenerbe" wichtiger sei als soziale Gerechtigkeit, der möge das Kreuzerl am 15. Oktober bei Türkis oder Blau machen. "Sie vertreten eure Interessen!" Immer wieder bringt Kern seine Argumente mit dem neuen Slogan "Holen Sie sich, was Ihnen zusteht" auf den Punkt. Detail am Rande: Der Slogan kam ursprünglich just von jenen, die Kern eingangs mit den Jeremy-Corbyn-Transparenten aufwarteten: der SJ.