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Ohne Erfolgsgarantie

Von Daniel Bischof

Politik

Ein subsidiäres Europa, ein FPÖ-Außenminister? Eine Analyse zu den Koalitionsverhandlungen.


Wien. Nun ist es offiziell. Am Dienstagvormittag lud ÖVP-Obmann Sebastian Kurz die FPÖ ein, über eine "türkis-blaue" Regierung zu verhandeln. Wenige Stunden später nahm der freiheitliche Parteichef Heinz-Christian Strache das Angebot an. Geht es nach Sebastian Kurz, soll es jetzt schnell gehen: Bis Weihnachten soll die neue Bundesregierung stehen. Strache will sich nicht festlegen. "Es gibt keinen Grund für überhastete Verhandlungen."

Wie am Dienstag herauszuhören war, wird die Europapolitik in den Verhandlungen eine gewichtige Rolle einnehmen. Kurz beharrte auf einer "klar pro-europäischen Ausrichtung" der künftigen Bundesregierung. Er sei für eine subsidiäre EU, die sich in Fragen zurücknehme, die Nationalstaaten oder Regionen selbst entscheiden könnten. Bei größeren Fragen solle man in der EU hingegen noch stärker zusammenarbeiten.

Das sei ein Schritt, den man unterstütze, erwiderte Strache. "Wenn man sagt, dass man jemand liebt, heißt das nicht, dass man immer lieb zu ihm ist", beschrieb FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl das freiheitliche Verhältnis zur EU. Die Aussagen passen zur gemäßigten Sprache, welche die Freiheitlichen neuerdings hinsichtlich der EU verwenden. Am Sonntag legte der freiheitliche Vizeparteichef Norbert Hofer sogar ein Bekenntnis zur europäischen Integration ab. Gleichzeitig schloss er aber aus, dass die FPÖ die Rechtsfraktion im EU-Parlament verlässt. In dieser haben sich europaskeptische und teils europafeindliche Parteien zusammengeschlossen.

Der Faktor Merkel

Sollten FPÖ und ÖVP in ihrer Europapolitik zusammenfinden, wird sich erst zeigen, ob sie sich auch auf europäischer Ebene durchsetzen lässt. Derzeit ist die deutsche Kanzlerin Angela Merkel noch damit beschäftigt, nach der Bundestagswahl eine neue Koalition zu schmieden. Welchen EU-Kurs sie danach verfolgen wird, wie der französische Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker reagieren werden, ist noch ungewiss. Eine Möglichkeit, die EU-Ausrichtung zu beeinflussen, bietet sich für die österreichische Bundesregierung vor allem im zweiten Halbjahr 2018. Da übernimmt Österreich die EU-Ratspräsidentschaft.

In der EU wird es wohl als Affront gesehen werden, wenn das Außenministerium künftig in blauer Hand ist. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird damit keine Freude haben. Rechtlich besitzt er die Möglichkeit, vorgeschlagene FPÖ-Minister abzulehnen. "Die Macht des Bundespräsidenten ist hier in der Realität ziemlich begrenzt", sagte aber der Verfassungsjurist Heinz Mayer zuletzt der "Wiener Zeitung". Der Bundespräsident habe ein Problem, wenn sich eine Koalition einige und verkünde, dass sie nur "komplett oder gar nicht" antrete. Ihm bleibe dann nur über, die Regierung als Ganzes nicht zu ernennen, so Mayer.

Ob die Bundesregierung gleich zu Beginn einen Konflikt mit dem Bundespräsidenten und der EU riskieren will, bleibt fragwürdig. Kurz sagte, dass Van der Bellen ihm Anregungen mitgegeben habe. Bedingungen oder etwas anderes, das ihm die Verhandlungen erschweren würde, habe der Bundespräsident aber nicht erwähnt.

FPÖ will Informationen

Zur Ministeriumsverteilung hielten sich beide Parteien bedeckt. Die FPÖ will zu Beginn der Gespräche eine "Bestandsaufnahme" machen. Sie verlangt Informationen, die sie als Oppositionspartei bisher nicht gehabt habe, einen Überblick über die Budgetsituation und einen Innenblick auf die Ministerien. Im Vorfeld hatte die FPÖ mehrmals das Innenministerium gefordert. Dazu wollte sich Kurz nicht äußern: Die Ressortverteilung werde erst besprochen.

Neben dem Innen- und Außenministerium könnte für beide Parteien vor allem das Sozialministerium interessant sein. Es ist neben Sozialem und Konsumentenschutz für den Arbeitsmarkt und die Pensionen zuständig. Wer es besetzt, verfügt über enorme Budgetmittel. Alleine auf die Posten "Arbeit" und "Soziales und Konsumentenschutz" entfallen heuer 15,1 Prozent des Budgets.

Eine Alternative

Strache betonte, dass eine "Regierungsbeteiligung für uns kein Selbstzweck" ist. Mit den Verhandlungen befinde man sich erst am Beginn. "Sie müssen nicht zwangsweise zum Erfolg führen." Doch gibt es überhaupt noch eine Alternative zu Schwarz-Blau? Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender Christian Kern erklärte am Montag im "ZiB 2"-Interview, er könne sich vorstellen, dass die SPÖ allenfalls eine ÖVP-Minderheitsregierung unterstützt.

Kurz zeigte sich darüber erfreut. Eine Minderheitsregierung sei aber nur eine mögliche Variante, wenn keine stabile Regierung zustande komme.